Inhaltliche Gestaltung innerbetrieblicher Ausschreibungen von Arbeitsplätzen bei beabsichtigtem Einsatz von Leiharbeitnehmern
Gesetze: § 93 BetrVG
Instanzenzug: ArbG Lübeck Az: 1 BV 23/13 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 2 TaBV 3/14 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über inhaltliche Anforderungen an innerbetriebliche Ausschreibungen von Arbeitsplätzen, die kurzzeitig mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen.
2Die Arbeitgeberin stellt in ihrem Betrieb in G Scheibenbremsbeläge her. Sie beschäftigt ca. 900 Mitarbeiter und eine wechselnde Zahl von Leiharbeitnehmern. Antragsteller ist der in diesem Betrieb gewählte Betriebsrat.
3In einer am geschlossenen - kraft Vereinbarung nachwirkenden - Betriebsvereinbarung „Stellenausschreibungen“ (BV 1994) haben die Beteiligten ua. geregelt:
4In der - gleichfalls kraft Vereinbarung nachwirkenden - Betriebsvereinbarung vom „Auswahlrichtlinien“ (BV 2003) heißt es ua.:
5Eine am geschlossene Betriebsvereinbarung „Einstellung befristet beschäftigter Mitarbeiter bzw. Zeitarbeitskräfte bei der H“ (BV 2013) lautet auszugsweise:
6Auf ein entsprechendes Verlangen des Betriebsrats schreibt die Arbeitgeberin Arbeitsplätze, die vorübergehend mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen, innerhalb des Betriebs aus. In den vom Betriebsrat zur Akte gereichten „Ausschreibungen“ für „den Monat November“ (2012), „den Monat Dezember“ (2012) und „ab Beginn Januar 2013 bis Ende März 2013“ wies sie darauf hin, dass das Einstellungsverfahren über ein internes Einstellungsportal für Zeitarbeitskräfte erfolgt und Interessenten sich direkt bei den Personaldienstleistungsunternehmen zu bewerben haben oder gebeten werden, mit einem der - näher benannten - Personaldienstleistungsunternehmen Kontakt aufzunehmen.
7Mit dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat diese Ausschreibungspraxis beanstandet und die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, in den Stellenausschreibungen nicht nur die Möglichkeit einer Bewerbung bei den Leiharbeitsunternehmen aufzuzeigen, sondern auch die einer Bewerbung direkt bei ihr. Dies folge aus Sinn und Zweck einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung nach § 93 BetrVG und darüber hinaus aus diversen Betriebsvereinbarungen.
8Der Betriebsrat hat zuletzt - soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - beantragt
9Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
10Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landearbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat den Antrag weiter.
11B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats gegen die sein Feststellungsbegehren abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
12I. Der Antrag ist in seiner gebotenen Auslegung zulässig.
131. Der Betriebsrat bezieht die erstrebte Feststellung nach dem Wortlaut und seinen Ausführungen nur auf die Ausschreibung solcher Stellen, die die Arbeitgeberin von vornherein mit Leiharbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Ausgehend von den aufgezeigten Anlassfällen handelt es sich dabei um für die Dauer von bis zu drei Monaten zu besetzende Arbeitsplätze. Inhaltlich hat der Betriebsrat klargestellt, dass es ihm darum geht, die Ausschreibung dieser Stellen dürfe sich nicht auf die Angabe beschränken, Stelleninteressenten würden als Leiharbeitnehmer beschäftigt und hätten sich bei den angegebenen Verleihunternehmen zu bewerben. Damit zielt sein Begehren auf eine Abfassung der Stellenausschreibung dergestalt, dass die Bewerbung eines Stelleninteressenten - zumindest auch - an die Arbeitgeberin gerichtet werden kann, mit welcher bei entsprechender Auswahlentscheidung der Vertragsschluss erfolgt.
142. Mit diesem Verständnis ist der Antrag zulässig. Er genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Verfahrensgegenstand ist hinreichend konkret umschrieben, so dass der Umfang der Rechtskraftwirkung bei einer Antragsstattgabe oder -abweisung nicht zweifelhaft bleibt. Auch die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Die Verpflichtung zu einer bestimmten inhaltlichen Gestaltung einer Stellenausschreibung betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis, an dessen alsbaldiger Feststellung der Betriebsrat ein berechtigtes Interesse hat, weil die Arbeitgeberin eine solche in Abrede stellt.
15II. Der Antrag ist unbegründet. Die Arbeitgeberin ist weder nach § 93 BetrVG noch nach den geschlossenen Betriebsvereinbarungen verpflichtet, die Stellenausschreibungen inhaltlich in der vom Betriebsrat beanspruchten Art und Weise zu gestalten.
