Besonders schwere Vergewaltigung: Bedeutung der Motivation des Täters bei objektiv sexualbezogenen Handlungen; Strafschärfung bei auffälligem Missverhältnis zwischen Anlass und Tat; Strafrahmenverschiebung bei selbstverschuldeter Trunkenheit
Gesetze: § 21 StGB, § 46 Abs 1 StGB, § 46 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 177 Abs 4 Nr 2 Buchst a StGB, § 177 Abs 4 Nr 2 Buchst b StGB, § 184h Nr 1 StGB
Instanzenzug: Az: 114 KLs 35/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch.
2Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Urteilstenor ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zum Wegfall des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Fall II. 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
3Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
41. Nach einer gemeinsam mit Freunden in einer Diskothek verbrachten Nacht begegnete der erheblich alkoholisierte und infolge einer körperlichen Auseinandersetzung mit unbekannten Dritten aggressiv gestimmte Angeklagte am gegen 5.30 Uhr in einer Grünanlage der ihm unbekannten 75 Jahre alten Nebenklägerin. Seine Frage, ob er ihr helfen könne, beantwortete die Nebenklägerin dahin, dass er sie in Ruhe lassen solle. Aus Wut über diese Zurückweisung versetzte der Angeklagte ihr unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht, in dessen Folge die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegene Nebenklägerin zu Boden stürzte. Anschließend schlug der Angeklagte mehrfach wuchtig mit der Faust auf Gesicht und Kopf der Nebenklägerin ein. Dabei war ihm bewusst, dass diese Faustschläge geeignet waren, die Nebenklägerin lebensgefährlich zu verletzen. Er ließ schließlich von der laut um Hilfe rufenden, erhebliche Gesichtsverletzungen aufweisenden Nebenklägerin ab und entfernte sich.
52. Nach einiger Zeit fasste der Angeklagte den Entschluss, zur Nebenklägerin zurückzukehren. Er packte die mittlerweile auf einer Parkbank sitzende, durch die vorhergehenden Misshandlungen erheblich verletzte und wehrlose Nebenklägerin, riss sie zu Boden und setzte sich auf sie. Anschließend versetzte er ihr zielgerichtet einen weiteren wuchtigen Faustschlag gegen den Kopf, durch den sie Schmerzen erlitt; er öffnete seine Hose, entblößte seinen erigierten Penis und forderte die Nebenklägerin durch eine Geste auf, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen. Die sich zur Wehr setzende Nebenklägerin kniff den Angeklagten in die Hoden. Daraufhin schob der Angeklagte Hose und Unterhose der Nebenklägerin gegen ihren Widerstand nach unten, stieß seine flache Hand mit „äußerst massiver Wucht“ in die Vagina der Nebenklägerin und bewegte sie mehrere Male heftig hin und her. Dabei fügte er ihr, wie er erkannte und billigte, schwere, den Bauchraum und den Darm eröffnende lebensgefährliche Pfählungsverletzungen zu. Die Nebenklägerin schrie vor Schmerzen laut auf, rief anhaltend um Hilfe und kotete sich ein. Schließlich ließ der Angeklagte von der schwer verletzten Frau ab und entfernte sich.
6Die Nebenklägerin wurde von Polizeikräften in ein Krankenhaus transportiert und ihr Leben durch eine sofortige Notoperation gerettet. Die erlittenen ausgeprägten Pfählungsverletzungen erforderten eine Rekonstruktion von Vulva und Vagina der Nebenklägerin; sie befand sich bis zum in stationärer Behandlung und litt noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung unter den Folgen des Tatgeschehens.
7Sachverständig beraten ist das Landgericht, das aufgrund der vagen Trinkmengenangaben des Angeklagten sowie einer sehr langen Trinkzeit zwischen 12.00 Uhr am Vortag und 3.30 Uhr am Tattag eine maximale Blutalkoholkonzentration nicht zu berechnen vermochte, von einer möglichen Blutalkoholkonzentration von 4,34 Promille ausgegangen, es hat angenommen, dass die Schuldfähigkeit des trinkgewohnten Angeklagten infolge des zuvor genossenen Alkohols nicht ausschließbar erheblich vermindert (§ 21 StGB) gewesen ist.
