Strafverfahren: Revisionsgerichtliche Überprüfung der Wiederaufnahme der Klage aufgrund neuer Tatsachen und Beweismittel; Berücksichtigung eines Beweisverwertungsverbots; Verwertbarkeit von mittels Täuschung des Beschuldigten erlangten belastenden Informationen eines Zeugen
Leitsatz
1. Ob die Klage im Sinne des § 211 StPO auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel (sog. Nova) wieder aufgenommen werden durfte, überprüft das Revisionsgericht als besondere Prozessvoraussetzung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens vorliegenden Akteninhalts.
2. Bestand bei Eröffnung hiernach bezüglich der Nova ein Beweisverwertungsverbot, so ist dies im Revisionsverfahren ebenso wie im Eröffnungs- und Hauptverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen; eines Verwertungswiderspruchs des Angeklagten bedarf es nicht.
3. Allein die Entgegennahme von belastenden Informationen durch die Ermittlungsbehörden, die ein Zeuge durch Täuschung des Beschuldigten erlangt hat, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine Pflicht, dies zu unterbinden, trifft die Ermittlungsbehörden grundsätzlich nicht.
Gesetze: § 136a StPO, § 211 StPO, § 336 S 2 StPO
Instanzenzug: Az: 39 Ks 18/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
2I. Der Erörterung bedarf lediglich die besondere Prozessvoraussetzung des Vorliegens neuer Tatsachen oder Beweismittel gemäß § 211 StPO als Grundlage der Eröffnung des Hauptverfahrens bei vorausgegangener rechtskräftiger Nichteröffnung.
31. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
4Das Landgericht hatte ursprünglich die vormals gegen den Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Tat (§ 264 StPO) erhobene Anklage mangels hinreichenden Tatverdachts nicht zur Hauptverhandlung zugelassen und die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Diese Entscheidung war mit der Verwerfung der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Nebenkläger durch das Oberlandesgericht Celle rechtskräftig geworden.
5Nachdem der Angeklagte in anderer Sache Anfang April 2014 in Untersuchungshaft genommen worden war, gestand er die verfahrensgegenständliche Tat den in derselben Justizvollzugsanstalt inhaftierten Zeugen K. und H. . Sie hatten den Angeklagten während gemeinsamer Umschlusszeiten unter Vorspiegelung des Angebots, ihm bei der Beseitigung der bis dahin nicht aufgefundenen Leiche behilflich zu sein, gezielt zur hiesigen Tat befragt. Nachdem die beiden Zeugen ihr Wissen über die Äußerungen des Angeklagten den Ermittlungsbehörden weitergegeben hatten, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf, die zum Auffinden der Leiche und schließlich zur Erhebung einer neuen Anklage führten. Diese ist mit zur Hauptverhandlung zugelassen worden.
62. Die Revision ist der Ansicht, für die Aussagen der Zeugen K. und H. habe ein Beweisverwertungsverbot bestanden, so dass sie keine tauglichen neuen Beweismittel im Sinne des § 211 StPO gewesen seien.
73. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtsfehlerfrei vom Vorliegen neuer Tatsachen und Beweismittel nach § 211 StPO (sogenannter Nova) ausgegangen.
8a) Aus § 210 Abs. 1 und 2 StPO, wonach ein Eröffnungsbeschluss für den Angeklagten nicht, für die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde nur ausnahmsweise - im Fall der Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung - anfechtbar ist, ergeben sich für den Senat bei der Überprüfung des Eröffnungsbeschlusses des im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 211 StPO keine Einschränkungen. § 336 Satz 2 StPO, der ausdrücklich für unanfechtbar erklärte und mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidungen der revisionsgerichtlichen Kontrolle entzieht, steht dem nicht entgegen.
9Vor Einführung des § 336 Satz 2 StPO durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom (BGBl. I S. 1645) ging die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei dem Vorliegen von Nova im Sinne des § 211 StPO um eine besondere Prozessvoraussetzung handelt, die vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. RG, Urteile vom - V 1263/11, RGSt 46, 67, 71 f.; vom - IV 20/21, RGSt 56, 91 f.; vom - IV 457/22, RGSt 57, 158; vom - II 11/26, RGSt 60, 99 f.; , NJW 1963, 1019, 1020 [insoweit in BGHSt 18, 225 nicht abgedruckt]). Dies ist in späteren Entscheidungen und in der Kommentarliteratur übernommen worden, ohne dass die neu geschaffene Vorschrift des § 336 Satz 2 StPO problematisiert worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 460/88, BGHR StPO § 211 neue Tatsachen 1; vom - 5 StR 469/93, BGHR StPO § 211 neue Tatsachen 2; HK-StPO-Julius, 5. Aufl., § 211 Rn. 12; SK-StPO/Paeffgen, 5. Aufl., § 211 Rn. 13; Radtke/Hohmann/Reinhart, StPO, § 211 Rn. 6; Graf/Ritscher, StPO, 2. Aufl., § 211 Rn. 4; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 211 Rn. 13; KMR/Seidl, 63. EL, § 211 Rn. 24; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 211 Rn. 29; MüKoStPO/Wenske, § 211 Rn. 56).
