BGH Beschluss v. - 3 StR 385/16

(Verfall von Wertersatz bei geheimdienstlicher Agententätigkeit: Unbillige Härte; Bruttoprinzip; Aufwendungen für die Tat; Erforderlichkeit hinreichender Feststellungen zum Vermögen)

Gesetze: § 73a S 1 StGB, § 73c Abs 1 S 1 StGB

Instanzenzug: Az: (2) 3 StE 3/16 - 1 (1/16)

Gründe

1Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt, einen Geldbetrag von 18.500 € als Wertersatz für verfallen erklärt sowie die Einziehung von vier Mobiltelefonen und einem Notebook angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

2Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch sowie gegen die Anordnung der Einziehung richtet. Hinsichtlich des Ausspruchs über den Wertersatzverfall hat die Revision hingegen Erfolg. Diese Entscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Kammergericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB nicht hinreichend beachtet hat.

3I. Das Kammergericht hat - soweit für den Ausspruch über den Wertersatzverfall von Bedeutung - im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

41. Jedenfalls von Anfang März 2015 bis zum versorgte der Angeklagte den iranischen Nachrichtendienst "MOIS" gezielt und regel-mäßig über Kommunikationsdienste im Internet mit Informationen über die beiden iranischen Oppositionsgruppen "MEK" und "NWRI" sowie deren Mitglieder in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien und den USA. Hierfür erhielt er im Tatzeitraum vom iranischen Geheimdienst 21.962,93 €; dieser hatte ihm bereits zuvor vom an 6.653,31 € zum Zweck des "Anfütterns" gezahlt. Von den insgesamt 28.616,24 € gab der Angeklagte 10.000 € an eine seiner beiden Informationsquellen weiter. Bei seiner Festnahme am verfügte er über mindestens 3.200 € Bargeld. Im Tatzeitraum bezog er zu Unrecht Sozialleistungen von insgesamt 6.720 €.

52. Das Kammergericht hat den vom Angeklagten erhaltenen "Agentenlohn" in Höhe von 21.962,93 € als Verfallsobjekt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB angesehen; der entsprechende Geldbetrag unterliege gemäß § 73a Satz 1 StGB dem Wertersatzverfall. Soweit allerdings der Angeklagte insgesamt 10.000 € weitergab, hat das Kammergericht eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB im Fall ungeschmälerten Wertersatzverfalls angenommen, wobei es wiederum die zu Unrecht erhaltenen Sozialleistungen von insgesamt 6.720 € gegengerechnet hat. Hiernach hat es einen Verfallsbetrag von 18.682,93 €, abgerundet 18.500 €, ermittelt.

6II. Das Kammergericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB für die Anordnung des Wertersatzverfalls über einen Geldbetrag von 21.962,93 € erfüllt sind. Der Angeklagte erlangte - als Tatentgelt - Zahlungen in dieser Höhe für die Tat im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, auch wenn er später insgesamt 10.000 € weitergab. Das gilt nach dem Bruttoprinzip (vgl. S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 17; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 73 Rn. 8 f.) unabhängig davon, ob es sich bei den weitergegebenen Beträgen um vom Angeklagten getätigte Aufwendungen für die Informationsbeschaffung handelte.

7Doch erweist sich die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB in mehrfacher Hinsicht als zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft.

81. Das Kammergericht hat die gebotene - zumal vorrangige - Prüfung des § 73 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB unterlassen und dementsprechend die hierfür notwendigen Feststellungen nicht getroffen.

9Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei "unbilliger Härte" zwingend zum Ausschluss der Verfallserklärung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann (, NStZ-RR 2015, 176, 177; Beschlüsse vom - 3 StR 52/13, juris Rn. 2; vom - 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16). Eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB scheidet nur aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallsbetrag zurückbleibt (vgl. , BGHR StGB § 73c Wert 3; vom - 3 StR 246/04, NStZ-RR 2005, 104, 105; vom - 5 StR 14/11, NStZ 2012, 267; Beschluss vom - 4 StR 265/15, NStZ-RR 2015, 307).

10Zum Vermögen des Angeklagten hat das Kammergericht keine genügenden Feststellungen getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass beim Angeklagten anlässlich seiner Festnahme Bargeld in Höhe von 3.200 € sichergestellt wurde, über das er "mindestens" verfügte. Weil somit nicht nachvollzogen werden kann, in welchem Umfang für die Tat Erlangtes im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden war, kann nicht entschieden werden, ob überhaupt die Ausübung tatrichterlichen Ermessens eröffnet war.

11Eine Ermessensausübung anhand der bei der Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB anzulegenden Maßstäbe (hierzu , aaO, S. 177 f. mwN) ist zwangsläufig unterblieben.

122. Die Ausführungen im Urteil zur Regelung des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ermöglichen nicht die revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte richtig angewandt wurde.

13Eine unbillige Härte ist erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin "ungerecht" wäre. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwerts im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen kann indes nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (, aaO, S. 178). Maßgeblich für deren Vorliegen ist, wie sich die Verfallsanordnung konkret auf das betroffene Vermögen auswirken würde (vgl. , NStZ-RR 2000, 365; Beschluss vom - 1 StR 336/13, juris Rn. 20 [in BGHR StGB § 73c Härte 16 nicht abgedruckt]; MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 73c Rn. 11).

14Hiernach kann auch das Vorliegen einer unbilligen Härte regelmäßig nicht beurteilt werden, ohne dass Feststellungen zum Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen getroffen werden, weil sich anderenfalls kaum je beurteilen lassen wird, inwieweit er übermäßig belastet würde. Die Feststellungen im angefochtenen Urteil genügen auch insoweit nicht.

153. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall kann nach alledem keinen Bestand haben; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund zureichender Beurteilungsgrundlage auf einen geringeren Verfallsbetrag erkannt worden wäre.

16III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass eine unbillige Härte nicht ohne weiteres auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden kann, dass Aufwendungen für die rechtswidrige Tat nicht den Verfallsbetrag schmälern, obwohl sie den Gewinn mindern (vgl. , JR 2004, 245, 247; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73c Rn. 7). Gleiches gilt nach dem unter II. 2. Ausgeführten für den schlichten nachträglichen (Teil-)Abfluss von Tatfrüchten. Dass der Angeklagte von dem erhaltenen Agentenlohn 10.000 € weitergab, führt daher - entgegen der den Angeklagten insoweit begünstigenden Auffassung des Kammergerichts - nicht per se zu einer unbilligen Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB. Freilich ist der Verfallsbetrag nunmehr der Höhe nach durch den Ausspruch über den Wertersatzverfall im diesbezüglich aufgehobenen Urteil begrenzt (s. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Becker                      Schäfer                     Spaniol

                 Berg                        Hoch

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:151116B3STR385.16.0

Fundstelle(n):
CAAAG-40037