Strafverfahren: Verweisung an das Landgericht wegen des besonderen Umfangs der Sache nach Scheitern von Verständigungsgesprächen beim Amtsgericht
Leitsatz
Eine Zuständigkeit des Landgerichts, welche zur Verweisung gemäß § 270 StPO führt, ergibt sich nicht daraus, dass nach Scheitern von Verständigungsgesprächen beim Amtsgericht (Schöffengericht) dieses einen besonderen Umfang der Sache (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) annimmt.
Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 257c Abs 3 S 4 StPO, § 257c Abs 4 StPO, § 270 StPO, § 24 Abs 1 Nr 1 GVG, § 24 Abs 1 Nr 2 GVG, § 24 Abs 1 Nr 3 GVG
Instanzenzug: Az: 27 KLs 4/15
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen – jeweils gewerbsmäßig begangener – strafbarer Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in 32 Fällen, davon bei drei Taten in jeweils drei tateinheitlichen Fällen und bei acht Taten in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen, ferner bei drei Taten in Tateinheit mit strafbarer Kennzeichenverletzung sowie wegen strafbarer Kennzeichenverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bonn.
2Der Angeklagte veranlasste nach den Feststellungen des Landgerichts in den Jahren 2011 bis 2014 in 33 Fällen die Einfuhr von insgesamt 29.032 Original-Markenuhren ohne Zustimmung des Inhabers des Markenrechts. Die Revision macht zutreffend das Fehlen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts geltend.
I.
3Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
4Der Angeklagte befindet sich seit dem in Untersuchungshaft. Am wurde der Haftbefehl gegen ihn durch die Haftrichterin, die zugleich Vorsitzende des Schöffengerichts war, in neuer Fassung verkündet. Die Staatsanwaltschaft, die eine erste Anklage zurückgenommen hatte, erhob am erneut Anklage zum Schöffengericht bei dem Amtsgericht Bonn. Die Vorsitzende ging im Hinblick auf vorausgegangene Gespräche zwischen Verteidiger und Staatsanwalt von der Möglichkeit aus, dass im Fall eines Geständnisses des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung neben einer zusätzlichen Geldstrafe in Betracht komme. Am eröffnete sie das Hauptverfahren. In der Hauptverhandlung am schlug der Verteidiger vor, eine Verständigung durchzuführen. Staatsanwaltschaft und Gericht waren damit im Wesentlichen einverstanden, jedoch drängte der Staatsanwalt darauf, dass die Zahlung der Geldstrafe sichergestellt sein müsse. Der Verteidiger erklärte, dass der Angeklagte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung nutzen wolle, um die Mittel bereitzustellen. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung am erklärte der Verteidiger, dass der Angeklagte versucht habe, 200.000 Euro auf ein Rechtsanwaltsanderkonto überweisen zu lassen, was er wegen der Untersuchungshaft nicht selbst erledigen könne. Deshalb habe er seine Ehefrau darum gebeten. Diese habe Einblick in seine Kontounterlagen genommen und festgestellt, dass er einer anderen Frau eine Eigentumswohnung gekauft habe. Deshalb weigere sich die Ehefrau nun, die Überweisung auszuführen.
5In einem Fortsetzungstermin am erklärte der Angeklagte bei seiner Vernehmung gemäß § 243 Abs. 5 StPO, dass er keine Angaben zur Sache mache. Der Verteidiger widersprach der Verwertung von Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. Sodann wurden die Verfahrensbeteiligten vom Schöffengericht zur Frage einer Verweisung der Sache an das Landgericht angehört. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er der erörterten Verständigung nicht zustimmen könne. Das Schöffengericht verkündete danach einen Beschluss über die Verweisung der Sache gemäß § 270 StPO an das Landgericht. Dieser wurde damit begründet, dass nach Ausbleiben der Verständigung eine umfassende Beweisaufnahme durchzuführen sei. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG sei wegen des besonderen Umfangs der Sache das Landgericht zuständig.
