Instanzenzug: Az: 10 Ca 314/14 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 6 Sa 1511/14 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder Gleichbehandlung.
2Die zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene „Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom “ (im Folgenden GBV) lautet auszugsweise:
3Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten angestellt. Er ist als Standard Warehouse Agent der Vergütungsgruppe 2 zugeordnet. Die Beklagte erhöhte sein Gehalt im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 2,5 % und im Jahr 2013 um 2,0 %. Im Jahr 2014 erhielt weder der Kläger noch ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten eine Gehaltserhöhung.
4Die Bandunter- und Bandoberlinien wurden im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 1,5 %, im Jahr 2013 um zumindest 2,0 % - nach dem Behaupten der Beklagten um 2,5 % - und im Jahr 2014 um 2 % erhöht.
5Mit der vorliegenden, mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Erhöhung seines Grundgehalts ab entsprechend der im Jahr 2014 vorgenommenen Erhöhung der Bandlinien verlangt. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, künftig Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Bandlinienerhöhung vorzunehmen. Er hat geltend gemacht, nach den Regelungen der GBV habe einer Bandlinienerhöhung zwingend eine Anhebung der Grundgehälter in gleicher Höhe zu folgen. Bei einem anderen Verständnis verstießen die Regelungen der GBV gegen § 2 KSchG und § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien verschlechtere. Dies stelle einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar. Zudem führe eine andere Sichtweise zur Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft würden. Solche Mitarbeiter würden besser behandelt, weil ihr Gehalt entsprechend der Bandlinienerhöhung anzupassen sei, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden. Der Anspruch auf Gehaltserhöhung folge zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe durch die wiederholte Anhebung des Grundgehalts entsprechend der Erhöhung der Bandlinien einen Vertrauenstatbestand gesetzt, künftig in gleicher Weise zu verfahren.
6Der Kläger hat zuletzt beantragt,
7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die GBV sehe lediglich eine jährliche Überprüfung der Grundgehälter vor. Aus einer Erhöhung des Grundgehalts folge zwar die Verpflichtung, die Bandlinien zu erhöhen, aus einer Bandlinienerhöhung ergäben sich aber keine Konsequenzen für die Entwicklung der Gehälter.
8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Gründe
9Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen und die Klage, wie zwar nicht ausdrücklich tenoriert, aber den Entscheidungsgründen zu entnehmen, im Übrigen insgesamt abgewiesen.
10I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung ab um 2 % und auf künftige Gehaltserhöhungen im Umfang der jeweiligen Erhöhung der Bandlinien. Er kann deshalb weder weitere Zahlungen für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 noch die beantragten Feststellungen verlangen.
111. Die Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem begründet keine Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers entsprechend der Bandlinienerhöhung anzuheben. Ein Anspruch folgt weder aus 3.3 GBV noch aus 4.3 GBV. Dies ergibt die Auslegung der GBV (zu den Auslegungsregeln vgl. st. Rspr.: - Rn. 26; - 1 AZR 853/13 - Rn. 22).
12a) Nach 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV sind die Bandober- und Bandunterlinien jährlich um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres anzupassen. Damit steht der Wortlaut der Regelung der vom Kläger vertretenen Auslegung entgegen, Gehaltserhöhungen seien im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. 3.3 Satz 2 GBV regelt ausdrücklich die Erhöhung der Bandlinien in Abhängigkeit von der Erhöhung der Grundgehälter. Bandlinienerhöhungen sind als Folge von Gehaltserhöhungen zu vollziehen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen. Dem entspricht die Formulierung in 3.3 Satz 1 GBV, Bandober- und Bandunterlinien sind jährlich anzupassen. Bezugsgröße der Bandlinienanpassung ist nach 3.3 Satz 2 GBV stets der Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres. Unterbleibt eine Gehaltserhöhung, ist eine „Anpassung“ der Bandlinien hinfällig. Ein anderes Verständnis führte nicht zu einem sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnis. Die vom Kläger vertretene Auslegung setzte bei einmaliger Erhöhung der Grundgehälter einen Kreislauf in Gang, indem die Bandlinien entsprechend der Erhöhung der Grundgehälter und die Grundgehälter entsprechend den Bandlinien zu erhöhen wären. Hierfür bietet die GBV keinen Anhaltspunkt.
