BGH Beschluss v. - XI ZR 88/16

Beschwer für die Nichtzulassungsbeschwerde: Streitwertbemessung bei einer Feststellungsklage auf Fortbestehen eines Bausparvertrags

Gesetze: § 3 ZPO, § 9 ZPO

Instanzenzug: Az: 13 U 151/15 Beschlussvorgehend LG Aachen Az: 1 O 119/15

Gründe

I.

1Der Kläger schloss am mit der Beklagten einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 20.000 DM ab, welche später auf 80.000 DM (= 40.903,35 €) erhöht wurde. Gemäß § 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten (ABB) werden das Bausparguthaben mit 3% p.a. und ein von der Beklagten zu gewährendes Bauspardarlehen mit 5% p.a. verzinst. Die vereinbarte Bausparsumme ist noch nicht vollständig angespart, der Bausparvertrag jedoch seit über zehn Jahren zuteilungsreif. Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen der Beklagten kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen hatte, erklärte diese mit Schreiben vom die Kündigung des Bausparvertrages zum unter Hinweis auf die seit mehr als zehn Jahren bestehende Zuteilungsreife.

2Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den hinaus fortbesteht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert auf 40.903 € festgesetzt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Bei deren Einlegung belief sich das Bausparguthaben auf 35.162,05 €.

II.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.

41. Die Wertberechnung im Rahmen des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZR 263/14, BGHZ 206, 276 Rn. 3 und vom - XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 3, jeweils mwN). Für die Berechnung des Werts der Beschwer kommt es vorliegend gemäß § 4 ZPO auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an (vgl. auch Senatsbeschluss vom - XI ZR 366/15, aaO). Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht eigenständig zu befinden, ohne an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen oder die Angaben der Parteien gebunden zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZR 366/15, aaO; BGH, Beschlüsse vom - V ZR 314/13, juris Rn. 4 und vom - VI ZR 145/14, juris Rn. 3).

52. Wie das Interesse eines Bausparers an der Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages, dessen Kündigung von Seiten der Bausparkasse nach mehr als zehnjähriger Zuteilungsreife erklärt worden ist, gemäß §§ 3 ff. ZPO zu bemessen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

6a) Von Teilen der Rechtsprechung wird, entsprechend der Handhabung von Landgericht und Berufungsgericht in diesem Verfahren, das Feststellungsinteresse mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichgesetzt (vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom - 19 U 3/16, juris; LG Aachen, Urteil vom - 10 O 404/14, juris Rn. 26; LG München I, Urteil vom - 3 O 241/15, juris). Dies entspricht im Ergebnis auch den Ausführungen des Klägers in der Beschwerdeschrift. Demnach wäre die Beschwer mit 40.903,35 € zu beziffern.

7b) Teilweise wird das klägerische Interesse demgegenüber nach der Höhe des Bausparguthabens bemessen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom - 6 O 1708/15, juris; LG Osnabrück, Urteil vom - 7 O 545/15, juris Rn. 34). Danach beliefe sich die Beschwer des Klägers auf 35.162,05 €.

8c) Andere Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass es einem Bausparer darum geht, sich zum einen den Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erhalten und zum anderen eine weitere Verzinsung des Bausparguthabens zu erlangen. Der Zinsanspruch sei aber bei der Wertermittlung gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, weswegen bei der Wertermittlung allein auf den Differenzbetrag zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme, also auf die Höhe eines zu beanspruchenden Bauspardarlehens abzustellen sei (vgl. , juris Rn. 34). Der Beschwerdewert beliefe sich danach vorliegend auf 5.741,30 € (Bausparsumme in Höhe von 40.903,35 € abzüglich des Bausparguthabens in Höhe von 35.162,05 €).

9d) Nach einer vierten Auffassung ist für die Wertbestimmung das Interesse des Klägers an einer Verzinsung des Bausparguthabens und am Erhalt eines Bauspardarlehens maßgeblich. Das Zinsinteresse sei gemäß §§ 3, 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages des Bausparguthabens zu bestimmen, von dem im Hinblick auf den Feststellungsantrag ein Abzug von 20 % (so , juris Rn. 17) oder von 50 % (so OLG Stuttgart, WM 2016, 742, 748) vorzunehmen sei. Hinzukomme das Interesse an der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens, welches mit 80 % (so LG Stuttgart, aaO) oder mit 50 % des Darlehensbetrages (so OLG Stuttgart, aaO) zu bemessen sei. Soweit jeweils ein Abschlag von 50 % vorgenommen werde, sei dies gerechtfertigt, weil das Zinsinteresse und das Interesse am Erhalt des Bauspardarlehens in einem Alternativverhältnis zueinander stünden (vgl. OLG Stuttgart, WM 2016, 742, 748, zustimmend: Maier, VuR 2016, 9, 14). Der Beschwerdewert betrüge demnach 7.546,66 € (d.i. 80 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages in Höhe von 3.692,02 € [= 35.162,05 € x 0,03 x 3,5 = 3.692,02 €] = 2.953,62 € zuzüglich 80 % des Bauspardarlehens in Höhe von 5.741,30 € = 4.593,04 €) oder 4.717,66 € (d.i. 50 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zuzüglich 50% des Bauspardarlehens).

10e) Eine weitere Meinung stellt zur Wertermittlung auf das Interesse an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens in Höhe des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages (§ 9 ZPO) oder auf das Interesse am Erhalt eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme ab. Da beide Interessen alternativ zueinander bestünden, sei dem Rechtsgedanken von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG folgend jeweils der höhere Wert maßgebend (vgl. , juris Rn. 83 f.). Die Beschwer beliefe sich demzufolge hier auf 5.741,30 €, weil das Bauspardarlehen betragsmäßig höher ist als der dreieinhalbfache Jahreszinsertrag.