6Nach Übersendung der Akten ging der Vorsitzende der Strafkammer davon aus, dass die Zuständigkeit des Landgerichts eingetreten sei. Auf Überprüfungsbitte der Verteidigung bestätigte die Strafkammer dies durch Beschluss vom . Sie führte aus, der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts sei nicht willkürlich erfolgt. In der Literatur werde zum Teil auch die Ansicht vertreten, dass eine geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens zum Anlass für eine Verweisung genommen werden dürfe. Insoweit sei die Ansicht des Amtsgerichts vertretbar. Dasselbe gelte für die Auffassung, der Umfang der Sache sei bei einer Verständigung anders einzuschätzen als im Fall ihres Ausbleibens. Die Zuständigkeit des Landgerichts sei schließlich tatsächlich begründet. Dies ergebe sich auch aus einer Straferwartung, die den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten könne.
II.
7Diese Entscheidungen verkennen die Bedeutung und Tragweite von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht.
81. Die Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung im Revisionsverfahren nur aufgrund einer Verfahrensrüge (vgl. , BGHSt 42, 205, 212 ff.; Urteil vom – 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 56) oder gemäß § 6 StPO von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. , BGHSt 38, 172, 176; Urteil vom – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; Beschluss vom – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 122 ff.; Urteil vom – 4 StR 376/08, NStZ 2009, 404 f.), kann offenbleiben. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls eine zulässige Verfahrensrüge erhoben.
92. Die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 270 StPO beschränkt die Prüfung des Revisionsgerichts auf die Frage, ob höherrangiges Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. , BGHSt 29, 216, 219; Urteil vom – 4 StR 19/99, BGHSt 45, 58, 60; krit. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 31a). Dafür genügt nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten bei der Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen gezogenen Grenzen (vgl. , BVerfGE 87, 282, 284). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen Richters liegt aber unter anderem vor, wenn ein Gericht, das über die Zuständigkeitsfrage entscheidet, die Bedeutung und Tragweite der verfassungsrechtlichen Gewährleistung grundlegend verkannt hat (vgl. , BVerfGE 131, 268, 312; Beschluss vom – 1 BvR 2142/11, BVerfGE 138, 64, 87). Das ist hier der Fall.
10a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 GVG sind für Strafsachen in erster Instanz grundsätzlich die Amtsgerichte zuständig, wenn nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 GVG eingreift. Die Bestimmung der Zuständigkeit des Amtsgerichts durch den Eröffnungsbeschluss war insoweit nicht zu beanstanden. Die spätere Annahme einer Zuständigkeit des Landgerichts war nicht gerechtfertigt.
11aa) Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit des Gerichts ist grundsätzlich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 251). Sie bleibt im weiteren Verfahrensgang regelmäßig konstant (vgl. , NStZ 2013, 181 f.). Der Umfang der Sache als relativ unbestimmtes Zuständigkeitskriterium (vgl. Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 562 ff.) kann nicht laufend der aktuellen Prozesslage angepasst werden. Deshalb tritt mit der Zuständigkeitsentscheidung beim Eröffnungsbeschluss insoweit eine Perpetuierung ein. Die Regeln der §§ 6, 270 StPO über die Überprüfung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts unterliegen insoweit einer teleologischen Reduktion. Nur die Zuständigkeitsmerkmale der besonderen Deliktsart (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG) oder einer Straferwartung oberhalb des Strafbanns der Amtsgerichte (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 GVG) gestatten eine Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht, nicht aber die normativen Kriterien der Bedeutung und des Umfangs der Sache (vgl. Rieß GA 1977, 1, 12).
12bb) Die Frage, ob in der Hauptverhandlung eine Verständigung erfolgt, ist für die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit unerheblich.
