BAG Urteil v. - 4 AZR 379/15

Eingruppierung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit - Entgeltordnung TV-L

Gesetze: § 12 Abs 1 TV-L, Anl A Vorbem 1 Abs 2 TV-L, Anl A Teil 2 Abschn 22.1 Entgeltgr 12 TV-L, § 7 Abs 1 ASiG, § 7 Abs 2 ASiG, § 6 ASiG

Instanzenzug: ArbG Frankfurt (Oder) Az: 3 Ca 1967/13 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 18 Sa 1102/14 Urteilnachgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 18 Sa 290/17 Urteilnachgehend Az: 4 AZN 331/18 sonstige Erledigung: Rücknahme

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.

2Der Kläger ist Hochschulökonom und bei dem beklagten Land als Angestellter im Landesbetrieb Straßenwesen beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

3Der Kläger war zunächst als Sachbearbeiter Betrieb und Technik tätig. Nach erfolgreicher Teilnahme an einer Ausbildung für Fachkräfte für Arbeitssicherheit bei dem Bundesverband der Unfallkassen und der Unfallkasse Brandenburg wurde er mit Wirkung vom zur Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt und als Sachbearbeiter und Fachkraft für Arbeitssicherheit eingesetzt. Er erhielt eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TV-L. Nach dem Ausscheiden von Frau W, die Ingenieurin und in die Entgeltgruppe 12 TV-L eingruppiert war, wurde der Kläger gemäß Schreiben vom zunächst vorübergehend und ab dem vorbehaltslos auf der dem Vorstandsvorsitzenden des Landesbetriebs zugeordneten Stabsstelle einer Fachkraft für Arbeitssicherheit eingesetzt. Für diese Stelle war im Juli 2007 eine Tätigkeitsdarstellung und -bewertung erstellt worden. Dem Kläger wurden - mit Ausnahme der Koordinierung des arbeitsmedizinischen Dienstes - sämtliche darin dargestellten Aufgaben und Tätigkeiten zugewiesen. Er ist zuständig für zwölf Autobahnmeistereien, eine Fernmeldemeisterei und einen Gerätehof sowie drei Verwaltungsstandorte. Die weiteren 32 Straßenmeistereien und Verwaltungsstandorte werden arbeitssicherheitstechnisch von einem externen Unternehmen betreut, dessen Arbeit der Kläger zu koordinieren und dessen Rechnungen er zu prüfen hat. Er erhielt weiterhin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 Stufe 5 TV-L.

4Mit Schreiben vom forderte der Kläger erfolglos seine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 12 Stufe 5 TV-L bzw. die Zahlung einer Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Stabsstelle als Fachkraft für Arbeitssicherheit. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom mahnte er die rückständige Vergütung in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Entgeltgruppen 11 und 12 TV-L an und verlangte auch für die Zukunft Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 Stufe 5 TV-L. Der monatliche Differenzbetrag betrug bis Dezember 2012 404,28 Euro brutto und ab dem 414,99 Euro brutto.

5Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom bis zum verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe Entgelt nach der Entgeltgruppe 12 Stufe 5 TV-L auch ohne ein einschlägiges Fachhochschulstudium zu. Für ihn gelte Teil I der Anlage A Entgeltordnung zum TV-L (im Folgenden EntgeltO). Im Übrigen verfüge er, selbst wenn er nach Teil II Abschnitt 22.1 der EntgeltO einzugruppieren wäre, als sonstiger Beschäftigter jedenfalls über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen.

6Der Kläger hat beantragt,

7Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Tätigkeit des Klägers sei nach Teil II der EntgeltO zu bewerten. Seine Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit sei dem Grunde nach eine Ingenieurstätigkeit und damit eine solche eines technischen Beschäftigten. Dies ergebe sich bereits aus den Anforderungen des ASiG. Nach Teil II Abschnitt 22.1 EntgeltO habe er keinen Anspruch auf ein Entgelt nach Entgeltgruppe 12 TV-L, da er weder über eine technische Ausbildung noch über die notwendige Erfahrung als sonstiger Beschäftigter verfüge. Unter Anwendung der Vorbemerkung Nr. 1 Abs. 4 zu allen Entgeltgruppen sei er deshalb in die nächst niedrigere Entgeltgruppe, die Entgeltgruppe 11 TV-L, einzugruppieren gewesen.

8Das Arbeitsgericht hat der Klage bezüglich der Hauptanträge stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land sein Ziel der Klageabweisung weiter.

