BFH Beschluss v. - III R 27/00

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Einkommensteuer 1992 aufgrund mündlicher Verhandlung vom als unbegründet ab. Die Revision ließ es nicht zu. In der mündlichen Verhandlung war für die Kläger niemand erschienen. Der Prozessbevollmächtigte war hierzu am mit dem Hinweis geladen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist die Ladung am der Bediensteten des Prozessbevollmächtigten übergeben worden.

Die Kläger haben hiergegen das ”zulässige Rechtsmittel” eingelegt und begründen dies mit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Prozessvertreter könne den Zugang einer Ladung nicht feststellen. Auch das Befragen seiner Mitarbeiter habe zu keinem anderen Ergebnis geführt. Eine Ladung gegen Empfangsbekenntnis oder Rückschein sei heutzutage der einzige noch sichere Weg, den tatsächlichen Zugang eines Schriftstückes nachzuweisen. Selbst bei einer Zustellungsurkunde sei ein Versehen nicht völlig auszuschließen, zumal die Post keine Behörde mehr sei, sondern eine privatwirtschaftliche AG. Hätte er die Ladung erhalten, hätte er die mündliche Verhandlung wahrgenommen. Den Klägern sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Gründe für eine zulassungsfreie Revision seien nicht ersichtlich.

II. Das von den Klägern erhobene Rechtsmittel ist als Revision anzusehen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV R 118-120/89, BFH/NV 1990, 707; vom IV R 78-81/89, BFH/NV 1990, 709). Der Antrag der Kläger ist unmittelbar auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung gerichtet und nicht auf Zulassung der Revision.

Das Urteil ist vor dem verkündet worden. Die Zulässigkeit der Revision beurteilt sich deshalb gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG). Danach findet eine Revision nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist. Hierauf hat das FG in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen.

Die Kläger rügen, der Prozessvertreter habe die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten. Damit wird ein Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Dabei ist unschädlich, dass sie diese Rechtsnorm nicht ausdrücklich bezeichnet haben, sondern in der von ihnen behaupteten mangelnden Ladung des Prozessbevollmächtigten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sehen. Denn aus dem Vorbringen der Kläger ist eindeutig zu erkennen, dass sie eine Verletzung dieser Vorschrift rügen wollen (, BFHE 175, 507, BStBl II 1995, 64).

a) Offen bleiben kann, ob die Kläger überhaupt ein unbedingtes Rechtsmittel eingelegt haben, denn die Revision ist jedenfalls nicht statthaft. Die Revisionsbegründung der Kläger genügt nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, da die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— keinen Verfahrensmangel ergeben.

Ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war und der Prozessführung auch nicht zugestimmt hat. Die Rechtsprechung hat einen Fall mangelnder Vertretung auch dann angenommen, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter zu einer mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen war und deshalb nicht erschienen ist (, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948, m.w.N.). Dagegen ist § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht verletzt, wenn das Gericht bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat, der Beteiligte aber aus einem in seinem Bereich liegenden Grund nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (, BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, m.w.N.).

Die Ausführungen der Kläger lassen nicht den Schluss zu, das FG habe sie nicht ordnungsgemäß geladen. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom ist die Ladung zur mündlichen Verhandlung dem Prozessvertreter in seinen Geschäftsräumen durch Übergabe an seine Bedienstete zugestellt worden (§ 53 FGO i.V.m. § 3 des VerwaltungszustellungsgesetzesVwZG—, § 183 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung —ZPO—).

Die Postzustellungsurkunde erbringt als öffentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für die von ihr bezeugten Tatsachen. Dies gilt auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost (BFH-Beschluss in BFHE 183, 3, BStBl II 1997, 638, m.w.N.). Dieser Beweis für den beurkundeten Zustellungsvorgang kann durch die bloße Behauptung der Kläger, der Prozessbevollmächtigte habe keine Kenntnis von der Zustellung der Ladung erlangt, auch seinen Mitarbeitern sei eine Ladung nicht bekannt, nicht entkräftet werden. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einen anderen Geschehensablauf substantiiert darzulegen und zu beweisen. Die Kläger haben aber keine Umstände dargestellt, die ein Fehlverhalten des Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind.

Das FG durfte somit davon ausgehen, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung, die den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Hinweis enthält und die Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 FGO wahrt, dem Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß durch Übergabe an dessen Bedienstete zugestellt worden war. Das FG hat damit in der Sitzung vom verfahrensfehlerfrei die ordnungsgemäße Ladung des Klägervertreters festgestellt und im Anschluss hieran trotz seiner Abwesenheit verhandelt.

b) Die von den Klägern behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs fällt nicht unter die in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgezählten Verfahrensmängel (, BFH/NV 1995, 406). Sie kann die zulassungsfreie Revision nicht eröffnen.

c) Die von den Klägern beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO wegen der nach ihrer Darstellung unverschuldeten Versäumung des Termins zur mündlichen Verhandlung, mithin auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, kommt im finanz- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da § 56 FGO nur für die Versäumung gesetzlicher Fristen gilt und auf die Versäumung von Terminen nicht anwendbar ist. Auch eine Wiederholung der mündlichen Verhandlung durch das FG könnte das bereits im ersten Termin verkündete Urteil nicht außer Kraft setzen (BFH-Urteil in BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; Beschlüsse vom IX R 15/94, BFH/NV 1995, 913, 914; vom  VII R 23/96, und VII B 41/96, BFH/NV 1997, 44). Im Übrigen begründet auch dieser Tatbestand keinen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO.

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YAAAA-66955