13Zurzeit des Eröffnungsbeschlusses sind das Zustandekommen einer Verständigung in der Hauptverhandlung (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) und deren spätere Auflösung (§ 257c Abs. 4 StPO) ungewiss. Auf die vorherigen Erörterungen mit dem Ziel einer Verständigung gemäß § 202a StPO kommt es nicht an. Das Gericht darf bei seiner Eröffnungsentscheidung für die Einschätzung des Umfangs der Sache als Kriterium der sachlichen Gerichtszuständigkeit nicht die Erwartung einer Abkürzung der Hauptverhandlung aufgrund einer Verständigung zu Grunde legen. Andernfalls könnte ein Gericht niedriger Ordnung umfangreiche Verfahren nach verständigungsbezogenen Vorgesprächen wegen eines vermeintlich geringen Verhandlungsaufwands an sich ziehen und diese bei Nichtzustandekommen oder Widerruf einer Verständigung an das Gericht höherer Ordnung verweisen. Das wäre mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.
14Deshalb kann nur eine vollständige Sachaufklärung den Prüfungsmaßstab bilden, wenn es für die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit auf den Umfang der Sache ankommt. Schließlich bleibt die Aufklärungspflicht des Gerichts im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO durch eine Verständigung unberührt (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Auch ein verständigungsbasiertes Geständnis bedarf der Überprüfung im Strengbeweisverfahren (vgl. , 2155/11, BVerfGE 133, 168, 209 f.; Senat, Beschluss vom – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom – 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170), namentlich bei komplexen Fallgestaltungen (vgl. , NStZ 2014, 53 f.; Senat, Beschluss vom – 2 StR 360/15, NStZ 2016, 489 f.). Nicht geständnisfähige Tatsachen müssen durch weitere Beweiserhebungen in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zusätzliche Beweiserhebungen können für die Prüfung von Strafzumessungstatsachen erforderlich werden. Insgesamt ändert die zurzeit des Eröffnungsbeschlusses bestehende Möglichkeit einer Verständigung die Beurteilungsgrundlagen für die Zuständigkeitsbestimmung nicht grundlegend.
15b) Durch die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Schöffengericht war hinsichtlich der Zuständigkeitsannahme im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 3 GVG eine Perpetuierung eingetreten. Eine Verweisung der Sache in der Hauptverhandlung an das Landgericht durfte nicht aufgrund einer nachträglich geänderten Einschätzung des Verhandlungsumfangs ausgesprochen werden, erst recht nicht wegen Ausbleibens einer erwarteten Verständigung.
16aa) Eine die Zuständigkeitsbestimmung im Eröffnungsbeschluss „korrigierende Verweisung“ ist nur zulässig, wenn sich schon aus dem Anklagesatz eindeutig ergibt, dass die ursprüngliche Zuständigkeitsannahme im Eröffnungsbeschluss rechtsirrig war (vgl. SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 270 Rn. 7; Glaser, Aktuelle Probleme im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte, insbesondere die Folgen fehlerhafter Verweisungsbeschlüsse, 2002, S. 54 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
17bb) Die Zuständigkeitsprüfung im Hinblick auf die Merkmale gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG ist auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens beschränkt; das Tatgericht bleibt anschließend an seine Zuständigkeitsannahme gebunden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom – 1 Ws 244/16; Glaser aaO S. 57; Rieß GA 1977, 1, 12; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 24 GVG Rn. 9; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 270 Rn. 8; AK-StPO/Wassermann, 1993, § 270 Rn. 4; aA SK-StPO/Degener, 4. Aufl., § 24 GVG Rn. 38). Der Gesetzgeber des 19. Strafverfahrensänderungsgesetzes ist auch davon ausgegangen, es bedürfe keines ausdrücklichen Hinweises im Gesetzestext darauf, dass die Zuständigkeit eines Gerichts gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG nur bis zum Eröffnungsbeschluss zu prüfen ist (BT-Drucks. 8/976, S. 22). Die Verweisungsnorm des § 270 StPO ist deshalb auf Fälle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Zuständigkeit des Landgerichts gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GVG beschränkt. Sie konnte die Zuständigkeitskriterien gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG auch noch nicht erfassen, weil diese erst später in das Gesetz eingefügt wurden.