13b) Aus 4.3 Satz 1 GBV ließe sich allenfalls ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation herleiten, nicht aber auf Erhöhung der Grundgehälter (vgl. - zu I 1 b der Gründe). Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV.
14aa) Der - wie die Beklagte - nicht tarifgebundene Arbeitgeber bestimmt autonom das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und entscheidet über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens. Mangels Tarifgebundenheit leistet er sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (vgl. - Rn. 21, BAGE 127, 297). Lediglich für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daher ist die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Allerdings kann der Arbeitgeber freiwillig gegenüber dem Betriebsrat eine Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen oder insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Dies kann in einer eigenen freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG oder im Rahmen einer ansonsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmten Betriebsvereinbarung geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht gebotenen und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber gerade im letztgenannten Fall deutlich zum Ausdruck kommen ( - zu B II 2 b aa der Gründe; - 1 AZR 376/10 - Rn. 13).
15bb) Ein Wille der Beklagten, sich bei der Gehaltshöhe ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu begeben, kommt in der GBV nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV bestimmen lediglich, dass der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen sei. Die Regelung lässt sich nahtlos in die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben einfügen, indem angenommen wird, die Abstimmung nach 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV sei nur im Fall einer von der Beklagten zuvor getroffenen Erhöhungsentscheidung vorzunehmen und diene lediglich ihrer Umsetzung. Hierfür spricht auch die Unbestimmtheit des nach 4.3 Satz 3 GBV bei der Abstimmung ua. heranzuziehenden Kriteriums „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ (vgl. - zu B II 2 b bb der Gründe). Wie diese Lage zu bestimmen ist und bei welcher Lage eine Gehaltserhöhung vorzunehmen wäre, regelt die GBV nicht.
16cc) Erst Recht ergibt sich aus 4.3 GBV kein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Bandlinien und der Erhöhung der Grundgehälter. Die Erhöhung der Bandlinien ist in 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV nicht als Kriterium genannt.
17c) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfordert keine Erhöhung der Grundgehälter als Folge einer Bandlinienanpassung. Diese Bestimmung schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht davor, dass sich bei gleichbleibender Vergütungshöhe die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien ändert.
18aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt ( - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13).
19bb) Die GBV regelt Entlohnungsgrundsätze. Sie stellt in 3.3 GBV und 4.3 GBV mit der Zuordnung bestimmter Funktionen zu Gehaltsbändern abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung auf (vgl. - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13). Die Entgeltordnung selbst ordnet die Anpassung des Gehaltsbands als Folge der Entgelterhöhung des Vorjahres an. Damit steht die Position des Grundgehalts des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb der Bandlinie unter dem Vorbehalt der Anpassung der Bandlinien an Gehaltserhöhungen. Die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, unterliegt, wie bereits ausgeführt, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Deshalb kann sich eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus dem Fehlen einer die Beklagte verpflichtenden Regelung ergeben.
20d) Die Regelungen der GBV sind mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) vereinbar.
21aa) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck ( - Rn. 15; - 1 AZR 406/13 - Rn. 24). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten ( - Rn. 18; - 1 AZR 595/14 - Rn. 20).
22bb) Eine Gruppenbildung, die zwischen neu eingestellten und länger beschäftigten Arbeitnehmern differenziert, nimmt die GBV nicht vor. Sonderregelungen enthält die GBV lediglich in 4.1 Satz 2 für „Funktionseinsteiger“ und 9.1 bis 9.3 für Überschreiter. Unterstellte man zugunsten des Klägers, die GBV sähe bei nach einer Gehaltserhöhung auf der Bandunterlinie eingestuften Mitarbeitern, wenn diese als Folge der Bandlinienanpassung nach 3.3 GBV aus der Bandlinie „herausfielen“, eine Gehaltserhöhung vor, gölte dies gleichermaßen für alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Mitarbeiter deren Gehalt, wie das des Klägers, auch nach der Bandlinienanpassung im Rahmen des Entgeltkorridors liegt, befänden sich mit diesen Mitarbeitern nicht in einer vergleichbaren Lage. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt deshalb nicht in Betracht.
