BGH Urteil v. - X ZR 93/15

Vergabeverfahren: Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Leistung einer Aufwandsentschädigung; der Billigkeit entsprechende Höhe der Entschädigung; Berücksichtigung der eigenen Personalkosten der Bieter - Kreisstraßenbewirtschaftung

Leitsatz

Kreisstraßenbewirtschaftung

1. Verpflichtet sich der öffentliche Auftraggeber in den Vergabeunterlagen eines Vergabeverfahrens betreffend eine außergewöhnlich umfangreiche und komplexe und auf lange Frist ausgerichtete Zusammenarbeit, einen näher eingegrenzten Kreis der Teilnehmer mit einem noch festzulegenden Pauschalbetrag teilweise für ihren Aufwand im Vergabeverfahren zu entschädigen, ist auf diese Art der Leistungsbestimmung § 315 BGB entsprechend anzuwenden.

2. Mangels näherer Bestimmung in den Vergabeunterlagen entspricht regelmäßig eine Entschädigung in Höhe von einem bis zu zwei Dritteln der durchschnittlichen Kosten der Billigkeit.

3. Die eigenen Personalkosten der Bieter können bei der Bemessung der Aufwandsentschädigung berücksichtigt werden (Weiterführung von , VergabeR 2016, 479 - Westtangente Rüsselsheim).

Gesetze: § 20 Nr 2 Abs 1 S 2 VOB A 2006, § 20 Nr 2 Abs 2 VOB A 2006, § 8b Abs 2 Nr 1 S 2 VOB A 2016, § 8b Abs 2 Nr 2 VOB A 2016, § 8b Abs 1 Nr 1 S 2 VOBA2, § 8b Abs 1 Nr 2 VOBA2, § 77 Abs 2 VgV, § 241 BGB, § 315 BGB

Instanzenzug: Az: I-17 U 130/12 Urteilvorgehend LG Detmold Az: 9 O 380/11

Tatbestand

1Der beklagte Landkreis ist Träger der Straßenbaulast für die Kreisstraßen in seinem Gebiet. Er beabsichtigte, künftige Straßenneu-, -aus- und -umbaumaßnahmen sowie Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen an seinem Straßen- und Radwegenetz einschließlich Ingenieurbauwerken im Rahmen einer als Public-Private-Partnership-Modell bezeichneten und auf mindestens 20 bis 25 Jahre angelegten Zusammenarbeit an einen privaten Auftragnehmer zu vergeben. Ein dafür vorgesehenes Vergabeverfahren machte er im Jahre 2007 bekannt. Das Volumen des Ausschreibungsgegenstands war mit 100 bis 125 Mio. € angegeben; nach dem Vorbringen des Beklagten beläuft es sich sogar auf 200 Mio. €. Als Verfahrensart war das Verhandlungsverfahren vorgesehen, für das in einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb drei bis sieben Unternehmen ausgewählt und die zu verhandelnden Angebote im Verlaufe des Verfahrens verringert werden sollten. Die Klägerin wurde als Teilnehmerin zum Vergabeverfahren zugelassen.

2Nach den Vergabeunterlagen sollten die Bieter zunächst erste indikative, d. h. noch nicht verbindliche, Angebote abgeben. Das genaue vertragliche Modell zur Begründung der Partnerschaft und für den langfristigen Leistungsvertrag zwischen dem Beklagten und dem privaten Partner für Planung, Bau und bauliche Unterhaltung der Kreisstraßen sollte im Verlauf des Vergabeverfahrens festgelegt werden. Dafür ging der Beklagte davon aus, dass der private Partner die Straßen, Bauwerke und sonstigen Anlagen in eigener Verantwortung auf der Basis einer wirtschaftlichen Erhaltungsstrategie in einem festgelegten qualitativen Zustandsniveau über 20 bis 25 Jahre bereitstellt.

3Die Angebote hatten bestimmte in den Vergabeunterlagen definierte Rahmenbedingungen zu berücksichtigen; im Übrigen bestanden sie im Wesentlichen aus den Businessplänen "Technik" und "Wirtschaftlicher Teil".

4Der Businessplan "Technik" bestand aus folgenden Kapiteln: Technische Gesamtkonzeption, Projektorganigramm, Rahmenterminplan, Erhaltungskonzept, Konzept für die Einbindung der Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen, Planungs- und Qualitätsmanagementkonzept sowie Umgang mit Leistungsänderungen. Sämtliche Kapitel untergliederten sich dabei in Mindestanforderungen und weitere Anforderungen.

5Der Businessplan "Wirtschaftlicher Teil" bestand aus folgenden Kapiteln: Wirtschaftliche Gesamtkonzeption, Kostendarstellung, Vergütungs-, Risikomanagement- und Finanzierungskonzept sowie Darstellung der Einbindung von Fördermitteln. Auch diese Kapitel waren in Mindestanforderungen und weitere Anforderungen untergliedert.

