Anspruch auf Kindergeld nur bei "Besitz" eines Aufenthaltstitels; rückwirkende Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die Ausländerbehörde
Leitsatz
Erteilt die Ausländerbehörde rückwirkend einen Aufenthaltstitel, der nach § 62 Abs. 2 EStG zur Inanspruchnahme von Kindergeld berechtigt, kommt dem kindergeldrechtlich keine Rückwirkung zu, da für den Anspruch auf Kindergeld der "Besitz" eines Aufenthaltstitels erforderlich ist.
Gesetze: EStG § 62 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht gegeben. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Denn die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Frage ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt.
3 a) Die Klägerin macht für die von ihr angenommene grundsätzliche Bedeutung und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend, dass die sich aus § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebende Voraussetzung der „Anknüpfung an den (tatsächlichen) Besitz eines zum Kindergeldbezug berechtigenden Aufenthaltstitels“ nicht nur von grundsätzlicher Bedeutung sei, sondern auch in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt werde.
4 b) Demgegenüber hat der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits ausdrücklich entschieden, dass es kindergeldrechtlich keine Rückwirkung hat, wenn die Ausländerbehörde rückwirkend einen Aufenthaltstitel erteilt, der nach § 62 Abs. 2 EStG zur Inanspruchnahme von Kindergeld berechtigt, da für den Anspruch auf Kindergeld der „Besitz“ eines solchen Aufenthaltstitels erforderlich ist, was voraussetzt, dass der Kindergeldberechtigte den Titel im maßgeblichen Anspruchszeitraum tatsächlich in den Händen hält (, BFHE 249, 441, BStBl II 2015, 840, Leitsatz).
5 Soweit die Klägerin meint, die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 249, 441, BStBl II 2015, 840 seien entgegen dem Urteil des Finanzgerichts (FG) im Streitfall nicht anwendbar, rügt sie lediglich eine unzutreffende Rechtsanwendung, die eine Revisionszulassung nicht rechtfertigt (vgl. z.B. , BFH/NV 2014, 1099).
6 c) Für das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kann sich die Klägerin auch nicht auf die Vorlagen des und vom 7 K 9/10, 7 K 111/13, 7 K 112/13, 7 K 113/13, 7 K 114/13, 7 K 116/13 (teilweise abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 932 ff.) an das Bundesverfassungsgericht berufen. Denn der BFH hat sich bereits in seinem Urteil in BFHE 249, 441, BStBl II 2015, 840 auch hierzu geäußert und eine Aussetzung des Verfahrens abgelehnt, da es in den Vorlageverfahren u.a. um eine langjährige „Dauerduldung“ gehe. An dieser fehlte es nicht nur in der dem BFH-Urteil in BFHE 249, 441, BStBl II 2015, 840 zugrunde liegenden Fallgestaltung, sondern auch im Streitfall.
7 Daher ergibt sich im Streitfall auch aus der Bezugnahme der Klägerin auf einen der Vorlagebeschlüsse des Niedersächsischen FG kein Grund für die Zulassung der Revision. Denn mangels langjähriger „Dauerduldung“ unterscheidet sich der vom FG beurteilte Sachverhalt in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der angeblichen Divergenzentscheidung, dass das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht besteht (BFH-Beschlüsse vom XI B 201/07, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom V B 100/13, BFH/NV 2014, 739, und vom V B 4/16, n.v.).
8 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2016:B.071216.VB100.16.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 465 Nr. 4
JAAAG-37075