161. Eine solche Pflicht folgt nicht aus § 93 BetrVG.
17a) Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Ein solches - auf alle Arbeitsplätze bezogenes - Verlangen hat der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin angebracht. Die durch das Verlangen ausgelöste Ausschreibungspflicht bezieht sich etwa auch auf Arbeitsplätze, die mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen und deren Einsatzzeit zumindest vier Wochen betragen soll (vgl. - Rn. 19 ff.).
18b) Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zu der erstrebten inhaltlichen Ausgestaltung der innerbetrieblichen Ausschreibung von Arbeitsplätzen lässt sich § 93 BetrVG nicht entnehmen.
19aa) Das Gesetz enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen dazu, welche Anforderungen an Inhalt, Form und Frist einer Ausschreibung sowie deren Bekanntmachung zu stellen sind. Die konkrete Ausgestaltung obliegt dem Arbeitgeber. Näheres kann in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden; ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat insoweit nicht. Die Mindestanforderungen an Inhalt und Form einer Ausschreibung ergeben sich aus ihrem Zweck. Dieser geht dahin, die zu besetzende Stelle den in Betracht kommenden Arbeitnehmern zur Kenntnis zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Interesse an der Stelle kundzutun und sich darum zu bewerben. Außerdem soll möglichen Bedenken innerhalb der Belegschaft über die Anstellung bisher betriebsfremder Personen trotz im Betrieb vorhandener qualifizierter Arbeitnehmer entgegengewirkt werden (vgl. - zu B II 1 c der Gründe). Aus der Ausschreibung muss daher hervorgehen, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen muss ( - Rn. 17).
20bb) Bei Arbeitsplätzen, die der Arbeitgeber mit Leiharbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt, gehört es nicht zu den (Mindest-)Anforderungen einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung iSv. § 93 BetrVG, die Möglichkeit aufzuzeigen, die Bewerbung an den Arbeitgeber zu richten, um mit diesem (bei entsprechender Auswahlentscheidung) einen (geänderten) - und nach der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung kurzzeitig befristeten - Vertrag zu schließen. Für dieses Ergebnis streitet bereits der Wortlaut des § 93 BetrVG: Innerhalb des Betriebs auszuschreiben ist der „Arbeitsplatz“, nicht das „Arbeitsverhältnis“. Auch ist dem Normzweck des § 93 BetrVG genügt, wenn betriebsintern bekannt gemacht wird, dass im Betrieb zu besetzende Arbeitsplätze existieren, selbst wenn der Arbeitgeber selbst kein Arbeitsverhältnis begründen will. Die betriebsinterne Offerte eines mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzenden Arbeitsplatzes kann für Vertragsbeschäftigte der Arbeitgeberin eine Möglichkeit zur Bewerbung bieten, etwa wenn deren befristete Arbeitsverhältnisse enden oder bei einer Teilzeitbeschäftigung Interesse an einem weiteren Arbeitsverhältnis mit einem Verleihunternehmen besteht. Darüber hinaus kann sie bereits im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer ansprechen.
21cc) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen gegenüber bestimmten besonders geschützten Arbeitnehmergruppen eingeschränkt sein kann. So gewährt § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX den im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern und den ihnen Gleichgestellten gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die bisher zugewiesenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, kann dieser unter den in § 81 Abs. 4 SGB IX genannten Voraussetzungen eine anderweitige Beschäftigung und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht erfasst, eine entsprechende Vertragsänderung verlangen und durchsetzen. Dies kann zu einem Vorrang des durch § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX geschützten Arbeitnehmers bei der Besetzung des einem Leiharbeitnehmer zugedachten Arbeitsplatzes führen. Ebenso kann der Arbeitgeber aufgrund der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gehalten sein, Arbeitnehmern, die aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht mehr imstande sind, die ihnen nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesene Arbeitsleistung zu erbringen, innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung sie noch in der Lage sind. Daher kann der Arbeitgeber auch insoweit verpflichtet sein, einen freien Arbeitsplatz mit einem bereits beschäftigten leistungsgeminderten Arbeitnehmer zu besetzen, wenn ihm die Neubestimmung der auszuübenden Tätigkeit rechtlich möglich und zumutbar ist (vgl. zu all dem - Rn. 24 mwN). Diese Einschränkung bei der Besetzungsentscheidung bedingt aber keine generelle Pflicht, eine Stellenofferte iSv. § 93 BetrVG in der vom Betriebsrat verlangten Art und Weise abzufassen. Dies beträfe allenfalls einen solchen Arbeitsplatz, bei dessen Besetzung ein besonders geschützter Arbeitnehmer einen „Vorrangschutz“ gegenüber einem Leiharbeitnehmer genösse. Darauf bezieht sich die Feststellung der streitbefangenen Verpflichtung aber nicht.
