BGH Beschluss v. - 3 StR 352/16

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Haftung des lediglich als Strohmann auftretenden formellen GmbH-Geschäftsführers für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Gesetze: § 14 Abs 1 Nr 1 StGB, § 266a StGB

Instanzenzug: Az: 2050 Js 72470/88 - 4 KLs

Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat  (§ 349 Abs. 2 StPO). 
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Angeklagte als alleinige mit Gesellschafterbeschluss bestellte und eingetragene Geschäftsführerin gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafrechtlich verantwortliches Organ der luxemburgischen haftungsbeschränkten Gesellschaft T.   , auch wenn das Unternehmen tatsächlich vom nichtrevidierenden Mitangeklagten M. geführt wurde. Ebenso wenig kann der Senat der Strafkammer darin folgen, dass der Angeklagten die gebotene Abführung der  Sozialversicherungsbeiträge tatsächlich unmöglich gewesen sei.
Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen, was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten wie das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen einschließt. Dies gilt auch dann, wenn für die Gesellschaft eine Person mit so weitreichenden Handlungskompetenzen auftritt, dass sie ihrerseits als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. , BGHSt 47, 318, 324 ff.; ferner Urteil vom   - 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122 f. [zu § 84 GmbHG]).
Die Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfällt nicht dadurch, dass ihm - als sog. "Strohmann" - rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen (so aber , NStZ-RR 2001, 173; (5) 1 Ss 243/01 (6/02), wistra 2002, 313, 314 f.; Krumm, NZWiSt 2015, 102, 103; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 266a Rn. 5; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 75; NK-StGB-Tag, 4. Aufl., § 266a Rn. 30). Es trifft nicht zu, dass er in diesem Fall nur mit dem sich aus der Bestellung ergebenden Rechtsschein ausgestattet wäre. Denn der Geschäftsführer, der formal wirksam bestellt ist, hat von Gesetzes wegen stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten. Dementsprechend knüpft § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verantwortlichkeit an die Organstellung, nicht - auch - an das regelmäßig zugleich bestehende dienstvertragliche Anstellungsverhältnis (vgl. Maurer, wistra 2003, 174, 175; ferner S/S-Perron, StGB, 29. Aufl., § 14 Rn. 16/17).
Ebenso wenig ist dem "Strohmann"-Geschäftsführer die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich (so aber OLG Hamm aaO; KG aaO, S. 315 [zu § 283 StGB]; MüKoStGB/Radtke, 2. Aufl., § 266a Rn. 36; S/S-Perron aaO). Stehen die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurück, so kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen (ebenso Maurer aaO, S. 175 f.; Rönnau, NStZ 2003, 525, 527; MüKoGmbHG/Wißmann, 2. Aufl., § 84 Rn. 57; Scholz/Tiedemann/Rönnau, GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 27; vgl. auch Siegmann/Vogel, ZIP 1994,  1821, 1822; Michalski/Dannecker, GmbHG, 2. Aufl., § 84 Rn. 27; MüKoStGB/Hohmann, 2. Aufl., § 84 GmbHG Rn. 19; Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 84 Rn. 4)
Die vom Landgericht vorgenommene rechtsfehlerhafte Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten beschwert sie allerdings nicht.
Becker                       Schäfer                       Gericke
               Spaniol                        Berg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:131016B3STR352.16.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 3089 Nr. 51
GmbH-StB 2017 S. 8 Nr. 1
GmbHR 2016 S. 1311 Nr. 24
ZIP 2017 S. 224 Nr. 5
wistra 2017 S. 64 Nr. 2
QAAAF-90537