6Die zu den Vergabeunterlagen gehörenden Bewerbungsbedingungen enthielten unter dem Gliederungspunkt 1.9.2 folgende Regelungen über Kosten und Entschädigung:

"Es ist vorgesehen, dass die Bieter, die nach Abgabe des ersten indikativen Angebotes zu weiteren Verhandlungen aufgefordert werden, mit einem vom Kreis noch festzulegenden Pauschalbetrag teilweise für ihren Aufwand im Vergabeverfahren entschädigt werden. Erhält der Bieter den Zuschlag, erfolgt die Vergütung im Rahmen der abgeschlossenen Verträge auf der Grundlage des letztverbindlichen Angebotes des Bieters.

Es besteht kein Rechtsanspruch auf Entschädigung."

7Im Februar 2008 gab die Klägerin ein erstes indikatives Angebot ab, an welches sich sieben Verhandlungsrunden anschlossen, und im Oktober 2008 ein zweites indikatives Angebot mit einem folgenden Aufklärungsgespräch und zwei weiteren Verhandlungsrunden; im Februar 2009 unterbreitete die Klägerin ihr letztverbindliches Angebot.

8Nachdem der Beklagte die Klägerin darüber informiert hatte, mit einem anderen Teilnehmer kooperieren zu wollen, diese einen zunächst gestellten Vergabenachprüfungsantrag zurückgenommen hatte und der Zuschlag anderweitig erteilt worden war, stellte die Klägerin dem Beklagten 2.130.143,47 € für die ihr im Vergabeverfahren entstandenen Kosten in Rechnung. Der Beklagte setzte eine Entschädigung von 50.000 € fest und zahlte diese aus. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Zahlung weiterer 2.000.000 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit der Entschädigung verurteilt, an die Klägerin weitere 441.917,12 € zu zahlen (OLG Hamm, VergabeR 2015, 812). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Gründe

9I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe die aus § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 2 VOB/A 2006 resultierende Pflicht zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung verletzt und sich damit gegenüber der Klägerin nach § 280 Abs. 1 i. V. mit § 241 Abs. 2 und § 311 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Die Regelung in § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 2 VOB/A 2006 sei zwingendes Recht, auf deren Einhaltung die Bieter nach § 97 Abs. 6 GWB Anspruch hätten, weshalb der Entschädigungsausschluss in den Bewerbungsbedingungen nicht entgegenstehe.

10Der Beklagte habe im Vergabeverfahren von der Klägerin die Ausarbeitung umfangreicher, eigentlich in den Aufgabenbereich des Ausschreibenden fallender Unterlagen im Sinne von § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2006 verlangt. Geeigneter Maßstab für eine angemessene Entschädigung seien die üblicherweise für die Angebotsbearbeitung als Teil der allgemeinen Geschäftskosten kalkulierten Aufwendungen, die für die überobligationsmäßig erbrachten Leistungen unter normalen Umständen anzusetzen seien. Hierzu seien der voraussichtliche durchschnittliche Zeitaufwand für die geforderte Ausarbeitung sowie die üblicherweise kalkulierten Personal- und Materialkosten zu ermitteln.

11Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte den der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegenden Entschädigungsbetrag ermessensfehlerhaft zu niedrig festgesetzt habe.

12Die Angebotsbearbeitungskosten eines fiktiven durchschnittlichen Bieters beliefen sich auf netto 702.738,75 €. Erstattungsfähig seien insoweit auch die Kosten für den Einsatz des eigenen Personals. Unter Berücksichtigung des dem Beklagten bei Bemessung der angemessenen Entschädigung zustehenden Ermessens, das ihn zu einem Abzug von 30 % auf die in dieser Weise ermittelten Angebotsbearbeitungskosten berechtige, und der geleisteten Zahlung von 50.000 € stehe der Klägerin noch der ausgeurteilte Betrag als Entschädigung zu.

13II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

141. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin keinen aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. mit § 241 Abs. 2, § 311 BGB und § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 2 VOB/A 2006 herzuleitenden Ersatzanspruch gegen den Beklagten, weil die Geltung der letzteren Norm in den Vergabeunterlagen wirksam abbedungen worden ist. Der Klägerin steht vielmehr ein Anspruch aus § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Klausel 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen auf teilweise Erstattung ihres Aufwands im Vergabeverfahren zu.