Gründe

9Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des beklagten Landes nicht zurückgewiesen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Tätigkeit des Klägers nicht nach Teil I - Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst -, sondern nach Abschnitt 22 (Ingenieure, Beschäftigte in technischen Berufen) des Teils II - Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Beschäftigtengruppen - der EntgeltO zu bewerten. Ob die zulässigen Hauptanträge begründet sind, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen, da ausreichende tatsächliche Feststellungen zur Prüfung fehlen, ob die auszuübende Tätigkeit des Klägers als Fachkraft für Arbeitssicherheit in einer Stabsstelle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 12 TV-L erfüllt. Die Sache war daher nach § 563 Abs. 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Klageanträge an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

10I. Die zulässige Revision ist begründet.

111. Aufgrund vertraglicher Bezugnahme finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ua. die folgenden Regelungen des TV-L Anwendung:

122. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger sei in die Entgeltgruppe (EG) 12 Stufe 5 TV-L einzugruppieren, seine Tätigkeit sei nach Teil I der EntgeltO tariflich zu bewerten. Seine auszuübende Tätigkeit ist vielmehr die eines „technischen Beschäftigten“.

13a) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung, bei der vom Kläger gesamten, auszuübenden Tätigkeit handele es sich um einen (einheitlichen) Arbeitsvorgang iSd. § 12 Abs. 1 TV-L, der nur zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Ergebnis wird auch von den Parteien in der Revisionsinstanz nicht in Zweifel gezogen.

14b) Das Landesarbeitsgericht hat jedoch mit unzutreffender Begründung angenommen, die Tätigkeit des Klägers sei in den besonderen Tätigkeitsmerkmalen des Teils II der EntgeltO nicht aufgeführt, der Kläger sei deshalb nach Teil I der EntgeltO einzugruppieren. Entgegen dieser Ansicht ist der Kläger „technischer Beschäftigter“ iSd. Abschnitts 22 des Teils II der EntgeltO.

15aa) Nach Nr. 1 Abs. 2 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der EntgeltO (im Folgenden Vorbem) gelten für Beschäftigte, deren Tätigkeit in besonderen Tätigkeitsmerkmalen des Teils II aufgeführt ist, nur die Tätigkeitsmerkmale dieses Teils (vgl. zum Grundsatz der Spezialität auch  - Rn. 27 ff., BAGE 129, 208). Ein Rückgriff auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der EntgeltO ist jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn und soweit das Tätigkeitsmerkmal einer speziellen Fallgruppe auch tatsächlich erfüllt ist (vgl.  - zu 5 a der Gründe; - 4 AZR 13/08 - Rn. 37, aaO). Ein Arbeitsvorgang ist dabei nur dann einheitlich nach den spezielleren Tätigkeitsmerkmalen zu bewerten, wenn die von den speziellen Tätigkeitsmerkmalen erfassten Teiltätigkeiten für den Arbeitsvorgang prägend sind und den Schwerpunkt der Tätigkeiten des gesamten Arbeitsvorgangs bilden ( - Rn. 26, BAGE 142, 271).

16bb) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, der Kläger sei nach Teil I der EntgeltO einzugruppieren, wird dies durch die Feststellungen zur Tätigkeit des Klägers nicht getragen. Danach ist der Kläger vielmehr „technischer Beschäftigter“ iSd. Abschnitts 22 des Teils II der EntgeltO.

17(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum BAT waren als „technische Angestellte“ solche Angestellten anzusehen, deren rechtlich maßgebliche Tätigkeit eine technische Ausbildung bzw. technische Fachkenntnisse fordert und nach Art, Zweckbestimmung und behördlicher Übung technischen Charakter hat (vgl.  - zu I 3 a der Gründe mwN; - 4 AZR 465/84 - zu 2 der Gründe mwN, BAGE 51, 59). Diese Rechtsprechung ist auf die Regelung des Abschnitts 22 des Teils II der EntgeltO zu übertragen (vgl. Geyer in Sponer/Steinherr TV-L Stand Oktober 2016 EntgeltO Länder 2322.1-L Rn. 265; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2016 Teil III II/22 Rn. 8). Zur Technik gehören alle Maßnahmen, Einrichtungen und Verfahren, die dazu dienen, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften für den Menschen praktisch irgendwie nutzbar zu machen ( - aaO unter Hinweis auf Meyers Enzyklopädisches Lexikon 9. Aufl. Band 32 Deutsches Wörterbuch S. 2572).