10In jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Art. 103 Abs. 3 GG eine einschränkende Auslegung des § 210 Abs. 1 StPO dahin gebietet, dass in dessen Anwendungsbereich der Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens bei vorausgegangener rechtskräftiger Nichteröffnung nach § 211 StPO nicht einbezogen ist (Beschluss vom - 2 BvR 2001/02, StV 2005, 196 f.); Art. 103 Abs. 3 GG verbiete nicht nur jede Doppelbestrafung, sondern gewährleiste auch den Schutz vor doppelter Strafverfolgung. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf erkannt, dass der Eröffnungsbeschluss in dem Zweitverfahren mit der (einfachen) Beschwerde - im dortigen Ausgangsverfahren war diese sieben Monate nach der Eröffnungsentscheidung eingelegt worden - anfechtbar ist, und dies mit der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer zeitnahen justizförmigen Überprüfung der Nova begründet. Mit der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gemäß § 311 StPO in analoger Anwendung des § 210 Abs. 2 StPO hat es sich nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - auseinandergesetzt. Dies wäre deshalb in Betracht gekommen, weil die sofortige Beschwerde das einzig statthafte Rechtsmittel ist, welches das Gesetz in Bezug auf einen Eröffnungsbeschluss kennt, und sie weit eher eine zeitnahe Überprüfung der Eröffnungsentscheidung gewährleisten würde.
11Weil diese verfassungsgerichtliche Rechtsprechung den Senat freilich bindet, hat er von der Statthaftigkeit der (einfachen) Beschwerde auszugehen, mit der Folge, dass schon deshalb die Vorschrift des § 336 Satz 2 StPO der revisionsgerichtlichen Kontrolle eines nach § 211 StPO gefassten Eröffnungsbeschlusses nicht entgegensteht.
12b) Die Überprüfung des Eröffnungsbeschlusses in dem Zweitverfahren ist auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Eröffnung vorliegenden Akteninhalts vorzunehmen. Bei der Eröffnungsentscheidung handelt es sich auch im Fall des § 211 StPO um eine vorläufige Tatbewertung anhand der dem Gericht vorliegenden Akten, die nicht im Nachhinein deshalb unrichtig wird, weil sich das Wahrscheinlichkeitsurteil nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht bestätigt. Hat das Eröffnungsgericht dieses Wahrscheinlichkeitsurteil ohne Rechtsverstoß getroffen, bleibt die besondere Prozessvoraussetzung für das neue Verfahren daher bestehen (vgl. LR/Stuckenberg aaO, Rn. 25, 29; ferner KK-Schneider aaO; MüKoStPO/Wenske aaO, Rn. 31, 51 f.).
13c) Prüfungsmaßstab für das Revisionsgericht ist die Frage, ob die Tatsachen oder Beweismittel für das eröffnende Gericht im Sinne des § 211 StPO neu und erheblich gewesen sind. Als neu sind sie zu bewerten, wenn sie dem Gericht, das die Eröffnung zuvor abgelehnt hatte, aus den Akten nicht ersichtlich waren (vgl. MüKoStPO/Wenske aaO, Rn. 20; LR/Stuckenberg aaO, Rn. 11; KK-Schneider aaO, Rn. 4). Sie sind dann erheblich, wenn sie vom Standpunkt des eröffnenden Gerichts aus geeignet gewesen sind, allein oder im Zusammenwirken mit den übrigen, dem Erstgericht schon bekannt gewesenen Tatsachen und Beweismitteln die Frage nach dem Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts im Sinne des § 203 StPO nunmehr anders zu beurteilen als bisher (vgl. , NJW 1963, 1019, 1020; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 3 Ws 662/01, NStZ-RR 2002, 78; KK-Schneider aaO, Rn. 5; LR/Stuckenberg aaO, Rn. 12; MüKoStPO/Wenske aaO, Rn. 23).
