BFH Beschluss v. - II B 95/15

Keine freigebige Zuwendung des Erblassers mangels Verzichts auf einen Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern

Leitsatz

Eine freigebige Zuwendung des Erblassers an seine Lebenspartnerin als Erwerb von Todes wegen oder als Schenkung auf den Todesfall liegt nicht vor, wenn die Versicherungssumme aus einem vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag bei dessen Ableben an eine Bank ausgezahlt wird, damit ein vom Erblasser und der Lebenspartnerin gesamtschuldnerisch aufgenommenes Darlehen getilgt wird und der Erblasser nicht auf seinen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB gegen die Lebenspartnerin verzichtet hat.

Gesetze: BGB § 426 Abs. 2 Satz 1, ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 2, ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Revision ist weder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) noch zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) oder wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

3 1. Die durch den Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) vorgebrachte grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.

4 a) Die Rechtsfrage, welche Voraussetzungen bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall an einen Erwerb von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu stellen sind, hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet ist, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten (im Streitfall die Klägerin und Beschwerdegegnerin —Klägerin—) erst beim Tode des Erblassers (Zuwendenden) eintritt. Insofern besteht eine vergleichbare Rechtslage wie beim Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall. Die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setzt voraus, dass der Dritte aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode unmittelbar einen Vermögensvorteil erhält, welcher im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist nur erfüllt, wenn die Zuwendung zu einer objektiven Bereicherung beim Zuwendungsempfänger geführt hat und der Erblasser insoweit das Bewusstsein der Freigebigkeit hatte (, BFHE 197, 265, BStBl II 2002, 153; vom II R 8/07, BFH/NV 2008, 572, und vom II R 29/11, BFHE 243, 385, BStBl II 2014, 261).

5 Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG u.a. deshalb verneint, weil die Befriedigung der Bank aus der Lebensversicherung des Erblassers aufgrund dessen Todes als Eintritt des Sicherungsfalls für die durch den Erblasser und die Klägerin gesamtschuldnerisch aufgenommenen Darlehen dazu geführt hat, dass die Forderung der Bank gegen die Klägerin auf die Eltern des Erblassers als dessen gesetzliche Erben (§ 1925 Abs. 1 i.V.m. § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—) übergegangen ist. Ein Verzicht des Erblassers auf den Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern (§ 426 Abs. 2 Satz 1 BGB) liege nach den Umständen des Streitfalls nicht vor. Dabei handelt es sich um eine tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall, welche als Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung in einem möglichen Revisionsverfahren auch nur daraufhin zu prüfen wäre, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. , BFH/NV 2016, 1060). Ein derartiger Verstoß ist aber weder dargelegt noch ersichtlich. Insoweit ist unerheblich, dass das FA den Sachverhalt in Bezug auf den Verzicht des Erblassers auf den Ausgleichsanspruch anders als das FG würdigt. Nicht zu entscheiden in diesem Zusammenhang hatte das FG, ob in einem (späteren) Verzicht durch die Eltern des Erblassers auf den Ausgleichsanspruch gegenüber der Klägerin eine freigebige Zuwendung der Eltern an die Klägerin gesehen werden könnte.

6 b) Aus demselben Grund ist nicht klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen die Abtretung von Versicherungsansprüchen und die Schuldübernahme durch Eintritt des Versicherungsfalls unter eines möglichen Verzichts auf Rückgriffsansprüche den Tatbestand einer Schenkung auf den Todesfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG erfüllen. Insoweit ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des steuerlichen Zuwendungstatbestands erfüllt sein müssen, insbesondere, dass die Zuwendung zu einer Bereicherung führt und die Beteiligten sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind (, BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181). Außerdem hat der BFH bezüglich eines Rückgriffsanspruchs eines Bürgen bereits entschieden, dass die Leistung des Bürgen aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung nur ausnahmsweise als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner gesehen werden kann, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner von dem Bürgen endgültig von der gegen ihn weiterhin bestehenden Forderung befreit werden soll und im Übrigen die Übernahme einer Bürgschaft als solche keine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt (, BFHE 192, 118, BStBl II 2000, 596).

7 Auf der Grundlage dieser höchstrichterlichen Grundsätze hat das FG im Streitfall den Schluss gezogen, dass aufgrund der Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung des Erblassers an die Bank zur Sicherung der gesamtschuldnerischen Darlehensverpflichtung keine freigebige Zuwendung an die Klägerin zu sehen ist, weil der Erblasser nicht auf seinen Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB verzichtet hat. Dabei handelt es sich —wie bereits ausgeführt— um eine Würdigung des Einzelfalls, die in einem möglichen Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar wäre.

8 2. Aus diesen Gründen scheidet auch eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) als speziellem Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (, BFH/NV 2016, 223) aus.

9 3. Soweit das FA als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO einen Verstoß gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) geltend macht, führt auch dieser nicht zur Zulassung der Revision. Das Urteil kann nicht auf diesem Verfahrensmangel beruhen.

10 Das FA rügt, das FG habe ausgeführt, dass es von einer Freigebigkeit der Zuwendung des Erblassers an die Klägerin in Bezug auf die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank nicht überzeugt sei, da die Abtretung im Wesentlichen dem Sicherungsinteresse der Bank gedient habe. Aus den Akten sei aber ersichtlich, dass der Erblasser durch die Abtretung seiner Lebensversicherungsansprüche die Klägerin auch finanziell habe schützen wollen. Das FG hat jedoch im Grunde bereits die objektive Bereicherung der Klägerin aufgrund der Abtretung und der Inanspruchnahme der Sicherheit verneint, da der Erblasser nicht auf seinen Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB verzichtet hat. Da das FG seine Auffassung, dass die Voraussetzungen eines Erwerbs von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht vorliegen, auf zwei selbständig tragende Begründungen gestellt hat und hinsichtlich der Begründung zur fehlenden Bereicherung der Klägerin keine Revisionszulassungsgründe gegeben sind, beruht das Urteil nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 29/13, BFH/NV 2013, 1800, und vom IV B 115/13, BFH/NV 2015, 1256).

11 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

12 5. Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 1569 Nr. 11
DStZ 2016 S. 769 Nr. 20
UVR 2016 S. 336 Nr. 11
BAAAF-81418