18(2) Die unstreitig vom Kläger auszuübende Tätigkeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit (Stabsstelle) fordert eine technische Ausbildung bzw. technische Fachkenntnisse. Das beklagte Land hat zur Begründung seiner Auffassung zu Recht auf die Vorschriften des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) verwiesen.

19Unstreitig hat der Kläger die Aufgaben seiner Vorgängerin, einer Ingenieurin, übernommen. Nach § 7 Abs. 1 ASiG muss der Sicherheitsingenieur berechtigt sein, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen und über die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderliche sicherheitstechnische Fachkunde verfügen. Gemäß § 7 Abs. 2 ASiG kann es die zuständige Behörde im Einzelfall zulassen, dass an Stelle eines Sicherheitsingenieurs, der berechtigt ist, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen, jemand bestellt werden darf, der zur Erfüllung der sich aus § 6 ASiG ergebenden Aufgaben über entsprechende - dh. sicherheitstechnische - Fachkenntnisse verfügt. Der Gesetzgeber geht mithin für eine Tätigkeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit von einer zugrundeliegenden technischen Ausbildung bzw. erforderlichen technischen Fachkenntnissen aus.

20(3) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat früher angenommen hat, das ASiG habe für die tarifliche Mindestvergütung keine rechtliche Bedeutung ( - BAGE 50, 9, 13). Diese Ausführungen bezogen sich nur darauf, dass aus der Bestellung zum Sicherheitsmeister nicht automatisch eine bestimmte Eingruppierung folge, solange die Tarifvertragsparteien für Sicherheitsmeister nicht spezielle tarifliche Tätigkeitsmerkmale eingeführt haben. Dies schließt es nicht aus, bei der Frage, ob die Tätigkeiten eines Beschäftigten ein bestehendes tarifliches Tätigkeitsmerkmal erfüllen, auf die Bestimmungen des ASiG zurückzugreifen. Dies gilt auch für § 7 ASiG. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass für die Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit typischerweise eine technische Ausbildung bzw. technische Fachkenntnisse erforderlich sind. Das Landesarbeitsgericht hat keine besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt, aus denen sich ergibt, dass dies bei der Tätigkeit des Klägers nicht der Fall ist. Auch aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Vortrag des Klägers ergeben sich keine solchen Umstände.

21(4) Die auszuübende Tätigkeit des Klägers hat auch nach Art, Zweckbestimmung und behördlicher Übung einen technischen Charakter. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt die Tätigkeitsdarstellung und -bewertung vom die Aufgaben und Tätigkeiten des Klägers zutreffend wieder. Danach obliegt dem Kläger die Wahrnehmung der Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit. Die weitere ausführliche Beschreibung der anfallenden Arbeitsleistungen entspricht im Wesentlichen den in § 6 ASiG aufgezählten Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 ASiG haben die Fachkräfte für Arbeitssicherheit die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Nach Satz 2 haben sie insbesondere den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen zu beraten, die Betriebsanlagen und die technischen Arbeitsmittel insbesondere vor der Inbetriebnahme und Arbeitsverfahren insbesondere vor ihrer Einführung sicherheitstechnisch zu überprüfen, die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und darauf hinzuwirken, dass sich alle im Betrieb Beschäftigten den Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung entsprechend verhalten, insbesondere sie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind, sowie über die Einrichtungen und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren zu belehren und bei der Schulung der Sicherheitsbeauftragten mitzuwirken. Dem entsprechend obliegt dem Kläger nach dem ersten Spiegelstrich der Tätigkeitsdarstellung die Unterstützung des Vorstandsvorsitzenden, der Vorstände, der Niederlassungsleiter, der Leiter der Meistereien sowie sonstiger Leiter in allen Fragen der Arbeitssicherheit und der Unfallverhütung einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Dazu zählt insbesondere die sicherheitstechnische Beratung. Nach dem nächsten Spiegelstrich gehört zu den Aufgaben des Klägers das „Überprüfen der Einhaltung sicherheitstechnischer Belange“ von Gebäuden und technischen Betriebsanlagen vor der Inbetriebnahme und nach Änderungen, von persönlichen Schutzausrüstungen und von Arbeitsverfahren vor deren Einführung und Änderung. Bereits daraus ergibt sich, dass die Aufgaben einen (sicherheits-)technischen Charakter aufweisen. Dem entspricht es, dass das beklagte Land die Stelle in der Vergangenheit mit einer Ingenieurin besetzt hat.

