Bankenhaftung bei Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflichten bei Abschluss von Swap-Verträgen; Kausalität der Pflichtverletzung bei Kenntnis des Kunden von der Einpreisung einer Bruttomarge
Gesetze: § 254 Abs 1 BGB, § 280 BGB, § 286 ZPO
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 228/13 Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-12 O 155/12
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz nach Abschluss zweier Swap-Verträge in Anspruch.
2Die Klägerin stand mit der Beklagten in Geschäftsbeziehung. Am schlossen die Parteien einen "Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte" (künftig: Rahmenvertrag). Die Klägerin war zugleich Darlehensnehmerin einer mit der Beklagten im genossenschaftlichen Kreditverbund stehenden dritten Bank. Im Jahr 2008 war ein weiteres Darlehen bei dieser dritten Bank in Aussicht genommen.
3Auf der Grundlage des Rahmenvertrags einigten sich die Parteien am auf einen Zinssatz-Swap-Vertrag Nr. 5 mit einer Laufzeit vom bis zum . Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung von 4,65% p.a. auf einen Bezugsbetrag von anfänglich 5 Mio. €, der sich ab dem halbjährlich um 100.000 € reduzierte. Die Beklagte übernahm die Verpflichtung, Zinsen in Höhe des 6Monats-Euribors auf dieselben Bezugsbeträge zu leisten.
4Außerdem schlossen die Parteien am einen Zins- und Währungs-Swap-Vertrag Nr. 4 mit einer Laufzeit vom bis zum . Sie einigten sich darauf, die Klägerin solle der Beklagten insgesamt 5.280.602 CHF, zahlbar zunächst in halbjährlichen Raten in Höhe von zunächst 120.525 CHF, gegen insgesamt 3.286.000 €, zahlbar in halbjährlichen Raten in Höhe von zunächst 75.000 €, leisten. Am Laufzeitende sollte die Klägerin der Beklagten restliche 4.557.452 CHF gegen 2.836.000 € zahlen. Die Klägerin schuldete während der Laufzeit auf den sich durch die halbjährlichen Zahlungen fortlaufend verringernden Bezugsbetrag Zinsen in Höhe von 3,25% p.a., während die Beklagte entsprechend Zinsen in Höhe des 6-Monats-Euribors zu leisten hatte.
5In beide Swap-Verträge preiste die Beklagte eine Bruttomarge ein, so dass der Marktwert aus Sicht der Klägerin anfänglich negativ war. Jedenfalls über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts unterrichtete die Beklagte die Klägerin nicht.
6Die Parteien beendeten den Zinssatz-Swap-Vertrag vorzeitig zum gegen eine Ausgleichszahlung der Klägerin in Höhe von 751.700 €. Der Zins- und Währungs-Swap-Vertrag lief zum mit einem zulasten der Klägerin negativen Saldo aus. Die Klägerin beziffert ihren aus beiden Swap-Geschäften resultierenden Schaden auf insgesamt 2.352.047,45 €.
7Die Klägerin hat unter dem gegenüber der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg (künftig: ÖRA) Antrag auf Durchführung eines Güteverfahrens gestellt. Die ÖRA hat die Bekanntgabe des Güteantrags an die Beklagte veranlasst. Sie hat am das Scheitern des Güteverfahrens festgestellt. Die Klägerin hat am ihre Klage auf Zahlung und Feststellung anhängig gemacht. Die Klage ist der Beklagten nach Anforderung des Kostenvorschusses am und Einzahlung der Gerichtskosten am am zugestellt worden.
8Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen dem Zahlungsantrag entsprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gründe
9Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
10Das Berufungsgericht (BeckRS 2015, 09396) hat soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung im Wesentlichen ausgeführt:
11Die Beklagte sei der Klägerin in Höhe von 2.352.047,45 € zuzüglich Zinsen zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Klägerin nicht über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts in die Swap-Verträge unterrichtet habe. Eine Pflicht zur Aufklärung über diesen Umstand habe unabhängig davon bestanden, ob zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Eine Aufklärungspflicht habe jedenfalls als Nebenpflicht aufgrund der Empfehlung des eigenen Produkts im Rahmen der Finanzdienstleistung bestanden. Dieser Aufklärungspflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen. Dass der Abschluss der Swap-Verträge in Zusammenhang mit Darlehensverträgen bei einer dritten Bank gestanden habe, habe an der Aufklärungspflicht der Beklagten nichts geändert. Das Verschulden der Beklagten werde vermutet. Die zugunsten der Klägerin weiter streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt. Hierzu genüge nicht der Umstand, dass es der Klägerin unbedingt darum gegangen sei, sich gegen steigende Zinsen abzusichern. Gewinne aus Swap-Geschäften, die eine andere Handelsgesellschaft wenn auch mit nämlichem Gesellschafterbestand erzielt habe, müsse sich die Klägerin nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt, weil die Veranlassung der Bekanntgabe des von der Klägerin gestellten Güteantrags die Verjährung gehemmt habe.