II.
8Die Revision des Angeklagten:
91. Die Feststellungen, die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhen, tragen den Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe, nicht jedoch den Schuldspruch wegen tateinheitlich hierzu verwirklichter vorsätzlicher Körperverletzung.
10a) Entgegen der Auffassung der Revision bestehen keine Zweifel daran, dass der Angeklagte den Straftatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) und b) StGB verwirklicht hat. Die Handlungen des Angeklagten sind – entgegen der Auffassung der Revision – ungeachtet der Frage, ob die Tat eher „Wut- und Bestrafungscharakter“ trug, als sexuelle Handlungen im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) anzusehen.
11Bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogenen Handlungen kommt es auf die Motivation des Täters nicht an (vgl. etwa , BGHSt 29, 336, 338; vom – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049). Gleichgültig ist deshalb, ob er die sexuelle Handlung aus Wut, als Akt der Bestrafung, aus Sadismus oder aus anderen Gründen vornimmt (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 561/11, BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 9, NStZ-RR 2013, 10, 12). Der ausdrücklichen Feststellung einer sexuellen Absicht des Täters bedarf es bei objektiv sexualbezogenen Handlungen, anders als bei äußerlich ambivalenten Handlungen, nicht. Insoweit genügt es, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist (, BGHR StGB § 184g Sexuelle Handlung 2, NStZ-RR 2008, 339, 340). Hieran bestehen ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen keine Zweifel.
12b) Jedoch hält die Annahme, der Angeklagte habe tateinheitlich hierzu den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verwirklicht, indem er der Nebenklägerin einen Faustschlag versetzte, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
13Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe diente der Faustschlag bereits der Umsetzung des Tatentschlusses des Angeklagten, die Nebenklägerin zur Vornahme einer sexuellen Handlung - der Ausführung des Oralverkehrs an sich - zu nötigen. Er war damit Teil der gezielt zum Zwecke der sexuellen Nötigung seines Opfers eingesetzten Gewalt des Angeklagten, die mit der in unmittelbarem Anschluss verwirklichten besonders schweren Vergewaltigung eine Tat im Rechtssinne bildete. Bei dieser Sachlage wird – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB von § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB verdrängt (Fischer StGB, 63. Aufl., § 177 Rn. 105a).
14Die Korrektur des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die Strafkammer hat die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts ausdrücklich nicht strafschärfend berücksichtigt (UA S. 53). Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass der Tatrichter eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn er die Konkurrenzverhältnisse, die den Schuldgehalt der Tat im Übrigen unberührt lassen, rechtsfehlerfrei beurteilt hätte.
153. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
16a) Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe sein Opfer „aus nichtigem Anlass angegriffen“ und die Tat aus „nicht nachvollziehbarem Anlass“ begangen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
17aa) Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn der Tatrichter dem Angeklagten mit der genannten Erwägung das Fehlen verständlicher Motive für seine Tat strafschärfend zur Last gelegt hätte. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung sind strafmildernd, das bloße Fehlen verständlicher Motive jedoch nicht strafschärfend zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom – 2 StR 35/11; Beschluss vom – 2 StR 73/12, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 37; Beschluss vom – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40; vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 73; 76b a.E.; vgl. aber auch , BGHR StGB § 224 Strafzumessung 1). Es wäre rechtsfehlerhaft, dem Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfende Bedeutung beizumessen (Niemöller, GA 2012, 337 ff.).