22Mit der vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 ASiG unter der Überschrift „Anforderungen an Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ für die Bestellung der Fachkraft für Arbeitssicherheit geforderten Voraussetzung, dass sie über die „zur Erfüllung der ihm übertragenden Aufgaben erforderliche sicherheitstechnische Fachkunde“ verfügen muss, kommt deutlich zum Ausdruck, dass die nach § 6 ASiG zu erfüllenden Aufgaben (zumindest auch) technischen Charakter haben. Das gilt auch in öffentlichen Verwaltungen. Das Landesarbeitsgericht, das aus § 16 ASiG geschlossen hat, es handele sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine echte Verwaltungsaufgabe, hat den Regelungsgehalt dieser Norm insofern verkannt. Nach § 16 ASiG ist in Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ein den Grundsätzen dieses Gesetzes gleichwertiger arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Arbeitsschutz zu gewährleisten. Hintergrund dieser Regelung ist, dass das ASiG nicht unmittelbar für die öffentliche Verwaltung gilt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens war erwogen worden, die öffentlichen Verwaltungen und Betriebe unmittelbar den für private Arbeitgeber geltenden Vorschriften des Gesetzes zu unterstellen. Im Hinblick auf die eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes hinsichtlich der Landesbeamten wurde dies jedoch verworfen ( - Rn. 39, BAGE 133, 1). Stattdessen sollten die öffentlichen Arbeitgeber durch die Gleichwertigkeitsklausel des § 16 ASiG verpflichtet werden, innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs jeweils einheitliche Regelungen unter Einbeziehung der Beamten zu schaffen. Dabei sollten den öffentlichen Arbeitgebern ausdrücklich „die gleichen Verpflichtungen wie den privaten Arbeitgebern auferlegt werden“ (BT-Drs. 7/260 S. 16 Begr. zu § 16).

23(5) Weder nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Vortrag des Klägers ist demgegenüber ersichtlich, dass die vom Kläger auszuübende Tätigkeit keinen technischen Charakter hat. Soweit er ausführt, ihm oblägen ausschließlich Kontroll- und Beratungstätigkeiten und damit echte Verwaltungsaufgaben, verkennt er, dass damit eine technisch geprägte Tätigkeit noch nicht ausgeschlossen ist. Eine solche ist auch dann (noch) gegeben, wenn der Beschäftigte zwar nicht selbst technisch-handwerklich tätig ist, indem er Geräte oder Bauwerke erstellt oder repariert, sondern auch dann, wenn für seine Tätigkeit technische Kenntnisse erforderlich sind (vgl.  - zu einem Gewerbeaufsichtsbeamten). Nach den Wertungen des ASiG ist dies für die Kontroll- und Beratungstätigkeiten des Sicherheitsingenieurs der Fall. Abweichende Besonderheiten sind nicht ersichtlich.

24c) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht im Weiteren ohne nähere Begründung dem Eingruppierungsfeststellungsantrag zu 2. stattgegeben. Dabei hat es schon nicht näher geprüft, auf welchen Zeitraum sich diese Feststellung beziehen soll. Soweit es sich um einen rein gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz handelt, dürfte ein Feststellungsinteresse grundsätzlich zu bejahen sein, sofern der Kläger die Tätigkeit tatsächlich noch ausführt. Soweit der Feststellungsantrag sich (auch) auf zurückliegende Zeiträume beziehen soll, die auch Gegenstand des Leistungsantrags zu 1. sind, ist ein Feststellungsinteresse nicht erkennbar.

25II. Ob der Kläger die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der EG 12 TV-L nach Teil II Abschnitt 22.1 EntgeltO erfüllt, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - zu den weiteren Voraussetzungen und Anforderungen der EG 12 TV-L keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), denn die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

261. Eine Eingruppierung nach EG 12 TV-L des Abschnitts 22.1 des Teils II der EntgeltO ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger über keine „technische Ausbildung“ iSd. Vorbemerkung zu Abschnitt 22.1 des Teils II der EntgeltO verfügt. Auch Beschäftigte, die über eine solche Ausbildung nicht verfügen, können nach den Tätigkeitsmerkmalen für Ingenieure und anderen Beschäftigten in technischen Berufen eingruppiert werden, sofern sie die Voraussetzungen der zweiten Alternative der Ziff. 1 EG 12 TV-L erfüllen, also „sonstige Beschäftigte (sind), die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben“ (sh. BeckOK TV-L EntgO/Müller Stand TV-L EntgO 22.1 Ingenieure Rn. 5).