152. Die Regelungen in Klausel 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen Bestandteil von Vergabeunterlagen, die der Beklagte in einem dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterfallenden Vergabeverfahren gestellt hat. Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils zu der § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VOB/A 2006 (jetzt: § 8b EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 VOB/A 2016) entsprechenden Regelung in § 13 Abs. 3 VOF 2009 (jetzt: § 77 Abs. 2 VgV) entschieden hat, erklärt jeder Bieter, wenn die Vergabeunterlagen im Zusammenhang mit der Angebotserstellung eine Regelung über eine Entschädigung für die Ausarbeitung besonderer Unterlagen vorsehen, konkludent als Bestandteil seines Angebots sein Einverständnis mit einer solchen Regelung. Die Bindung daran kann nur durch Änderung der Vergabeunterlagen beseitigt werden, die notfalls vor den Nachprüfungsinstanzen durchgesetzt werden muss (, VergabeR 2016, 479 - Westtangente Rüsselsheim). Das ist im Streitfall nicht geschehen. Der Inhalt der Entschädigungsregelungen ist danach für die Klägerin, aber auch für den Beklagten verbindlich.

163. Das angefochtene Urteil könnte danach im Ergebnis nur Bestand haben, wenn der vom Berufungsgericht wegen Verletzung der Pflicht zur Festsetzung einer angemessenen Entschädigung nach § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2006 als Schadensersatz zugesprochene Betrag der Klägerin auch auf der Grundlage der stattdessen anzuwendenden Klausel 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen zustünde. Das ist jedoch, wie auszuführen sein wird, nicht in voller Höhe der Fall. Das Berufungsurteil ist dementsprechend teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

17III. Der Senat kann selbst abschließend in der Sache entscheiden (§ 563 Abs. 2 ZPO). Er kann die Auslegung der Entschädigungsregelungen in 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen selbst vornehmen; weitere Feststellungen sind insoweit nicht erforderlich und nicht zu erwarten.

181. Die Regelungen in 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen weichen insoweit von § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2006 ab, als nicht vorab und einheitlich für alle Bieter eine angemessene, dementsprechend der Höhe nach bezifferte Aufwandsentschädigung in den Vergabeunterlagen ("in der Ausschreibung") festgesetzt ist, sondern (nur) diejenigen Bieter, mit denen - wie mit der Klägerin - nach Abgabe des ersten indikativen Angebots weiter verhandelt worden ist, teilweise und zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt mit einem einheitlichen Pauschalbetrag für ihren Aufwand im Vergabeverfahren entschädigt werden sollten.

192. Die an den §§ 133 und 157 BGB orientierte Auslegung dieser Regelung ergibt, dass der Beklagte zwar für diesen Teil des Bieterkreises die unbedingte ("…festzusetzenden Pauschalbetrages…") Erstattung eines Teils ihres Aufwands im Vergabeverfahren zugesagt, dass er sich dabei aber die Bestimmung der Höhe dieser Entschädigung noch vorbehalten hat.

20a) Der Sache nach handelt es sich hierbei um eine Gestaltung, bei der eine Seite zur Bestimmung der Leistung berechtigt ist. Auf eine solche Regelung ist § 315 BGB entsprechend anzuwenden. Nach § 315 BGB ist eine Leistung, die durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll, im Zweifel nach billigem Ermessen festzusetzen. Sie ist für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht und wird, wenn sie unbillig ist, durch Urteil getroffen.

21b) Nach Auffassung des Beklagten soll mit dem in Klausel 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen abgesetzt formulierten zweiten Absatz ("Es besteht kein Rechtsanspruch auf Entschädigung") zum Ausdruck kommen, dass eine teilweise Entschädigung gerade nicht verbindlich zugesagt ist, was zur Folge habe, dass die von ihm getroffene Leistungsbestimmung dementsprechend von den Bietern nicht als unbillig beanstandet werden und auch nicht der Bestimmung durch das Gericht unterliegen könne. Dies geht am rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt der Entschädigungsregelung vorbei.

22aa) Welcher rechtsgeschäftliche Erklärungsgehalt einer in Vergabeunterlagen vorformulierten Regelung beizulegen ist, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises (, VergabeR 2012, 724 Rn. 10 - Straßenausbau; Urteil vom - VII ZR 47/93, BGHZ 124, 64).

23bb) Nach dem hiernach maßgeblichen Verständnis der Regelungen ergibt sich aus dem isolierten zweiten Absatz der Klausel 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen nicht, dass die zuvor gemachte Zusage, die Aufwendungen im Vergabeverfahren teilweise zu erstatten, zurückgenommen oder relativiert wird. Denn andernfalls hätten die Teilnehmer keine rechtliche Handhabe, gegen eine vom Auftraggeber nahezu beliebig niedrig festgesetzte oder - in letzter Konsequenz - gänzlich unterbliebene Entschädigung vorzugehen. Nach diesem vom Beklagten befürworteten Verständnis wäre die Regelung der Aufwandentschädigung rechtlich als unvollkommene Verbindlichkeit ausgestaltet und würde die Bieter ähnlich stellen, wie sie bei Spiel und Wette (§ 762 BGB) oder als Heiratsvermittler stünden (§ 656 BGB), wo Verbindlichkeiten nicht begründet werden und nur das Geleistete nicht mit der Begründung zurückverlangt werden kann, es bestehe keine Verbindlichkeit.