14aa) Bei dieser Prüfung hat ein mögliches Beweisverwertungsverbot nicht schon deswegen außer Betracht zu bleiben, weil - so Formulierungen in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom - 1 StR 507/86, NStZ 1987, 132, 133; vom - 5 StR 756/94, BGHSt 42, 15, 22; vom - 1 StR 497/95, NJW 1996, 2239, 2241 [insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedruckt]; ähnlich Beschluss vom - 5 StR 202/08, NStZ 2008, 643; s. andererseits - "Rügepräklusion" infolge Nichtausübung eines "prozessualen Gestaltungsrechts" - Beschlüsse vom - 1 StR 447/05, NJW 2006, 707; vom - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 43 f.; vom - 4 StR 263/16, juris) - bereits dessen Entstehung von einem hierauf bezogenen rechtzeitigen Widerspruch des Angeklagten in der Hauptverhandlung abhängig wäre. Strenggenommen bedeutete dies, dass das Verwertungsverbot zum Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung noch gar nicht bestanden haben könnte (zur Unbeachtlichkeit des vor der Hauptverhandlung erklärten Widerspruchs s. , NStZ 1997, 502 f.). Eine solche Schlussfolgerung ist indes ersichtlich noch nicht gezogen worden. Vielmehr wird allgemein davon ausgegangen, dass bei der Prüfung des hinreichenden Tatverdachts im Rahmen der Eröffnungsentscheidung mögliche Beweisverwertungsverbote zu berücksichtigen sind, weil für die Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht nur der materielle Verdachtsgrad, sondern auch die tatsächliche Beweisbarkeitsprognose gegeben sein muss (auf das Problem eingehend - soweit ersichtlich - nur MüKoStPO/Wenske, § 203 Rn. 30 f.; vgl. auch LR/Stuckenberg aaO, § 203 Rn. 15; KK-Schneider aaO, § 203 Rn. 7). Es kann nicht zweifelhaft sein, dass Verwertungsverbote bereits durch den jeweiligen Gesetzesverstoß, nicht erst durch ein Untätigbleiben in der Hauptverhandlung begründet werden und bei der Eröffnungsentscheidung unabhängig von einer Beanstandung durch den Angeschuldigten von Amts wegen zu beachten sind (vgl. , 1 BvR 1084/99, NJW 2004, 999, 1007; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/90, BGHSt 36, 396; vom - StB 4 und 5/08, NStZ 2008, 643; Becker, Referat zum 67. DJT, 2008, S. L 45, 55 f. mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 203 Rn. 2).
15bb) Zum Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung bestanden nach der vom Senat vorgenommenen Auswertung des Inhalts der Sachakten ebenso wie nach den Urteilsfeststellungen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Ermittlungsbehörden das Vorgehen der Zeugen K. und H. zurechnen lassen müssten und damit ein Beweisverwertungsverbot wegen einer möglichen Verletzung der Selbstbelastungsfreiheit des sich auf sein Schweigerecht berufenden Angeklagten in Betracht kommen könnte. Somit kann dahingestellt bleiben, ob das Revisionsgericht bei der Prüfung der besonderen Prozessvoraussetzung auch hinsichtlich nicht doppelrelevanter Tatsachen an die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen gebunden ist (so LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 32; SSW-StPO/Sättele, 2. Aufl., § 244 Rn. 19; die "beachtlichen Argumente" anerkennend MüKoStPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn. 42, Fn. 211) oder - trotz der höheren Richtigkeitsgewähr der Feststellungen des sachnäheren Tatgerichts - eigene Feststellungen im Wege des Freibeweises zu treffen hat (so die hM, vgl. etwa , BGHSt 14, 137, 139; vom - 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318, 319; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 29; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 337 Rn. 6, jew. mwN; explizit für § 211 StPO , NJW 1963, 1019, 1020; inzident auch RG, Urteil vom - II 11/26, RGSt 60, 99 f.).
16Den Akten lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass die Ermittlungsbehörden die genannten Zeugen in irgendeiner Weise zu deren Vorgehen veranlasst, sie dabei gefördert, unterstützt, bestärkt oder sonst beeinflusst hätten (s. zu den rechtlichen Maßstäben im Einzelnen , BGHSt 34, 362; vom - 1 StR 187/88, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 2; vom - 2 StR 400/93, BGHSt 39, 335; vom - 5 StR 302/97, BGHSt 44, 129; vom - 3 StR 104/07, BGHSt 52, 11; Beschlüsse vom - GSSt 1/96, BGHSt 42, 139; vom - 3 StR 400/10, NStZ 2011, 596; EGMR, Urteile vom - 48539/99, JR 2004, 127; vom - 4378/02, NJW 2010, 213). Die Verteidigung hat erstmals mit Schriftsatz vom , mithin einen Tag vor Beginn der Hauptverhandlung behauptet, dass die Angaben der Zeugen K. und H. durch unzulässige Vorfeldermittlungen gewonnen worden und beide durch das In-Aussicht-Stellen von Vergünstigungen zu "Werkzeugen der Ermittlungsbehörden" geworden seien.
