Personalplanung - Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats - Verfahrensrüge
Gesetze: § 320 Abs 1 ZPO, § 92 Abs 2 BetrVG, § 80 Abs 2 S 1 BetrVG
Instanzenzug: Az: 1 BV 3/13 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 8 TaBV 120/13 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Vorlage von Stichtagserhebungen.
2Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Gesundheitswesens. Sie betreibt in G und T psychiatrische Fachkliniken mit ca. 1.100 Arbeitnehmern. Antragsteller ist der für beide Kliniken gewählte Betriebsrat. Es besteht ein Wirtschaftsausschuss.
3Die Arbeitgeberin erstellt nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie (Psychiatrie-Personalverordnung - Psych-PV) Stichtagserhebungen. § 4 Psych-PV lautet wie folgt:
4Bis Mitte des Jahres 2012 stellte die Arbeitgeberin dem Wirtschaftsausschuss diese Erhebungen zur Verfügung. Über nachfolgende Stichtagserhebungen wurden weder der Wirtschaftsausschuss noch der Betriebsrat unterrichtet.
5Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihm die jeweiligen Stichtagserhebungen vorzulegen. Diese bildeten die notwendige Grundlage einer Personalplanung. Aus den Stichtagserhebungen lasse sich der tatsächliche Personalbedarf ermitteln. Die Vorlagepflicht folge weiterhin aus dem Recht des Betriebsrats, Vorschläge zur Durchführung der Personalplanung zu machen.
6Der Betriebsrat hat beantragt,
7Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Die Stichtagserhebungen dienten lediglich den Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern. Sie verwende sie nicht für ihre eigenen Personalplanungen. Hierzu erstelle sie am Jahresende Stellenpläne für das Folgejahr. Ferner fände monatlich ein Abgleich der sog. Vollzeitkräfte-Statistik mit den Statistiken der Stationsbelegungen statt, die Über- oder Unterbesetzungen ersichtlich mache. Besondere Pflege- oder Behandlungsintensitäten würden über eine tägliche Leistungserfassung ermittelt. Erkenntnisse über die Belastung einzelner Arbeitnehmer würden durch Personalkennzahlen wie Fluktuation, Arbeitsunfähigkeits- und sonstige Ausfallquoten sowie die Entwicklung der Überlastungsanzeigen im Krankenhausbereich gewonnen. Diese Daten lege sie der Personalplanung zugrunde und stelle sie dem Betriebsrat zur Verfügung.
8Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
9B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Beschwerde der Arbeitgeberin stattgegeben.
10I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig. Der Betriebsrat verlangt keine dauerhafte Überlassung der Unterlagen über die Stichtagserhebungen, sondern lediglich, ihm die Ergebnisse der Stichtagserhebungen zeitweise zur Verfügung zu stellen. Dies hat er in der Anhörung vor dem Arbeitsgericht klargestellt. Eine nähere zeitliche Präzisierung der Überlassungsdauer ist für die ausreichende Bestimmtheit des Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht geboten.
11II. Der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet. Ein Unterrichtungsanspruch anhand der geforderten Unterlagen ergibt sich nicht aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat kann die beantragte Vorlage auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 iVm. § 92 Abs. 2 BetrVG beanspruchen.
121. Ein Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats folgt nicht aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
13a) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Zur Personalplanung gehören die Personalbedarfsplanung, die Personaldeckungsplanung, die Personalentwicklungsplanung und die Personaleinsatzplanung ( - Rn. 23). Der Betriebsrat soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt über die personelle Situation des Betriebs und deren Entwicklung umfassend anhand von Unterlagen unterrichtet werden ( - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 66, 186). Die Unterrichtung hat aber anhand derjenigen Unterlagen zu erfolgen, die der Arbeitgeber selbst seiner Personalplanung zugrunde legt, unabhängig davon, in welchem Zusammenhang sie erhoben oder festgestellt wurden ( - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 46, 142). Soweit ein Arbeitgeber mit den geforderten und von ihm erstellten Daten neben einer Personalplanung noch andere Zwecke verfolgt, steht dies einem Auskunftsbegehren des Betriebsrats nicht entgegen ( - zu B II 2 b aa der Gründe, aaO).
14b) Danach kann der Betriebsrat nicht verlangen, anhand der geforderten Stichtagserhebungen unterrichtet zu werden.
15aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verwendet die Arbeitgeberin die Stichtagserhebungen nicht für ihre Personalplanung, sondern „ausschließlich als Finanzierungsinstrument“ zur Erlangung möglichst hoher Zuwendungen der Kostenträger.
16bb) Die von der Rechtsbeschwerde gegen diese Feststellungen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Sie richten sich gegen tatbestandliche Feststellungen, die nicht mit einer Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde angegriffen werden können. Gegen sie hätte der Betriebsrat mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 Abs. 1 ZPO vorgehen müssen. Einen solchen hat er nicht gestellt. Der Senat ist daher gem. § 559 Abs. 2 ZPO an die Feststellungen in der Beschwerdeentscheidung gebunden (st. Rspr., vgl. - Rn. 16 mwN).
17cc) Soweit sich der Betriebsrat in der Rechtsbeschwerde erstmals darauf beruft, es bestünden zusätzliche Anhaltspunkte, nach denen die Personalplanung der Arbeitgeberin unter Beachtung der Stichtagserhebungen erfolge, handelt es sich um einen neuen Sachvortrag. Dieser ist in der Rechtsbeschwerde nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.
182. Der Betriebsrat kann die Vorlage der Stichtagserhebungen auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 92 Abs. 2 BetrVG verlangen.
19a) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und ihm nach Satz 2 Halbs. 1 der Bestimmung auf Verlangen die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Anspruchsvoraussetzung ist damit zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist ( - Rn. 7, BAGE 140, 350). Dies hat der Betriebsrat darzulegen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen ( - Rn. 34, BAGE 139, 25).
20b) Nach diesen Grundsätzen besteht der vom Betriebsrat geltend gemachte Vorlageanspruch nicht. Er kann sich für sein Begehren zwar auf ein Vorschlagsrecht nach § 92 Abs. 2 BetrVG stützen. Der Betriebsrat hat aber nicht dargetan, dass die fünf Stichtagserhebungen in den Monaten Juli 2012, Oktober 2012, Januar 2013, April 2013 sowie Juli 2013 für die Erledigung dieser Aufgabe erforderlich sind.
21aa) Nach § 92 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und deren Durchführung machen. Hierzu gehören auch solche zur Änderung einer bestehenden und vom Arbeitgeber praktizierten Personalplanung (vgl. - zu B II 2 der Gründe). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zählt es aber nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, „gleichberechtigt“ neben dem Arbeitgeber „eine originäre“ Personalplanung durchzuführen. Für die Ausübung des gesetzlichen Vorschlagsrechts sind dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen ( - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 90, 288).
22bb) Der Betriebsrat hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Vorlage der fünf streitgegenständlichen Stichtagserhebungen erforderlich ist, um eigene Vorschläge zur Änderung der bisherigen Personalplanung der Arbeitgeberin machen zu können. Da die Arbeitgeberin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits eine Personalplanung praktiziert, besteht für das Vorschlagsrecht zur Einführung einer Personalplanung schon kein Raum mehr. Vielmehr beschränkt sich die gesetzliche Aufgabe des Betriebsrats nach § 92 Abs. 2 BetrVG in einem solchen Fall darauf, Vorschläge zur Änderung der Personalplanung zu unterbreiten. Dazu hat der Betriebsrat lediglich vorgetragen, zur qualifizierten Ausübung seines Vorschlagsrechts seien ihm „die Eckdaten, die im Betrieb bekannt sind, … zugänglich zu machen“. Inwieweit die an fünf Tagen nach § 4 Abs. 2 und Abs. 3 Psych-PV erfolgten Erhebungen der Jahre 2012 und 2013 für die Erarbeitung eigener Vorschläge zur Personalplanung zur Änderung einer tatsächlich im Betrieb bestehenden und nach anderen Kriterien durchgeführten Personalplanung gebraucht werden, wird aus diesem Vorbringen nicht ersichtlich. Eine solche Darlegung wäre dem Betriebsrat anhand der bis zur Mitte des Jahres 2012 zur Verfügung gestellten Stichtagserhebungen - soweit diese für sein Vorschlagsrecht überhaupt von Relevanz sein könnten - aber ohne Weiteres möglich gewesen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:081116.B.1ABR64.14.0
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 627 Nr. 11
NJW 2017 S. 10 Nr. 16
SAAAG-39149