Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Tatrichterliche Bewertung eines Geständnisses; Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses
Gesetze: Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 257c StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 352 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG
Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 24 KLs 33/15
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Der Erörterung bedarf lediglich die von der Revision im Nachgang zur Mitteilung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts näher begründete Sachrüge, mit der sie geltend macht, die Feststellungen und die hierzu durchgeführte Beweisaufnahme würden den Urteilsspruch nicht tragen.
I.
31. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterhielten der Angeklagte und ein Mittäter spätestens seit Anfang 2015 eine gemeinsame „Bunkerwohnung“, um dort große Mengen an Amphetamin und Marihuana zu lagern. Der gemeinsam angelegte und aufrechterhaltene Rauschgiftvorrat war zum Weiterverkauf bestimmt, um einen gemeinsamen und untereinander aufzuteilenden Gewinn zu erzielen. Die Miete für die Wohnung wurde regelmäßig von dem Angeklagten gezahlt.
4Am holte der Angeklagte in einer Tüte 750 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 40,7 Gramm THC und 328 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 89 Gramm Amphetaminbase aus der Wohnung. Er verstaute die Tüte hinter dem Fahrersitz des von ihm genutzten Pkw, um die Drogen zu Abnehmern zu verbringen. Dabei verwahrte er im Fahrerbereich griffbereit zwei Messer mit feststehender Klinge, zwei ca. 60 cm lange Vierkanteisenstangen und ein Schlagwerkzeug aus massivem Metall, die ihm zumindest für den Fall eines Angriffs als Verteidigungsmittel dienen sollten. Nach seiner Festnahme wurden bei der Durchsuchung der Bunkerwohnung weitere 6.024 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 259 Gramm THC und 1.909 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 296 Gramm Amphetaminbase sichergestellt.
52. Das Landgericht hat in der Beweiswürdigung die getroffenen Feststellungen auf die „umfassend geständige“ Einlassung des Angeklagten gestützt, die er im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257c StPO über eine sich zu eigen gemachte Erklärung seines Verteidigers abgegeben hatte. Danach erklärte der Angeklagte, dass die Darstellung im konkreten Anklagesatz der Anklageschrift, soweit er betroffen sei, vollumfänglich zutreffe; zu einem Mittäter, namentlich zu dem in der Anklageschrift als Mitbeschuldigter genannten S. , könne er keine Angaben machen. Das Landgericht hat dieses Geständnis für glaubhaft gehalten, da es sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu den Ermittlungsergebnissen decke. Es hat für diese Würdigung die Angaben des als Zeugen gehörten polizeilichen Ermittlungsführers angeführt. Dieser berichtete u.a. von der Observation des an der Bunkerwohnung festgenommenen Angeklagten am Tag des polizeilichen Zugriffs, über eine frühere Observation von Tütenlieferungen des Angeklagten zur Wohnung eines bekannten Drogendealers, über die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung zur Betäubungsmittelbestellung beim Angeklagten, von den Erkenntnissen zur Anmietung der von dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten S. regelmäßig mit Sporttaschen aufgesuchten Bunkerwohnung, die bei der Durchsuchung einen unbewohnten Eindruck gemacht habe, und zu den Mietzahlungen des Angeklagten. Die Zeugenangaben des Ermittlungsführers zu den Durchsuchungsergebnissen sind durch die Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokolle, hinsichtlich der Betäubungsmittelmengen und Wirkstoffgehalte durch ein Gutachten und betreffend die Beschaffenheit der sichergestellten Werkzeuge durch einen kriminaltechnischen Bericht ergänzt worden.
II.
6Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Landgerichts sind durch die Beweiswürdigung hinreichend belegt, was der Senat bereits auf die Sachrüge zu prüfen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27; vom - 3 StR 35/13, NStZ 2014, 53, und vom - 2 StR 265/13, NStZ 2014, 170).