11f) Nach einer sechsten Ansicht ist für die Wertbestimmung allein auf das Interesse des Klägers an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens abzustellen, welches gemäß §§ 3, 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zu bestimmen sei, ohne dass von diesem Betrag ein Abschlag zu machen sei (vgl. , juris Rn. 3 und Urteil vom - 8 U 11/16, juris Rn. 53; , juris Rn. 3). Der Beschwerdewert betrüge demnach hier 3.692,02 €.

12g) Überwiegend wird demgegenüber darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des Bausparvertrages gemäß §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens beläuft, von dem mit Rücksicht auf die positive Feststellungsklage ein Abzug von 20% vorzunehmen sei (vgl. OLG Celle, Urteil vom - 3 U 230/15, juris Rn. 81; , juris Rn. 20 und Urteil vom - 31 U 234/15, juris Rn. 39; OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257; AG Ludwigsburg, Urteil vom - 10 C 1154/15, juris Rn. 113). Der Beschwerdewert wäre danach mit 2.953,62 € zu beziffern.

133. Der Senat erachtet die letztgenannte Auffassung für richtig.

14a) Entgegen der Festsetzung des Berufungsgerichts und der Auffassung des Klägers ist das Interesse an der Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 3, 9 ZPO nicht mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichzusetzen, sondern nach dem dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens zu bemessen.

15aa) Für die Wertfestsetzung gemäß § 3 ZPO ist das objektiv zu ermittelnde wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgeblich (vgl. , WM 2001, 1270, 1271 f.; Beschlüsse vom - IX ZB 230/07, juris Rn. 3 und vom - XII ZB 405/15, NJW 2016, 714 Rn. 13). Dieses liegt vorliegend im Ausgangspunkt ausschließlich in der Fortsetzung des Bausparvertrags und der fortwährenden Zahlung der vereinbarten Guthabenzinsen.

16Der von der Beklagten gekündigte, bereits im Jahre 1977 abgeschlossene und zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife Bausparvertrag bietet dem Kläger mit der vertraglich vereinbarten Guthabenverzinsung von 3 % p.a. angesichts der seit Längerem währenden Niedrigzinsphase eine im Hinblick auf die Rendite vergleichsweise sichere Geldanlage zu relativ günstigen Konditionen. Die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu dem vereinbarten Zinssatz von 5 % p.a. wäre hingegen für den Kläger wirtschaftlich unvernünftig, weil am allgemeinen Kapitalmarkt derzeit und auch noch auf unabsehbare Zeit Immobiliardarlehen zu deutlich günstigeren Konditionen gewährt werden. Das objektive wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Bausparvertrages besteht vor diesem Hintergrund allein darin, für sein Bausparguthaben den vereinbarten Guthabenzins zu vereinnahmen, nicht aber ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257 f.). Aufgrund dessen ist - jedenfalls nach der derzeitigen Marktlage - ein wirtschaftliches Interesse des Klägers am Erhalt des Bauspardarlehens nicht zu erkennen, so dass ein solches für die Wertbemessung außer Acht zu lassen ist.

17bb) Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung, das durch die Kündigung zur Rückzahlung fällig werdende Bausparguthaben und die Höhe des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens seien zusammenzurechnen, auf den Senatsbeschluss vom (XI ZB 3/97, WM 1997, 741) stützen möchte, ist dies unbehelflich. Gegenstand der Feststellungsklage in jenem Verfahren war die Unwirksamkeit der Kündigung eines Bauspardarlehens, mit dem die noch ausstehende Darlehensvaluta zur Rückzahlung fällig gestellt wurde. Dementsprechend war das Interesse der Kläger an der Feststellung des Fortbestandes des Darlehensvertrages darauf gerichtet, das Darlehen nicht sofort zurückzahlen zu müssen, und damit wie bei einer entsprechenden negativen Feststellungsklage mit dem noch offenen Darlehensbetrag gleichzusetzen. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei der Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse in der Ansparphase nicht (vgl. OLG Karlsruhe, JurBüro 2016, 257; Maier, VuR 2016, 9, 14).

18b) Bei der Bezifferung des Beschwerdewertes ist gemäß §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag abzustellen, der sich auf 3.692,02 € beläuft. Von diesem Betrag ist ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen, weil der Beschwerdeführer keine Leistungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IV ZR 294/99, NJW-RR 2000, 1266, vom - VII ZR 16/06, juris Rn. 1, vom - IV ZR 116/14, juris Rn. 1, vom - IX ZR 273/14, juris Rn. 1 und vom - IV ZR 548/15, juris Rn. 4; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 - Feststellungsklagen; MünchKommZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 3 Rn. 72).

19Etwas anderes folgt in diesem Zusammenhang nicht aus dem Senatsbeschluss vom (XI ZR 366/15, WM 2016, 454 Rn. 12), demzufolge bei der Bezifferung des Beschwerdewertes nach dem Widerruf eines Verbraucherdarlehens auf den ungekürzten Betrag der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen abzustellen ist. Diese Entscheidung ist den Besonderheiten bei der Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses nach erfolgtem Widerruf geschuldet.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:210217BXIZR88.16.0

Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 2343 Nr. 32
WM 2017 S. 804 Nr. 17
ZIP 2017 S. 1007 Nr. 21
UAAAG-48991