Revision in Strafsachen: Eintritt von Teilrechtskraft hinsichtlich der Nichtanordnung einer Maßregel
Gesetze: § 63 StGB, §§ 63ff StGB, § 64 StGB, § 354 StPO
Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 5110 Js 10023/14 - 2 KLsvorgehend Az: 4 StR 423/15 Beschlussvorgehend LG Frankenthal Az: 2 KLs 5110 Js 10023/14
Gründe
1Das Landgericht hat gegen den Angeklagten, der bereits rechtskräftig wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist, im zweiten Rechtsgang eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und zehn Monaten festgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten. Er wendet sich mit Einzelangriffen gegen die Strafzumessung und erstrebt die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB.
21. Die gegen die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts gerichteten Beanstandungen des Beschwerdeführers dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.
32. Das Landgericht hat entgegen der Auffassung des Angeklagten und des Generalbundesanwalts zu Recht davon abgesehen, im zweiten Rechtsgang (erneut) die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB zu prüfen. Einer solchen Prüfung stand die - auch insoweit - eingetretene Teilrechtskraft des in dieser Sache im ersten Rechtsgang ergangenen Urteils entgegen.
4a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
5Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang mit Urteil vom wegen der oben genannten Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. In diesem Urteil hatte das Landgericht unter anderem geprüft, ob gegen den Angeklagten eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB zu treffen ist, und dies - sachverständig beraten - verneint. Auf die gegen dieses Urteil unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten hob der Senat mit Beschluss vom das Urteil im Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der Feststellungen auf, weil es das Landgericht versäumt hatte, den Vollstreckungsstand möglicherweise gemäß § 55 StGB einbeziehungsfähiger Strafen aus zwei Vorverurteilungen mitzuteilen. Im Umfang der Aufhebung verwies der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wurde verworfen. Im zweiten Rechtsgang ist das Landgericht davon ausgegangen, dass durch die Senatsentscheidung neben dem Schuldspruch u.a. auch die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in (Teil-)Rechtskraft erwachsen ist. Mit der Frage einer Unterbringungsanordnung hat es sich in seinem Urteil deshalb nicht mehr befasst.
6b) Die Auffassung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
7Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (, BGHSt 54, 135, 137; Gericke in Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., § 353 Rn. 31). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden (BGH aaO; Wohlers in Systematischer Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 354 Rn. 79; Wiedner in Beck'scher Online-Kommentar StPO, Stand: , § 354 Rn. 99). Das bedeutet, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Aber auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Rechtsfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies, wenn das Tatgericht auf weitere Rechtsfolgen erkannt hat, die von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind, was sich nach den für die Rechtsmittelbeschränkung geltenden Grundsätzen richtet (BGH aaO; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 353 Rn. 8; Wohlers aaO, § 353 Rn. 13). Dies kann etwa der Fall sein, wenn neben der Strafe Sicherungsmaßregeln nach §§ 63 ff. StGB angeordnet worden sind (, BGHSt 33, 306, 310 [Entziehung der Fahrerlaubnis]; Beschluss vom - 3 StR 206/82, NStZ 1982, 483 [Maßregel nach § 63 StGB]; Meyer-Goßner aaO, § 353 Rn. 8 mwN). Nichts anderes gilt, wenn der Tatrichter die Frage einer Maßregelanordnung geprüft, jedoch von einer solchen Anordnung abgesehen hat (). Maßgebend für den Umfang einer Aufhebung ist insoweit die Formulierung im Tenor der revisionsgerichtlichen Entscheidung (, aaO; vgl. auch Gericke aaO, § 353 Rn. 20). Dabei umfasst die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs alle Rechtsfolgen der Tat, unabhängig davon, ob diese vom erstinstanzlichen Gericht angeordnet worden sind, während die Aufhebung des Strafausspruchs lediglich die zur Ahndung der verfahrensgegenständlichen Tat zu verhängenden Strafen betrifft (vgl. Wiedner aaO, § 353 Rn. 44).
8c) Dies zugrunde gelegt, ist im Hinblick auf die im ersten Urteil erfolgte Nichtanordnung einer Maßregel nach § 64 StGB Teilrechtskraft eingetreten.
9Nach der Entscheidungsformel des Senatsbeschlusses vom wurde das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Landgerichts - ausschließlich - im Strafausspruch aufgehoben; die Entscheidung über die Maßregel nach § 64 StGB als weitere - vom Landgericht abgelehnte - Rechtsfolge war hiervon mithin nicht erfasst. Hätte der Senat seine aufhebende Entscheidung auch auf die Nichtanordnung der Maßregel erstrecken wollen, wäre dies in der Beschlussformel zum Ausdruck zu bringen gewesen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom - 4 StR 248/16; vom - 4 StR 28/13; vom - 4 StR 465/95).
10Dem steht - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - auch nicht das (BGHSt 14, 381 ff.) entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in jenem Urteil unter Hinweis auf § 76 StGB aF, wonach Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Besserung und Sicherung nur neben der Gesamtstrafe, nicht neben den ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen zu verhängen und anzuordnen waren, entschieden, dass bei Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs auch die daneben angeordneten Nebenstrafen, Nebenfolgen oder Sicherungsmaßregeln bereits als gesetzliche Folge des § 76 StGB aF entfallen, und es deshalb eines diesbezüglichen gesonderten Ausspruchs in der Entscheidungsformel nicht bedurfte. Diese Rechtsprechung ist aber mit Wegfall des § 76 StGB aF überholt (vgl. , aaO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:190117U4STR443.16.0
Fundstelle(n):
AAAAG-47028