18Dem Fall einer Änderung der rechtlichen Bewertung der Sache dahin, dass ein Straftatbestand erfüllt sein kann, welcher eine ausschließliche Zuständigkeit eines Spruchkörpers beim Landgericht begründet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG), oder die Annahme, dass die Strafe den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten werde, weshalb es nicht zur Sachentscheidung berufen ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), steht eine Neubewertung des Umfangs der Sache in der Hauptverhandlung nicht gleich. Das Amtsgericht kann die Sache auch nach einer unvorhergesehen langen Hauptverhandlung entscheiden. Zuständigkeitsverschiebungen aufgrund einer geänderten Einschätzung der Sach- oder Rechtslage sind daher auf Fälle zu beschränken, in denen die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung unverzichtbar ist. Mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sind dagegen Zuständigkeitsverschiebungen nur wegen Veränderung der Prognose des Verhandlungsaufwands unvereinbar.
19c) Allerdings geht die jüngere Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie davon aus, dass selbst objektive Willkür bei einer Verweisung der Sache durch das Amtsgericht an das Landgericht gemäß § 270 StPO nicht zur Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses, sondern nur zum Wegfall seiner Bindungswirkung führt. Eine Rückgabe der Sache kommt trotz willkürlicher Verweisung nicht in Frage, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts tatsächlich eindeutig gegeben ist (vgl. , BGHSt 45, 58, 60 f.; KK-StPO/Greger, 7. Aufl., § 270 Rn. 26; MünchKomm-StPO/Moldenhauer, 2016, § 270 Rn. 49; aA SSW/Güntge, StPO, 2. Aufl., § 270 Rn. 15; KMR/Voll, StPO, § 270 Rn. 31; AK-StPO/Wassermann, § 270 Rn. 8). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
20Die geänderte Einschätzung des Umfangs der Sache (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GVG) ist wegen der Zuständigkeitsperpetuierung unerheblich. War insoweit schon § 270 StPO nicht anwendbar (vgl. Rieß GA 1976, 1, 16), so ist nach einer gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßenden Verweisung der Umfang der Sache auch für eine weitere Prüfung unerheblich, ob die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist.
21Die vom Landgericht zur Zuständigkeitsbegründung angeführte Straferwartung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GVG), die den Strafbann des Amtsgerichts (§ 24 Abs. 2 GVG) überschreiten würde, ist ersichtlich nicht gerechtfertigt.
22Die Strafobergrenze für jede der angeklagten Taten beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Auch bei einer Gesamtstrafe war auf dieser Grundlage im vorliegenden Fall keine Überschreitung des Strafbanns des Amtsgerichts von vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe zu erwarten. Eine hohe Freiheitsstrafe wegen strafbarer Kennzeichenverletzung wäre nur bei Verursachung eines Schadens für den Inhaber des Markenrechts zu erwarten gewesen (vgl. Kaiser in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 209. Lfg., § 143 MarkenG Rn. 45), der hier aber nicht festzustellen ist. Zwar kann auch die Einfuhr von Originalwaren, insbesondere bei Reimporten, Kennzeichenrechte verletzen (vgl. Maske-Reiche in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 143 MarkenG Rn. 39). Es lag aber kein besonders strafwürdiger Fall der Markenpiraterie vor. Die Herkunftsfunktion der Marke als strafrechtlich geschütztes Rechtsgut (krit. gegenüber der Strafdrohung Böxler, Markenstrafrecht. Geschichte – Akzessorietät – Legitimation – Perspektiven, 2013, S. 485) wurde durch das Inverkehrbringen der Original-Markenuhren nicht konkret beeinträchtigt. Auch deshalb war selbst unter Berücksichtigung von Zahl und Umfang der Einfuhren eine Gesamtfreiheitsstrafe, welche den Strafbann des Amtsgerichts überschreiten würde, offensichtlich nicht zu erwarten. Sie war zu recht auch vom Amtsgericht nicht in Betracht gezogen worden.
Fischer Krehl Eschelbach
Bartel Wimmer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:061016B2STR330.16.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2017 S. 150 Nr. 5
NJW 2017 S. 280 Nr. 4
wistra 2017 S. 78 Nr. 2
VAAAF-85678