17Angesichts des eigeninitiativen Handelns der Zeugen, die für sich eine vorzeitige Haftentlassung oder Hafterleichterungen erhofften und ihr Wissen den Ermittlungsbehörden nur stückweise und nicht in vollem Umfang freiwillig mitteilten, liegt nach Aktenlage keine den Ermittlungsbehörden zurechenbare, den Nemo-tenetur-Grundsatz verletzende Informationsgewinnung vor.
18(1) Der zeitliche Ablauf des Geschehens um die geständigen Angaben des Angeklagten stellt sich wie folgt dar:
19Der Angeklagte wurde am unter dem dringenden Tatverdacht eines weiteren Mordes festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede. Nachdem am ein ehemaliger Zellengenosse gegenüber der Polizei bekundet hatte, ihm gegenüber habe der Angeklagte geständige Andeutungen zur verfahrensgegenständlichen Tat gemacht, erhielt sie am von einem Zeitungsredakteur einen Hinweis darauf, dass der Angeklagte gegenüber einem anderen, mittlerweile entlassenen Mithäftling diese Tat gestanden habe. Am nahm die Polizei, um dem Hinweis nachzugehen, telefonisch Kontakt mit der Justizvollzugsanstalt auf und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass sich der Angeklagte sehr unauffällig und zurückgezogen verhalte, allerdings bei einem Besuch der Sanitätsabteilung mit dem inhaftierten Zeugen K. - dessen Angaben zufolge am - in Kontakt getreten sei. Am wurde der Zeuge erstmals von einem von der zuständigen Polizeibehörde im Wege der Amtshilfe ersuchten Polizeibeamten aufgesucht; diesem berichtete er, er wolle die Tat aufklären und habe den Angeklagten fast "geknackt". Er bat um gemeinsame Zellenumschlüsse mit dem Angeklagten, die es in der Folgezeit allerdings nicht gab. Bei diesem ersten Gespräch offenbarte der Zeuge, dass er eine Haftverkürzung erstrebe und die anderen Gefangenen in sein Vorhaben eingeweiht habe, damit er das Vertrauen des Angeklagten gewinnen könne.
20Am teilte die Justizvollzugsanstalt der Polizei mit, der Angeklagte habe die verfahrensgegenständliche Tat gegenüber dem Zeugen K. gestanden. Daraufhin suchten am zwei Polizeibeamte den Zeugen im Beisein seines Rechtsanwalts auf; der Zeuge bestätigte das Geständnis des Angeklagten, erklärte allerdings, er beabsichtige erst dann umfassend auszusagen, wenn mit der für ihn zuständigen Staatsanwaltschaft geklärt sei, inwieweit sich seine Angaben positiv auf die anstehende Entscheidung über die Aussetzung des restlichen Drittels seiner Haftstrafe zur Bewährung auswirkten. Der für das Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwalt wies am den Rechtsanwalt des Zeugen K. telefonisch darauf hin, dass er mangels Zuständigkeit diesem und auch dem Zeugen H. keine Zusagen erteilen könne.
21Etwa einen Monat später, am , fand die erste polizeiliche Vernehmung der beiden Zeugen statt, wobei der Zeuge K. das - zuvor zurückgehaltene - erste "schriftliche Geständnis" des Angeklagten vom übergab. Dass er zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer handschriftlichen Skizze vom Ablageort der Leiche und eines zweiten "schriftlichen Geständnisses" war, das der Angeklagte in der Zeit vom 16. bis unterzeichnet hatte, offenbarte der Zeuge indes nicht. Die Skizze wurde am von seinem Rechtsanwalt der Polizei übergeben, nachdem am ein Brief der Zeugen K. und H. angehalten worden war, mit dem sie sich bezüglich ihrer Aufklärungsarbeit an die Presse wandten. Ebenfalls über die Presse wurde Anfang September 2014 bekannt, dass noch das zweite "schriftliche Geständnis" des Angeklagten existierte, woraufhin ein Durchsuchungsbeschluss für die Zelle des Zeugen K. erwirkt und vollzogen wurde. Im Rahmen der diesbezüglich geführten weiteren Vernehmung des Zeugen vom händigte er das zweite "schriftliche Geständnis" des Angeklagten aus und räumte ein, dieses zurückbehalten zu haben, um durch eine Weitergabe an die Presse Druck wegen seiner eigenen vorzeitigen Entlassung aus der Haft aufzubauen und etwas Geld zu verdienen.