II.
12Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
131. Die Revision beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, es könne für die Herleitung einer Aufklärungspflicht dahinstehen, ob vor Abschluss der Swap-Verträge am zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen sei. Das trifft nicht zu. Die Verpflichtung der zum Abschluss eines Swap-Vertrags im Zweipersonenverhältnis ratenden Bank, die Einpreisung einer Bruttomarge und deren Höhe zu offenbaren, resultiert nicht als Nebenpflicht aus dem mit dem Swap-Vertrag begründeten Austauschverhältnis. Vielmehr trifft die Bank nur bei Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags diese aus dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Interessenkonflikts folgende Verpflichtung (, BGHZ 189, 13 Rn. 31 ff., vom - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 33 ff., vom - XI ZR 316/13, WM 2015, 575 Rn. 31 und vom - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 24).
142. Verfahrensfehlerhaft hat das Berufungsgericht außerdem soweit man eine Beratungspflichtverletzung unterstellt zur Frage der Kausalität einer Pflichtverletzung unter Verstoß gegen § 286 ZPO entscheidungserhebliches Vorbringen der Beklagten übergangen.
15Bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer unzureichenden Unterrichtung über den anfänglichen negativen Marktwert für den geltend gemachten Schaden ist im Sinne eines gegen die Kausalität der Pflichtverletzung sprechenden Vorbringens die Behauptung beachtlich, der Kunde habe Kenntnis davon gehabt, dass die Bank eine Bruttomarge in die Bedingungen eines Swap-Vertrags einpreise. Denn die Kenntnis von der Realisierung einer Bruttomarge auf diesem Weg ohne Wissen um deren Umfang kann nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen, der Kunde hätte das Swap-Geschäft auch im Falle einer Unterrichtung über die Höhe des eingepreisten anfänglichen negativen Marktwerts abgeschlossen (Senatsurteil vom - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 80 mwN). Die Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin wäre die Verpflichtungen aus den Swap-Verträgen auch dann eingegangen, wenn sie die Höhe der eingepreisten Bruttomarge gekannt hätte. Sie hat für ihre Behauptung Beweis durch Vernehmung eines für die Klägerin an den Verhandlungen mit der Beklagten beteiligten Gesellschafters angeboten. Mit diesem erheblichen Vorbringen hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt.
16Die Verfahrensrüge der Beklagten ist auch unter einem weiteren Aspekt begründet. Kann ein vom Kunden gewünschtes Anlageziel nur mit dem empfohlenen Produkt oder anderen Anlagen mit vergleichbar eingepreister Bruttomarge erreicht werden, kann dies ein Indiz dafür sein, dass das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts mangels vorhandener Alternativen für die Anlageentscheidung unmaßgeblich ist (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 53). Dies hat die Beklagte geltend gemacht, ohne dass sich das Berufungsgericht mit diesem Vortrag befasst hat.
III.
17Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), da es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Eine andere die Verurteilung selbständig tragende Pflichtverletzung der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
IV.
18Der Senat kann nicht zugunsten der Beklagten in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
191. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision kommt ein das Verschulden ausschließender unvermeidbarer Rechtsirrtum der Beklagten nicht in Betracht (, BGHZ 189, 13 Rn. 39 und vom - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 73).
202. Die Beklagte kann sich gegen ihre Inanspruchnahme auch nicht erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen (§ 214 Abs. 1 BGB). Zwar lief die Verjährungsfrist zugunsten der Beklagten eine bloß fahrlässige Pflichtverletzung unterstellt gemäß § 37a WpHG in der bis zum geltenden Fassung in Verbindung mit § 43 WpHG am an und mit Ablauf des ab. Die Veranlassung der Bekanntgabe des von der Klägerin am bei der ÖRA eingereichten Güteantrags hemmte indessen den Ablauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB in der bis zum geltenden Fassung (Senatsurteil vom - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 13 ff.; , WM 2015, 2088 Rn. 22 und - IV ZR 526/14, WM 2015, 2292 Rn. 30).