24Dies widerspräche dem maßgeblichen Verständnis des Adressatenkreises. Dieser darf den Ausschluss des Rechtsanspruchs auf Entschädigung am Ende der Regelungen in 1.9.2 der Bewerbungsbedingungen vielmehr als bloßen deklaratorischen Hinweis darauf verstehen, dass jegliche anderweitige, für alle Bieter geltende und im Voraus festzulegende Entschädigungsregelung, wie namentlich § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2006 sie vorsieht, abbedungen sein soll.

253. Die vom Beklagten festgesetzte Aufwandsentschädigung entspricht nicht der Billigkeit und ist deshalb durch Urteil zu bestimmen (§ 315 Abs. 3 BGB).

26a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Angebotsausarbeitungskosten eines fiktiven durchschnittlichen Bieters als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Dieser Durchschnittswert ist auch die geeignete Bezugsgröße für die nach den Bewerbungsbedingungen zu bestimmende Aufwandsentschädigung, weil ein einheitlicher Pauschalbetrag festgesetzt werden sollte.

27b) Der festgesetzte Betrag beläuft sich nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf rund 7 Prozent der fiktiven Durchschnittskosten und ist auch auf der vom Beklagten gewählten Bemessungsgrundlage einer nur teilweisen Erstattung des Aufwands unbillig. Denn die Entschädigungsregelungen bieten weder in der einen noch in der anderen Richtung Anhaltspunkte für eine Konkretisierung des Anteils an den Angebotsausarbeitungskosten, den der Beklagte als erstattungsfähig ansehen wollte. Aus der maßgeblichen objektivierten Sicht der potenziellen Bieter (oben III 2 b bb) bewegt sich der festzusetzende Betrag bei Zusage einer teilweisen Erstattung des Aufwands im Vergabeverfahren, wenn, wie hier, für den anderen Teil erkennbare Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen und damit nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für eine niedrigere Bestimmung fehlen, deshalb regelmäßig zwischen einem unteren Wert von einem Drittel und einem oberen Wert von zwei Dritteln der durchschnittlichen Angebotserstellungskosten. Der durch Urteil festzusetzende Betrag hat sich grundsätzlich an demjenigen Betrag zu orientieren, der in der Mitte dieses Spielraums liegt, der billigerweise nach oben und nach unten hätte ausgeschöpft werden können (vgl. IVa ZR 211/82, BGHZ 94, 98, 104) und entspricht daher rund der Hälfte der durchschnittlichen Angebotserstellungskosten.

28c) Bei der Bemessung der Aufwandsentschädigung sind die Kosten des eigenen Personals der Bieter, wie schon das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, zu berücksichtigen.

29Es trifft zwar zu, dass innerbetriebliche Personalkosten für die Angebotserstellung nach allgemeinen Grundsätzen des deutschen Schadensrechts (vgl. etwa , BGHZ 98, 212 ff. = NJW 1987, 50) lediglich in engen Grenzen als Vermögensschaden anerkannt werden, nämlich nur unter der weiteren Voraussetzung, dass der Bieter die mit der Angebotserarbeitung oder Teilnahme am Vergabeverfahren befassten Mitarbeiter alternativ für einen anderen Zweck hätte einsetzen können und er in diesem Fall Gewinne erzielt hätte (vgl. dazu , NJW 1977, 1446; , NZBau 2004, 167, 169; vgl. hierzu auch OLG Naumburg, Urteil vom - 2 U 151/12).

30Diese Grundsätze auf den hier in Streit stehenden Aufwandsentschädigungsanspruch anzuwenden würde jedoch der Ratio der vorgesehenen Erstattungsregelung ebenso widersprechen, wie den ihr entsprechenden Bestimmungen in § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOB/A 2006 (jetzt: § 8b Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 8b EU Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 VOB/A 2016) oder § 77 Abs. 2 VgV. Sie dienen nicht dem Ausgleich eines erlittenen Vermögensverlustes. Diesen Regelungen liegt vielmehr ersichtlich die Billigkeitserwägung zugrunde, dass der Bieter jenseits eines bestimmten zumutbaren Maßes nicht mit außergewöhnlichen, durch besondere Anforderungen des Auftraggebers ausgelösten Kosten der Angebotserarbeitung belastet werden darf. Dafür ist es unerheblich, ob der Aufwand durch Einsatz fremden Personals entstanden ist oder der Bieter seine eigenen Mitarbeiter eingesetzt hat, die er sowieso hätte entlohnen müssen.

31IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:310117UXZR93.15.0

Fundstelle(n):
CAAAG-45267