22(2) Die Zeugen K. und H. sagten ausweislich der Protokolle über die polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen vom 5. Juni, 22. Juli, 30. September und vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses wie folgt aus:
23Beide Zeugen erklärten durchgehend und übereinstimmend, selbst auf die Idee gekommen zu sein, das Vertrauen des Angeklagten zu gewinnen und ihn so zu geständigen Angaben zu veranlassen. Beide Zeugen bekundeten die dem Angeklagten gegenüber verwendete "Legende" als Organhändler und die ihm angebotene Hilfe bei der Leichenbeseitigung. Sie gaben an, dass sie den regulären Umschluss im überwachten Freizeitraum oder die Freistunde mit dem Angeklagten verbracht hätten, hingegen ein gemeinsamer Zellenumschluss oder ein gemeinsames Essen - auch auf entsprechende Bitte - nicht stattgefunden habe. Die Aussagen der Zeugen stimmen auch darin überein, dass sie von niemandem, auch nicht der Polizei, um Mithilfe bei der Aufklärung des Falles gebeten worden seien oder Informationen erhalten hätten. Ihr Wissen hätten sie ausschließlich aus den Medien gewonnen oder von dem Angeklagten erhalten. Auch den Rechtsanwalt hätten sie erst unterrichtet, nachdem der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat eingestanden und das erste schriftliche Geständnis vom unterzeichnet gehabt habe.
24Die Angaben der beiden Zeugen bei ihren polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Einvernahmen entsprechen auch denjenigen, die sie in der Hauptverhandlung gemacht haben, so wie sie in den Urteilsgründen dargestellt und rechtsfehlerfrei gewürdigt sind.
25(3) Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die Ermittlungsbehörden auf das Vorgehen der Zeugen K. und H. zur Erlangung der geständigen Angaben des Angeklagten Einfluss genommen hätten. Dies findet in den Akten keine Stütze, weder im Hinblick auf den Geschehensablauf noch im Hinblick auf die Angaben der Zeugen.
26Insgesamt ergibt sich einerseits eine in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede vorhandene Bereitschaft und Motivation der Inhaftierten, geständige Angaben von Mitinhaftierten zu erlangen, um die Informationen um eigener Vorteile willen der Polizei oder der Presse anzudienen, andererseits eine zurückhaltende bis skeptische Haltung der Ermittlungsbehörden gegenüber derartigen Bemühungen. So hält etwa ein polizeilicher Vermerk vom fest, "einige Inhaftierte" würden sich "wie 'geschwätzige Elstern' gerieren". Auch die kurze Zeitspanne vom in dieser Sache am stattgehabten ersten Kontakt eines Polizeibeamten, der mit den Ermittlungen sonst nicht betraut war, mit dem Zeugen K. und dem vom Angeklagten am unterzeichneten ersten "schriftlichen Geständnis" spricht gegen die Behauptung des Angeklagten, jener und der Zeuge H. seien durch das In-Aussicht-Stellen von Vergünstigungen zu "Werkzeugen der Ermittlungsbehörden" geworden.
27Allein die Entgegennahme von belastenden Informationen durch die Ermittlungsbehörden, die ein Zeuge durch Täuschung des Beschuldigten erlangt hat, führt indes nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine Pflicht, dies zu unterbinden, trifft die Ermittlungsbehörden grundsätzlich nicht. Soweit der , BGHSt 44, 129) davon ausgegangen ist, dass ein Beweisverwertungsverbot auch bei einem behördlichen Nichteinschreiten in Betracht kommt, hat dem der Ausnahmefall zugrunde gelegen, dass eine Mitinhaftierte, die nach eigenem Bekunden schon jahrelang mit der Polizei zusammengearbeitet hatte, die Angeklagte mittels abergläubischer Rachedrohungen, nicht ausschließbar unter Verabreichung von sedierenden Betäubungsmitteln zu Angaben veranlasste (sog. "Wahrsagerinnen-Fall"). Hiermit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.
28II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger im Revisionsverfahren findet wegen deren gleichfalls erfolglosen Revisionen nicht statt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 473 Rn. 10a).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:011216B3STR230.16.0
Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 1828 Nr. 25
NJW 2017 S. 9 Nr. 23
wistra 2017 S. 407 Nr. 10
SAAAG-45360