21Der Güteantrag konkretisierte das nach Auffassung der Klägerin haftungsbegründende Schadensereignis, die fehlerhafte Beratung der Klägerin im Vorfeld des Abschlusses zweier in ihren Bedingungen individuell auf sie abgestimmter und mit einem beträchtlichen finanziellen Volumen ausgestatteter Swap-Verträge, im konkreten Einzelfall entgegen den Beanstandungen der Revision noch ausreichend. Der Angabe, die Klägerin habe "zum Ende der Präsentation die gegenständlichen Swap-Verträge" abgeschlossen, grenzte den Zeitpunkt der schädigenden Handlung hinreichend auf den Zeitraum unmittelbar vor dem genannten "Abschlussdatum" ein. Mittels der Nennung der Vertragsnummern war der Beklagten ein Nachvollzug möglich. Schließlich war das angestrebte Verfahrensziel bezeichnet.
22Innerhalb der mit der Veranlassung der Bekanntgabe der Einstellungsverfügung an die Klägerin (vgl. , WM 2015, 2088 Rn. 26 ff.) angelaufenen Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB hat die Klägerin die Verjährung erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO gehemmt (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 21).
V.
23Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
241. Das Berufungsgericht wird Feststellungen zum Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags nachzuholen haben. Dabei wird es sich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit den Feststellungen des Landgerichts zu befassen haben, zwischen den Parteien sei es am zu einem Gespräch gekommen, anlässlich dessen eine Mitarbeiterin der Beklagten der Klägerin den Abschluss zweier Swap-Verträge empfohlen habe. Das Berufungsgericht wird seiner rechtlichen Bewertung zugrunde zu legen haben, dass in Fällen, in denen der Kunde an die Bank oder die Bank an den Kunden herantritt, um über den Abschluss von Swap-Verträgen beraten zu werden bzw. zu beraten, das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen wird (st. Rspr., vgl. , BGHZ 123, 126, 128, vom - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 23 und vom - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 21).
252. Die aus einem Beratungsvertrag resultierende Verpflichtung zur Aufklärung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts entfällt auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines konnexen Gegengeschäfts. Eine die Aufklärungspflicht ausschließende Konnexität ist nur gegeben, wenn die Parteien wirtschaftlich betrachtet zumindest partiell entweder ein bei der beratenden Bank bestehendes variabel verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein bei der beratenden Bank bestehendes Festzinsdarlehen in ein synthetisch variabel verzinsliches Darlehen umwandeln (Senatsurteil vom - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 26 ff.). Nur dann, wenn die beratende Bank nicht nur Vertragspartnerin des Swap-Vertrags, sondern auch Darlehensgeberin des Kunden ist, muss der Kunde bei normativ-objektiver Betrachtung damit rechnen, dass die Bank nicht nur mit dem Darlehensgeschäft, sondern auch mit dem wirtschaftlich einer Änderung der Bedingungen des Darlehensvertrags gleichkommenden Swap-Geschäft eigennützige Interessen verfolgt, die über das Interesse in Höhe der Zinsdifferenz bei ihr günstigem Verlauf der Zinswette hinausgehen. Hier war die Klägerin nicht Darlehensnehmerin der Beklagten.
263. Das Berufungsgericht wird außerdem davon auszugehen haben, dass, was die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, der Informationspflichtige dem Geschädigten grundsätzlich nicht nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten kann, er habe den Angaben nicht vertrauen dürfen und sei deshalb für den entstandenen Schaden mitverantwortlich (, BGHZ 189, 13 Rn. 41 und vom - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 37). Sollten für die Klägerin Handelnde dem Grunde nach gewusst haben, dass die Beklagte eine Bruttomarge in die Swap-Verträge einpreisen werde, ist dies entgegen der Rechtsmeinung der Revision kein Aspekt, der nach § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen wäre. Er kann allenfalls bei der Kausalität der Pflichtverletzung oder im Rahmen von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Rolle spielen.
274. Das Berufungsgericht wird keinen Anlass haben, Vorteile einer anderen Handelsgesellschaft mit dem nämlichen Gesellschafterbestand aus Swap-Verträgen mit der Beklagten zulasten der Klägerin im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind diejenigen Vorteile zuzurechnen, die dem Geschädigten in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (Senatsurteil vom - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 85 mwN). Daran fehlt es hier.
Ellenberger Joeres Matthias
Menges Dauber
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:120716UXIZR150.15.0
Fundstelle(n):
KAAAF-82157