Unzulässige Berufung - Berufungsbegründung
Gesetze: § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 64 Abs 6 ArbGG
Instanzenzug: ArbG Gießen Az: 9 Ca 71/14 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 14 Sa 1288/14 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Übergangsgeld für den Zeitraum vom bis zum .
2Der am geborene, als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger war bei der Beklagten seit dem beschäftigt. Am schloss die Beklagte mit dem Hauptpersonalrat vor dem Hintergrund geplanter Strukturreformen eine „Dienstvereinbarung zur sozial-verträglichen Begleitung der Strukturreform der Deutschen Bundesbank“ (DV Strukturreform) ab. Danach wird mit Beginn des vierten Monats nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn der Regelaltersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres), längstens jedoch bis zum Erreichen einer ungekürzten Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen oder für Frauen nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ein „monatliches Übergangsgeld in Höhe von 75 % des Bruttogehalts“ gezahlt.
3Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch Auflösungsvertrag vom 20./ zum beendet. Dieser enthält ua. folgende Vereinbarungen:
4Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, das ihm nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 DV Strukturreform zustehende Übergangsgeld werde letztmalig im Juli 2014 ausgezahlt, da er nach derzeitigem Sozialversicherungsrecht ab dem eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen könne. Seit dem bezieht der Kläger eine ungekürzte Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. monatlich 1.217,63 Euro. Die Beklagte zahlt seit diesem Zeitpunkt kein Übergangsgeld mehr an den Kläger.
5Mit seiner am bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger - soweit für die Revision von Bedeutung - die Weiterzahlung des Übergangsgelds in der Zeit vom bis zum gefordert, hilfsweise unter Anrechnung der monatlichen Altersrentenbezüge.
6Der Kläger hat zuletzt beantragt,
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
8I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts sei zulässig. Es hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen.
91. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Senat von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung ( - Rn. 9; vgl. auch - Rn. 9). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung des Revisionsbeklagten iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO oder ist die Berufung des Revisionsbeklagten aus anderen Gründen unzulässig, ist die Revision schon deshalb begründet und das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (vgl. - Rn. 9; - 9 AZR 813/09 - Rn. 9).
102. Die Berufung des Klägers genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
11a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., zB - Rn. 16; - 4 AZR 552/09 - Rn. 14; vgl. auch - Rn. 11). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB - Rn. 14; vgl. auch - Rn. 11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., zB - Rn. 14; - 9 AZR 813/09 - Rn. 11).
12b) Die Berufungsbegründung setzt sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinander. Entgegen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat sie nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sei.
13aa) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Regelung zum Übergangsgeld führe weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der Behinderung. Es fehle bereits an einer tatbestandlichen Benachteiligung vergleichbarer Personen. Darüber hinaus wäre die vom Kläger angenommene Benachteiligung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.
14bb) Der Kläger hat sich darauf beschränkt, auf mehreren Seiten seiner Berufungsbegründung seine bisherigen Rechtsauffassungen zu wiederholen und zu vertiefen. Er hat weder dargelegt, auf welchen Erwägungen die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht, noch hat er Rechtsfehler des Arbeitsgerichts aufgezeigt. Soweit er ausgeführt hat, die in der Entscheidung des Arbeitsgerichts herangezogene Entscheidung des setze sich mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinander, wird nicht deutlich, worauf das Arbeitsgericht seine Entscheidung gestützt haben soll. Zudem zeigt die Berufungsbegründung auch insoweit keinen Rechtsfehler des Arbeitsgerichts auf.
15II. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:140317.U.9AZR633.15.0
Fundstelle(n):
DAAAG-41013