BFH Beschluss v. - II B 77/00

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bzw. ihre Rechtsvorgänger waren bzw. sind ab 1977 Kommanditaktionäre der X Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Deren Satzung sah die Einsetzung eines Gesellschafterausschusses vor, der anstelle der Hauptversammlung bei der Geschäftsführung mitzuwirken hatte (Art. 25, 26 der Satzung der KGaA). Der Gesellschafterausschuss war berechtigt, Personen zu Mitgliedern der Geschäftsführung zu bestimmen (Art. 11 Abs. 1 der Satzung der KGaA) und den Vorsitzenden der Geschäftsführung zu bestellen (Art. 11 Abs. 3 der Satzung der KGaA). Er konnte ferner eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung erlassen und u.a. darin festlegen, welche Handlungen und Rechtsgeschäfte der Zustimmung des Gesellschafterausschusses bedurften. Die Bestellung der Mitglieder des Gesellschafterausschusses erfolgte durch die Hauptversammlung (Art. 28 Abs. 1 der Satzung der KGaA). Die Kläger waren auf Grund der Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung in der Lage, die Zusammensetzung des Gesellschafterausschusses zu bestimmen.

Die Kläger waren darüber hinaus auch stille Gesellschafter der KGaA mit einer Einlage von insgesamt 129,6 Mio. DM. Nach den hierzu zwischen der KGaA und den Klägern getroffenen Vereinbarungen sollte die Dauer der stillen Gesellschaft unbestimmt sein. Die KGaA war in der Lage, die Beteiligung der stillen Gesellschafter ganz oder zum Teil zu kündigen. Die Kündigung konnte nur allen stillen Gesellschaftern gegenüber gleichzeitig und nur in der Weise erfolgen, dass das Beteiligungsverhältnis der stillen Gesellschafter untereinander unverändert blieb. Seitens der Kläger konnte die stille Gesellschaft erstmals zum gekündigt werden. Die an die Kläger als stille Gesellschafter ausgezahlten Ausschüttungen betrugen, bezogen auf den Nominalbetrag ihrer stillen Beteiligung:


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in 1984
für 1983
 18 v.H.
in 1985
für 1984
 19 v.H.
in 1986
für 01-09/1985
 19 v.H.
 
für 10-12/1985
 10 v.H.
in 1987
für 1986
 13 v.H.
in 1988
für 1987
 14 v.H.
in 1989
für 1988
 15 v.H.
in 1990
für 1989
 16 v.H.

Durch Feststellungsbescheid vom stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Wert der Einlagen der Kläger als stille Gesellschafter an der KGaA einheitlich und gesondert über deren Nennwert wie folgt fest:


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 121,32 v.H.
 123,50 v.H.
 120,80 v.H.
 115,38 v.H.
 129,15 v.H.
 130,00 v.H.
 135,00 v.H.

Einspruch und Klage, mit denen die Kläger geltend machten, der Wert ihrer stillen Beteiligung sei nach § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Nennwert festzustellen, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung darauf abgestellt, dass es sich bei den stillen Beteiligungen der Kläger um hochverzinsliche und langfristige Kapitalforderungen handele. Dies rechtfertige eine Bewertung über dem Nennwert. Dem stehe das jederzeitige Kündigungsrecht der KGaA nicht entgegen. Denn die Kläger hätten wegen ihrer Stellung als Kommanditaktionär und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen, eine gegen ihren Willen erfolgte Kündigung faktisch verhindern können. Anhaltspunkte für eine bevorstehende Ausübung des formellen Kündigungsrechts durch die KGaA bestünden nicht.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz sowie Verfahrensfehler geltend machen. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Dies beurteilt sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom (BGBl I, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Denn die angefochtene Entscheidung des FG ist vor dem zugestellt worden.

1. Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG war —auf der Grundlage seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung— nicht gehalten, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht aufzuklären, wie sich zu den streitigen Feststellungszeitpunkten der Gesellschafterausschuss personell zusammengesetzt hat. Das FG hat bei der Würdigung des von ihm festgestellten Sachverhalts, neben weiteren Überlegungen, entscheidend darauf abgestellt, dass ”die stillen Gesellschafter überwiegend zugleich Stammaktionäre der KGaA waren und als solche über die Hauptversammlung und letztlich den Gesellschafterausschuss Einfluss auf den Fortbestand der stillen Gesellschafter nehmen konnten”, denn die Mitglieder des Gesellschafterausschusses wurden ”durch die Hauptversammlung, d.h. durch die Stammaktionäre, bestellt”. Damit hat es dem Umstand, dass die Kläger (stille Gesellschafter) über ihre Stellung als Stammaktionäre (Kommanditaktionäre) unmittelbaren Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Gesellschafterausschusses nehmen konnten, maßgebliche Bedeutung zugemessen. Auf dieser Grundlage kann die Tatsache keine entscheidungserhebliche Bedeutung mehr haben, ob und in welchem Umfang stille Gesellschafter/Kommanditaktionäre als solche Mitglied im Gesellschafterausschuss sind. Denn es macht im Hinblick auf die Einflussmöglichkeiten der stillen Gesellschafter/Kommanditaktionäre im Ergebnis keinen wesentlichen Unterschied, ob diese selbst Mitglieder des Gesellschafterausschusses sind oder sich durch von ihnen gewählte Personen vertreten lassen.

2. Die von den Klägern herausgestellte Rechtsfrage, ”ob die Vermutung eines bestimmten einheitlichen Betätigungswillens aufgrund von vermutlich gleichlaufenden Interessen statthaft ist und den Nachweis eines entsprechenden Einzelinteresses des betreffenden Mitglieds des Gesellschafterausschusses ersetzen kann, wenn die Verpflichtung besteht, neben einem möglicherweise vorhandenen gemeinsamen Gruppeninteresse die Interessen außenstehender Dritter zu wahren”, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Ein über den konkreten Einzelfall hinausgehendes allgemeines Interesse scheidet hier schon deshalb aus, weil die Frage, ob (im Einzelfall) ein langfristiges Rechtsverhältnis vorliegt und welche (gleichgerichteten) Interessen die einzelnen Beteiligten hatten, nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und deren Würdigung und nicht allgemein entschieden werden kann. Die diesbezüglichen Ausführungen der Kläger richten sich letztlich gegen die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung. Selbst wenn diese aber fehlerhaft wäre, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auch nicht entscheidungserheblich, da es das FG zumindest hilfsweise (Seite 38 des Urteils: ”Im übrigen”) als erforderlich angesehen hat, dass trotz formal bestehenden Kündigungsrechts tatsächliche Anhaltspunkte für eine bevorstehende Ausübung desselben vorliegen müssten. Da solche Anhaltspunkte im Streitfall nicht bestünden, müsse —so das FG— von der Dauerhaftigkeit der stillen Gesellschaft ausgegangen werden.

3. Auch die von den Klägern geltend gemachte Divergenz des FG-Urteils zum (BFHE 86, 273, BStBl III 1966, 419) besteht nicht. Die Entscheidung des BFH ist durch die nachfolgende Entscheidung vom II R 3/80 (BFHE 135, 214, BStBl II 1982, 351) zumindest teilweise überholt. Danach ist für die Frage der Bewertung einer Darlehnsforderung (vgl. zur Behandlung einer stillen Beteiligung als Kapitalforderung das , BFHE 102, 407, BStBl II 1971, 642) über ihrem Nennwert maßgebend, welche Laufzeit des Darlehns am Bewertungsstichtag zu erwarten ist, nicht aber, welche formellen Kündigungsmöglichkeiten der Schuldner hat. Soweit die Entscheidung in BFHE 86, 273, BStBl III 1966, 419 allein auf die formelle Kündigungsmöglichkeit abstellt, entspricht dies nicht (mehr) der Rechtsprechung des BFH. Eine Abweichung der Entscheidung des FG liegt insoweit nicht vor.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1103 Nr. 9
ZAAAA-66800