18bb) Die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich jedoch am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen – Formulierungen zu orientieren (, BGHSt 34, 345, 349 f.; Senat, Urteil vom – 2 StR 119/13, StV 2014, 478, 479). Die vom Tatrichter gebrauchte Formulierung, der Angeklagte habe die Nebenklägerin „aus nichtigem Anlass“ angegriffen, stellte ersichtlich auf das Tatmotiv ab; nach den Feststellungen entschloss sich der Angeklagte zu dem körperlichen Angriff auf die Nebenklägerin, weil er sich durch die erfolgte Zurückweisung seines Angebots, ihr zu helfen, „provoziert und verärgert“ fühlte. Die Kammer hat durch die genannte Strafzumessungserwägung ersichtlich nicht einen fehlenden Strafmilderungsgrund strafschärfend berücksichtigt, sondern – rechtlich unbedenklich – auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Anlass und Tat abgestellt. Der Tatrichter hat damit die Tätermotivation und damit zugleich die aus der Tat sprechende „Gesinnung“ im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB als besonders verwerflich charakterisiert und strafschärfend berücksichtigt. Dies ist – wie beispielsweise das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes zeigt, der die Tat bei einem „eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat“ als Mord qualifiziert und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht (vgl. Fischer StGB, 63. Aufl., § 211 Rn. 18) – von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
19b) Zu einer Erörterung des vertypten Strafmilderungsgrunds des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB) bestand vorliegend kein Anlass. Zwar hat der Angeklagte an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld gezahlt und sich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrags verpflichtet. Es fehlt jedoch – wie die tatrichterliche Feststellung, die Nebenklägerin habe diese Entschuldigung des Angeklagten „mit starrer Miene aufgenommen“ (UA S. 17) belegt – erkennbar an dem von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzten kommunikativen, auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der Tatfolgen angelegten Prozess zwischen Täter und Opfer (, NStZ-RR 2012, 43; Senat, Urteil vom – 2 StR 131/13, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 4, NStZ-RR 2013, 372).
20c) Auch die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Strafkammer insoweit zunächst pauschal auf die für die Bemessung der Einzelstrafen maßgeblichen, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verwiesen (vgl. UA S. 54). Anschließend hat sie jedoch auf den strafmildernden Umstand des engen zeitlichen, örtlichen und situativen Zusammenhangs beider Taten abgestellt und den gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen eigenständigen Strafzumessungsakt damit – wie geboten – an „gesamtstrafenspezifischen Kriterien“ (Senat, Beschluss vom – 2 StR 340/10; vgl. , StraFo 2013, 477; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN) orientiert. Ausgehend hiervon hat sie die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten als Einsatzstrafe maßvoll auf acht Jahre und sechs Monate erhöht. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
III.
21Die Revision der Staatsanwaltschaft:
22Die ungeachtet der Schuldspruchkorrektur im Fall II. 2 der Urteilsgründe wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. , NStZ-RR 1996, 267) hat Erfolg. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht die zugunsten des Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
231. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu (, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Es ist Aufgabe des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (vgl. ). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (, NStZ-RR 2012, 336 f.; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
24Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (Senat, Beschluss vom – 2 StR 350/15, NStZ-RR 2016, 74; , BGHSt 7, 28, 30). Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit jedoch auf zu verantwortender Trunkenheit, so spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (vgl. , BGHSt 49, 239; ; Beschluss vom – 5 ARs 50/15; weitergehend aber , NStZ 2016, 203; Urteil vom – 3 StR 435/02, NJW 2003, 2394; Beschluss vom – 4 ARs 16/15). Dabei ist als allgemeinkundig vorauszusetzen, dass eine alkoholische Berauschung generell die Hemmschwelle gegenüber sozial auffälligem und aggressivem Verhalten zu senken pflegt (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 419/05, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 40). Weiß der Täter oder muss er damit rechnen, dass er unter Alkoholeinfluss zu strafbaren Verhaltensweisen neigt und trinkt er trotzdem Alkohol, so spricht dies in der Regel gegen die Annahme einer Strafrahmenverschiebung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, und vom – 1 ARs 21/15). Einschlägiger Vorverurteilungen bedarf es insoweit nicht (, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 37). Die genannten Umstände erhöhen die Schuld und können zur Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infolge der Herabsetzung der Schuldfähigkeit verminderte Tatschuld aufwiegen.