71. Die Bewertung eines Geständnisses unterfällt dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Beweisergebnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 21/08, NStZ 2009, 467 mwN; vom - 3 StR 212/13, StV 2013, 703 f.; vom - 2 StR 265/13, aaO, und vom - 1 StR 302/13, StraFo 2014, 335, 336). Dabei sind, wenn sich der Angeklagte - wie hier - auf der Grundlage einer Absprache geständig eingelassen hat, an die Überprüfung dieser Einlassung und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis ( u.a., BVerfGE 133, 168, 209 Rn. 71; , NJW 2014, 2132, 2133; Beschluss vom - 1 StR 163/13, NStZ 2013, 727; siehe auch Landau, NStZ 2014, 425, 430; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 257c Rn. 17 f. mwN; aA Schneider, NStZ 2014, 192, 193 f.). In jedem Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr., vgl. , BGHR StPO § 261 Vermutung 11, und vom - 4 StR 430/13, aaO; BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 383/11, NStZ-RR 2012, 52 mwN, vom - 3 StR 285/11, StV 2012, 653, vom - 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 261 Rn. 2a; zu den Darstellungsanforderungen an die Urteilsgründe nach einer Verständigung siehe auch ).
82. Nach diesem Maßstab begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts keinerlei Bedenken.
9Zwar handelte es sich bei der Einlassung des Angeklagten um ein „schlankes“ Geständnis, das sich in der Bestätigung des konkreten Anklagesatzes erschöpfte. Insoweit hatte es jedoch schon einen als glaubhaft bewertbaren inhaltlichen Gehalt, da es mit der Bezugnahme auf die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat, wie sie im Anklagesatz im Einzelnen beschrieben war, sämtliche den späteren Schuldspruch tragenden Sachverhaltselemente erfasste. Auch handelte es sich um einen denkbar einfach gelagerten Fall, in dem sich der Vorwurf des Handeltreibens lediglich auf die am sichergestellten Rauschgiftmengen bezog, die im Pkw des (auch) an diesem Tag polizeilich observierten Angeklagten und in seiner Bunkerwohnung aufgefunden wurden. Im vorliegenden Fall konnte deshalb kein Zweifel bestehen, dass der Angeklagte an das erst kurze Zeit zurückliegende Tatgeschehen eine auch in den wesentlichen tatbestandsausfüllenden Einzelheiten genügende Erinnerung hatte (vgl. demgegenüber für Sachverhalte von hoher Komplexität und mit zahlreichen Details , aaO; Beschlüsse vom - 4 StR 698/95, StV 1996, 214, 215; vom - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256 f.; vom - 3 StR 35/13, aaO, und vom - 2 StR 360/15, wistra 2016, 277).
10Zudem hat das Landgericht in der Hauptverhandlung durch die Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers die Richtigkeit der geständigen Einlassung überprüft und diese hinsichtlich der für den Tatnachweis hier maßgeblichen Sicherstellungsbefunde zu den vom Angeklagten mitgeführten bzw. von ihm gemeinsam mit einem Mittäter auf Vorrat gelagerten Betäubungsmitteln und seiner Bewaffnung auch durch die verlesenen Durchsuchungsprotokolle und kriminaltechnischen Gutachten bestätigt gefunden. Dass der Angeklagte mit den sichergestellten Betäubungsmitteln gewinnbringend Handel zu treiben beabsichtigte, hat sich ungeachtet des Indizwertes der von dem polizeilichen Ermittlungsführer berichteten früheren Observations- und TKÜ-Erkenntnisse schon wegen der aufgefundenen großen Mengen ohnehin von selbst verstanden.
11Soweit der Beschwerdeführer meint, eine ergänzende Beweisaufnahme zur Überprüfung eines Geständnisses durch Vernehmung eines Ermittlungsführers sei „belanglos“, geht dies fehl. Das Gesetz schreibt nicht vor, unter welchen Voraussetzungen das Tatgericht eine Überzeugung gewinnen darf. Es kann sich für seine Überzeugungsbildung zur Richtigkeit auch eines verständigungsbasierten Geständnisses aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) daher sämtlicher Beweismittel bedienen (vgl. etwa zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines zur Geständnisprüfung möglichen Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO oder einer „Beweiserhebung“ durch Vorhalte u.a., aaO). Dass das vom Landgericht hierzu verwendete Beweismaterial unvollständig ausgeschöpft worden wäre oder andere Beweismittel weiteren Erkenntnisgewinn versprochen hätten, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht dargelegt. Eine diesbezügliche Verfahrensrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) ist nicht erhoben.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:130916B5STR338.16.0
Fundstelle(n):
BAAAF-84049