BGH Beschluss v. - XII ZB 576/16

Verlängerung einer bereits abgelaufenen Rechtsmittelbegründungsfrist

Leitsatz

Die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts ist nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 140/05, FamRZ 2006, 190 und vom , XII ZB 184/95, FamRZ 1996, 543; , BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und , NJW 2009, 1149).

Gesetze: § 117 Abs 1 FamFG, § 520 Abs 2 S 2 ZPO

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 7 UF 136/16vorgehend AG Bad Kissingen Az: 1 F 618/15

Gründe

I.

1Die Ehe der Beteiligten wurde im Dezember 2003 rechtskräftig geschieden. Eine Hausratsteilung fand weder bei Trennung noch bei Scheidung statt. Im Jahre 2013 hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Herausgabe verschiedener Gegenstände des früheren gemeinsamen Hausstands begehrt, deren Gesamtwert er mit 84.265 € beziffert hat. Für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe hat er Auskunft über den Verbleib der Gegenstände und Schadensersatz verlangt.

2Das Amtsgericht hat die Anträge abgewiesen. Gegen diesen ihm am zugestellten Beschluss hat der Antragsteller fristgerecht Beschwerde eingelegt. Mit beim Oberlandesgericht am (einem Mittwoch) eingegangenem Schreiben hat die Rechtsfachwirtin G. für den Antragsteller gebeten, die Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum zu verlängern. Der Senatsvorsitzende des Oberlandesgerichts hat dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unter dem mitgeteilt, das Fristverlängerungsgesuch sei unwirksam, weil es nicht von einem Rechtsanwalt eingereicht worden sei und auch insoweit Anwaltszwang bestehe.

3Am ist beim Oberlandesgericht ein vom Antragstellervertreter unterzeichneter Antrag auf Fristverlängerung eingegangen. Mit Verfügung vom hat der stellvertretende Senatsvorsitzende die "Fristverlängerung antragsgemäß bis genehmigt". Auf einen weiteren Fristverlängerungsantrag des Antragstellervertreters vom , die Begründungsfrist nochmals bis zu verlängern, hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebegründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Mit Beschluss vom hat es die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

4Die gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und der Antragsteller vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

51. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6Die Frist zur Begründung der Beschwerde habe am geendet, weil das an diesem Tag eingegangene Gesuch auf Fristverlängerung nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben gewesen und das von einem Rechtsanwalt unterschriebene Gesuch erst am und damit nach Fristablauf beim Oberlandesgericht eingegangen sei. Dass die Fristverlängerung mit Verfügung vom gleichwohl gewährt worden sei, bleibe rechtlich ohne Bedeutung, weil eine abgelaufene Frist grundsätzlich nicht verlängert werden könne. Die gewährte Fristverlängerung sei deswegen unwirksam. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei trotz der gerichtlichen Hinweise nicht gestellt worden.

72. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frist zur Begründung der Beschwerde am endete und durch die Verfügung vom nicht wirksam verlängert wurde, weil der maßgebliche Verlängerungsantrag erst nach Fristablauf eingegangen ist.

8a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Prüfung, ob eine fehlerhafte Fristverlängerung wirksam ist, in erster Linie auf den allgemeinen Grundsatz der Wirksamkeit verfahrensfehlerhafter gerichtlicher Entscheidungen sowie insbesondere auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abzustellen. Danach darf der Verfahrensbeteiligte, dem eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, grundsätzlich darauf vertrauen, dass die betreffende richterliche Verfügung wirksam ist. Grenzen ergeben sich allerdings aus dem Gebot der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (vgl. - NJW-RR 2016, 1529 Rn. 14 mwN). Verlängert der Vorsitzende die Rechtsmittelbegründungsfrist aufgrund eines vor deren Ablauf gestellten Antrags, ist seine Verfügung auch dann wirksam, wenn der Verlängerungsantrag verfahrensrechtlich nicht wirksam gestellt worden ist (vgl. etwa BGH Beschlüsse vom - VIII ZB 37/03 - NJW 2004, 1460 f. mwN und vom - VII ZB 21/98 - NJW-RR 1999, 286, 287; BFH DB 2015, 2553 Rn. 17 mwN). Demgegenüber ist die Verlängerung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts nicht wirksam, wenn im Zeitpunkt des Eingangs des Verlängerungsantrags die Frist zur Rechtsmittelbegründung bereits abgelaufen war (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 140/05 - FamRZ 2006, 190, 191 und vom - XII ZB 184/95 - FamRZ 1996, 543, 544; BGHZ 116, 377 = NJW 1992, 842 und - NJW 2009, 1149 Rn. 13; Keidel/Weber FamFG 19. Aufl. § 117 Rn. 36).

9b) Nach diesen Grundsätzen war die dem Antragsteller gewährte Fristverlängerung nicht wirksam, weil sie erst auf den nach Fristablauf eingegangenen, entsprechend § 114 Abs. 1 FamFG vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichneten Antrag hin erfolgt ist. Auf den am , dem letzten Tag der Frist, beim Oberlandesgericht eingegangenen, von der nicht postulationsfähigen Rechtsfachwirtin unterschriebenen Verlängerungsantrag ist die Beschwerdebegründungsfrist hingegen nicht verlängert worden. Vielmehr hat das Oberlandesgericht den Antragsteller ausdrücklich auf die Unwirksamkeit dieses Gesuchs hingewiesen und die Fristverlängerung erst auf den - verspäteten - Antrag des Rechtsanwalts gewährt.

10Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, wann der Antragstellervertreter Kenntnis von dem Hinweis erhalten hat. Denn die verstrichene Beschwerdebegründungsfrist war unabhängig von Vertrauensgesichtspunkten keiner Verlängerung zugänglich. Bedeutung könnten solche allenfalls im Rahmen einer Wiedereinsetzung erlangen, die der Antragsteller aber nicht beantragt hat und deren amtswegige Gewährung schon mangels Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung nicht in Betracht kam (§§ 112 Nr. 3, 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO). Aus dem Schriftsatz des Antragstellervertreters vom an das Oberlandesgericht ergibt sich zudem, dass ihm die Verfügung des Gerichts vom bei der eigenhändigen Unterzeichnung des Verlängerungsantrags vom bekannt war.

113. Im Übrigen gibt die erfolgte Beschwerdeverwerfung auch unabhängig davon, ob die hierfür gegebene Begründung des Oberlandesgerichts zutrifft, keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde macht zwar geltend, durch die Verfügung vom sei die Begründungsfrist wirksam verlängert worden und das Oberlandesgericht hätte auch dem weiteren Fristverlängerungsantrag bis zum stattgeben müssen. Selbst wenn dies aber zutreffend wäre, hat der Antragsteller weder binnen dieser erbetenen Frist noch bis zur knapp zwei Wochen später ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts seine Beschwerde begründet, so dass sein Rechtsmittel jedenfalls mangels Beschwerdebegründung gemäß § 117 Abs. 1 FamFG iVm § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen war.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:290317BXIIZB576.16.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2017 S. 577 Nr. 10
IAAAG-43700