252. Gemessen hieran hält die tatrichterliche Ermessensentscheidung im Fall II. 1 und im Fall II. 2 auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
26Die vom Landgericht angestellten Erwägungen lassen besorgen, dass es von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
27Das Landgericht ist von einer verschuldeten Trunkenheit ausgegangen. Es hat im Rahmen seiner Entscheidung berücksichtigt, dass der Angeklagte nur fünf Monate vor der verfahrensgegenständlichen Tat wegen einer unter dem Einfluss von Alkohol begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung verurteilt und ihm mit Bewährungsbeschluss vom aufgegeben worden ist, mit seinem Bewährungshelfer „die eventuelle Notwendigkeit von Therapiemaßnahmen zu den Problembereichen Alkohol und Aggressivität zu klären“. Ungeachtet dieser Vorverurteilung hat es dem Angeklagten eine Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht versagt, weil es nicht festzustellen vermochte, dass „der Angeklagte selbst davon ausging, dass er erneut eine anlasslose Gewalttat bzw. eine noch darüber hinausgehende Gewalttat begehen könnte“ (UA S. 45) und dass er „sich in Bezug auf die von ihm getrunkene Alkoholmenge überschätzt und gedacht“ habe, „es wird schon gut gehen“ (UA S. 46). Diese Formulierungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist und nicht hinreichend bedacht hat, dass die Versagung einer Strafmilderung infolge verschuldeter Trunkenheit nicht voraussetzt, dass der Täter Art und Schwere der unter Alkoholeinfluss begangenen konkreten Tat sicher voraussieht oder hätte vorhersehen können und müssen. Es genügt insoweit, dass er bei Anspannung der ihm möglichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er unter dem Einfluss von Alkohol zu Straftaten neigt. Dies lag hier jedenfalls nahe. Die vom Landgericht festgestellten und im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung nicht gänzlich unberücksichtigt gebliebenen Vorverurteilungen betrafen jeweils Gewaltdelikte und belegen, dass der Angeklagte zu aggressivem Verhalten neigt. Dass Alkohol generell geeignet ist, aggressive Verhaltensweisen zu verstärken, liegt auf der Hand. Bei dieser Sachlage erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern den Angeklagten unter Schuldgesichtspunkten entlasten sollte, dass er unter diesen besonderen Vorzeichen nicht bereit war, den von ihm und seinem Freundeskreis gepflegten „Lebensstil“, zu dem der übermäßige Genuss von Wodka am Wochenende gehörte, zu verändern und hinsichtlich der enthemmenden Wirkung von Alkohol eine gewisse „Gleichgültigkeit“ an den Tag legte.
283. Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.
29a) Bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2 der Urteilsgründe hat der Tatrichter, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat, nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl körperlich schwer misshandelt (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe a) StGB) als auch in die Gefahr des Todes gebracht (§ 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchstabe b) StGB) und damit zwei Qualifikationstatbestände mit jeweils fünfjähriger Mindeststrafandrohung verwirklicht hat. Unberücksichtigt blieb außerdem, dass der Angeklagte zunächst erfolglos versuchte, die Nebenklägerin zum Oralverkehr zu nötigen, und nach dem Misslingen dieses Versuchs eine sie besonders erniedrigende, sadistisch anmutende sexuelle Handlung an ihr vorgenommen hat.
30b) Bedenken begegnet schließlich auch die strafmildernde Berücksichtigung der vollzogenen Untersuchungshaft von sechs Monaten. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersuchungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen, über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist (Senat, Urteil vom – 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; , NStZ-RR 2014, 82, 83). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden (Senat, Urteil vom – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645). Daran fehlt es hier.
31Diese Mängel führen zur Aufhebung der Einzelstrafen und zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um Wertungsfehler handelt. Ergänzende Feststellungen, die den bereits getroffenen Feststellungen nicht widersprechen, sind möglich.
IV.
32Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Entscheidung über die gegen die tatrichterliche Kostenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.
V.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.
34Die der inzwischen verstorbenen Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen waren dem Angeklagten aufzuerlegen (vgl. , MDR 1984, 250; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 59. Aufl., § 472 Rn. 1; a.A. KK-StPO/Gieg, § 472 Rn. 2).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:240816U2STR504.15.0
Fundstelle(n):
XAAAF-87215