27a) Die Eingruppierung des sonstigen Beschäftigten erfordert - wie die Überschrift des Abschnitts 22.1 des Teils II der EntgeltO „Ingenieure“ verdeutlicht - tatbestandlich, dass er über gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen wie ein graduierter Ingenieur verfügen muss. Dabei wird nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die entsprechende Fachhochschulausbildung als Ingenieur vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet einer Ausbildung als Ingenieur nicht ausreichen (vgl.  - zu II 5.1 der Gründe mwN). Solche gleichwertigen Fähigkeiten können insbesondere durch Berufserfahrung erworben sein. Dabei können nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch aus der auszuübenden Tätigkeit Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Erfahrungen dieses Angestellten gezogen werden, wenn der Angestellte eine „entsprechende Tätigkeit“ ausübt ( - zu II 2 a ee der Gründe). Sie werden aber nicht schon dadurch nachgewiesen, dass der „sonstige Beschäftigte“ auf einem einzelnen Arbeitsgebiet des Fachschulingenieurs Leistungen erbringt, die auf diesem begrenzten Gebiet denen eines Ingenieurs gleichwertig sind ( -).

28b) Ob der Kläger über gleichwertige Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, steht nicht fest, da das Landesarbeitsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Dies wird es ggf. nachzuholen haben.

29c) Auch zu der weiteren Anforderung des Tätigkeitsmerkmals Ziff. 1 EG 12 TV-L, dem Vorliegen einer langjährigen praktischen Erfahrung, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, was es bei einer abschließenden Beurteilung der Sache ggf. auch nachzuholen haben wird. Dabei wird es zu beachten haben, dass praktische Erfahrungen iSd. Tarifnorm nur in der jeweiligen beruflichen Tätigkeit erworben werden können, dh. sie müssen konkret in einer Tätigkeit mit ingenieurmäßigem Zuschnitt erarbeitet worden sein (BeckOK TV-L EntgO/Müller Stand TV-L EntgO 22.1 Ingenieure Rn. 21). Bei der Langjährigkeit kann - entgegen der Auffassung des beklagten Landes - grundsätzlich auf einen Zeitraum von (mindestens) drei Jahren abgestellt werden ( - Rn. 13; - 4 AZR 31/77 - mwN, BAGE 31, 26; Geyer in Sponer/Steinherr TV-L Stand Oktober 2016 EntgeltO Länder 2322.1-L Rn. 321).

30d) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht im Hinblick auf den Zahlungsantrag zu 1. ggf. zu prüfen haben, ob die dem Kläger ab dem als Fachkraft für Arbeitssicherheit zugewiesene Stelle bereits von Anfang an bzw. vor dem einen ingenieurmäßigen Zuschnitt hatte oder - im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu 2. - dies zumindest ab dem der Fall ist.

312. Bei der abschließenden rechtlichen Beurteilung der Sache wird das Landesarbeitsgericht ggf. weiter zu berücksichtigen haben, dass eine Eingruppierung des Klägers auch bei Nichtvorliegen der subjektiven Voraussetzungen der EG 12 TV-L nach Teil II der EntgeltO und nicht nach Teil I der EntgeltO erfolgen kann. Vielmehr ist der Kläger aufgrund des ingenieurmäßigen Zuschnitts der Stelle dann nach Nr. 1 Abs. 4 der Vorbem in der nächst niedrigeren Entgeltgruppe, dh. in die EG 11 TV-L eingruppiert, die er unstreitig erhalten hat.

323. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu prüfen haben, ob dem Kläger tatsächlich eine Vergütung nach Stufe 5 der EG 12 TV-L zusteht. Die Stufenzuordnung bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe ist in § 17 Abs. 4 TV-L näher geregelt. Die Stufe wird danach bei einer Höhergruppierung nicht „mitgenommen“, die Stufenzuordnung erfolgt vielmehr betragsmäßig (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand September 2016 Teil II § 17 Rn. 47). Auch hierzu fehlen nähere Feststellungen.

33III. Die Hilfsanträge sind nicht zur Entscheidung des Senats angefallen. Der im Feststellungsantrag zu 2. enthaltene Hilfsantrag ist für den Fall gestellt, dass eine Eingruppierung in die EG 12 TV-L nur deshalb nicht in Betracht kommt, weil dem Kläger die Stelle nicht dauerhaft übertragen worden wäre. Der Hilfsantrag zu 3. ist ausweislich der Klageschrift nur für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2. gestellt.

34IV. Über die Kosten der Revision wird das Landesarbeitsgericht mit zu entscheiden haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:250117.U.4AZR379.15.0

Fundstelle(n):
BB 2017 S. 628 Nr. 11
NJW 2017 S. 10 Nr. 18
WAAAG-38517