222. Die verlangte inhaltliche Gestaltung der innerbetrieblichen Stellenausschreibung folgt weiterhin nicht aus den vom Betriebsrat herangezogenen nachwirkenden BV 1994 und BV 2003.
23a) Mit der BV 1994 haben die Betriebsparteien die Ausschreibungspflicht des § 93 BetrVG inhaltlich näher ausgestaltet. Ziff. 2 BV 1994 betrifft den Umfang der Ausschreibungspflicht. In Ziff. 5 BV 1994 sind die Mindestangaben einer Stellenausschreibung aufgelistet. So muss etwa nach Ziff. 5 Buchst. g BV 1994 die Stellenausschreibung „die Angabe der Stelle“ enthalten, „die die Bewerbungen entgegen nimmt“. Dem kommt die Arbeitgeberin nach. Entsprechend beanstandet der Betriebsrat auch insoweit die praktizierten Stellenausschreibungen nicht. Er verlangt vielmehr über die in Ziff. 5 BV 1994 festgelegten Angaben die Bekundung, dass neben der Möglichkeit einer Bewerbung bei einem anderen Arbeitgeber, dem Verleihunternehmen, eine solche bei der Arbeitgeberin als Vertragspartnerin besteht. Diese Anforderung folgt entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht aus Ziff. 7.1 BV 1994. Satz 1 der Bestimmung setzt eine Stellenausschreibung voraus. Satz 2 und Satz 3 der Bestimmung treffen reine Vertraulichkeitsregelungen und begründen keine Pflicht der Arbeitgeberin, Stellen, die sie mit Leiharbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt, so auszuschreiben, dass eine Bewerbung bei ihr und ein Vertragsschluss mit ihr offeriert werden.
24b) Aus der BV 2003 ergeben sich keine weiteren, über die BV 1994 hinausgehenden inhaltlichen Anforderungen an innerbetriebliche Stellenausschreibungen. Die BV 2003 setzt eine Konkurrenzsituation mehrerer interner und ggf. externer Bewerbungen voraus. Für diese Konstellation haben die Betriebsparteien Auswahlgrundsätze aufgestellt und beispielsweise nach Ziff. 6.1 BV 2003 innerbetrieblichen Bewerbungen Vorrang vor externen eingeräumt, wenn die innerbetrieblichen Bewerber und Bewerberinnen eine für die ausgeschriebene Position befriedigende Qualifikation haben. Dies setzt das Bestehen einer Bewerberkonkurrenz voraus und entfaltet keine „Vorwirkung“ auf die inhaltliche Ausgestaltung der Stellenofferte. Vor allem aber betrifft die BV 2003 die Fallgestaltung, dass die Arbeitgeberin Stellen - intern oder extern - als Vertragsschließende anbietet. Für die vom Betriebsrat angenommene Einschränkung der Arbeitgeberin in ihrer unternehmerischen Freiheit dahingehend, dass sie jegliche Stellen (zumindest auch) als Vertragspartnerin anzubieten hat, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten in der BV 2003.
253. Ein Anspruch auf die vom Betriebsrat begehrte inhaltliche Ausgestaltung der Stellenausschreibungen folgt schließlich nicht aus der BV 2013. Diese BV betrifft zwar - wie insbesondere ihre Ziff. 9 („Zeitarbeitskräfte von … Verleiher“) zeigt - ua. die Einstellung von Leiharbeitnehmern. Insoweit haben die Betriebsparteien mit Ziff. 8 Satz 2 bis Satz 4 BV 2013 in einem näher ausgestalteten Umfang Besetzungsregeln aufgestellt. Das Begehren des Betriebsrats bezieht sich aber nicht auf die Ausschreibungen von Arbeitsplätzen, die einen Arbeitskräftebedarf iSv. Ziff. 8 Satz 2 oder Satz 3 BV 2013 betreffen. Bei dem in der Rechtsbeschwerde noch anfallenden Antrag geht es um die inhaltliche Gestaltung von Ausschreibungen von für eine Dauer von bis zu drei Monaten zu besetzenden Arbeitsplätzen. Nur auf solche Anlassfälle hat der Betriebsrat bei seinem in der Rechtsbeschwerde noch streitbefangenen Anspruch abgehoben. Die von ihm herangezogenen Ausschreibungen von längerfristig zu besetzenden Arbeitsplätzen betrafen andere - in der Rechtsbeschwerde nicht mehr anfallende - Verlangen einer inhaltlichen Gestaltung der Stellenofferten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:070616.B.1ABR33.14.0
Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2356 Nr. 39
DB 2016 S. 2551 Nr. 43
NJW 2016 S. 10 Nr. 40
NAAAF-82143