23e) Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Bandlinien ohne entsprechende Erhöhung der Grundgehälter verstößt weder gegen § 2 KSchG noch führt sie zu dessen Umgehung.
24aa) 3.3 GBV und 4.3 GBV haben keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers zur Folge. Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 KSchG tritt allein bei einer Veränderung der Vertragsbedingungen ein. § 2 Satz 1 KSchG greift nur ein, wenn die Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen ist. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen ( - Rn. 14, BAGE 140, 328). Eine bestimmte Position der Vergütung des Klägers innerhalb der Bandlinien haben die Parteien nicht vereinbart. Sie ergibt sich lediglich als Reflex der GBV und hat nicht den Status einer Vertragsbedingung.
25bb) § 2 KSchG wird durch 3.3 GBV und 4.3 GBV nicht umgangen. Diese Regelungen greifen nicht in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt. Die nach den Bestimmungen der GBV unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen stehende Position des Klägers innerhalb der Bandlinien berührt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht.
262. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.
27a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden ( - Rn. 43).
28b) Die Voraussetzungen der Entstehung einer betrieblichen Übung sind danach nicht erfüllt.
29aa) Es sind keine Umstände gegeben, aus denen geschlossen werden könnte, die Beklagte habe in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen als Folge von und gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen. Allein die Übereinstimmung der Erhöhungssätze in einzelnen Jahren lässt einen solchen Schluss nicht zu. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte musste der Kläger Bandlinienerhöhungen als Umsetzung der Regelungen in 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV verstehen, dh. als Folge von Gehaltserhöhungen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen.
30bb) Die vom Kläger vertretene Auslegung der GBV, nach 3.3 GBV, 4.3 GBV seien Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen, führte zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, Gehaltserhöhungen gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen, stellte dies lediglich einen vermeintlichen Normenvollzug dar, der nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führte (vgl. - Rn. 60; - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).
31cc) Mit den Gehaltserhöhungen der Jahre 2011 bis 2013 für sich genommen, hat die Beklagte ebenfalls keine betriebliche Übung begründet.
32(1) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: - Rn. 14; - 4 AZR 990/13 - Rn. 21). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (vgl. - Rn. 15; - 4 AZR 990/13 - Rn. 22).
33(2) Danach hat die Beklagte durch die freiwilligen Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit, selbst wenn man unterstellt, sie habe diese parallel zu den Bandlinienerhöhungen vorgenommen, keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger die geltend gemachten Ansprüche stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Erhöhungspraxis der vergangenen Jahre hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sich unter Aufgabe ihrer Entscheidungsfreiheit auf Dauer zu Erhöhungen zu verpflichten. Gegen einen Verpflichtungswillen der Beklagten spricht zudem 4.3 GBV. Aufgrund der Regelung konnte der Kläger nicht annehmen, sein Gehalt würde fortlaufend jährlich erhöht. Er musste vielmehr davon ausgehen, die Beklagte habe sich von Jahr zu Jahr nach einer Überprüfung zu Erhöhungen entschlossen.
343. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
35a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus. Im Bereich der Vergütung findet der Grundsatz Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt ( - Rn. 22, BAGE 149, 78; - 5 AZR 6/13 - Rn. 19, BAGE 149, 69). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers ( - Rn. 57, BAGE 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung ( - Rn. 22, aaO; - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, aaO).
36b) Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet.
37aa) Die Beklagte hat im Jahr 2014 ihren Arbeitnehmern, auch den neu eingestellten, keine Gehaltserhöhungen gewährt. Eine Ungleichbehandlung, die einen Anspruch des Klägers begründen könnte, scheidet deshalb aus.
38bb) Selbst wenn man unterstellt, nach den Regelungen der GBV sei das Gehalt von Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft wurden, anzupassen, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden und die Beklagte habe entsprechende Erhöhungen vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet. Der bloße - ggf. vermeintliche - Normvollzug enthält keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Eine solche trifft der Arbeitgeber erst dann, wenn er freiwillig, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinaus Leistungen gewährt ( - Rn. 20, BAGE 148, 139; - 5 AZR 6/13 - Rn. 21, BAGE 149, 69).
39II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:270416.U.5AZR315.15.0
Fundstelle(n):
NAAAF-80361