BVerwG Beschluss v. - 1 B 78/16

Rücknahme einer Einbürgerung

Leitsatz

Die Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG (juris: RuStAG) muss unabhängig von ihrer Einordnung als lediglich formelle oder als materielle Einbürgerungsvoraussetzung hinsichtlich der in ihr enthaltenen Tatsachenerklärungen der Sache nach vollständig und wahrheitsgemäß abgegeben werden.

Gesetze: § 10 Abs 1 Nr 1 RuStAG, § 11 S 1 Nr 1 RuStAG, § 35 RuStAG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 19 A 2330/11 Urteilvorgehend Az: 10 K 6275/10 Urteil

Gründe

1Die auf eine Grundsatz- und eine Divergenzrüge gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

21. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ( 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

4Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, ob die für die Einbürgerung erforderliche Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG formellen oder materiellen Charakter hat. Denn eine lediglich formell verstandene Loyalitätserklärung könne nicht Bezugspunkt einer arglistigen Täuschung sein, wie sie dem Kläger hier vorgeworfen werde.

5Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision, da sie sich im vorliegenden Verfahren nicht stellt. Zwar trifft es zu, dass unterschiedliche Auffassungen zur inhaltlichen Reichweite einer Loyalitätserklärung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG vertreten werden, wie sie das Berufungsgericht zutreffend wiedergibt (UA S. 26). Jedoch muss die Loyalitätserklärung unabhängig von ihrer Einordnung als lediglich formelle oder als materielle Einbürgerungsvoraussetzung jedenfalls hinsichtlich der in ihr enthaltenen Tatsachenerklärungen der Sache nach vollständig und wahrheitsgemäß abgegeben werden (vgl. Berlit, in: GK-StAR, § 10 StAG, Stand Oktober 2014, Rn. 135, 149). Wahrheitswidrige Erklärungen eines Einbürgerungsbewerbers zu den Ausschlussgründen des § 11 StAG können die Rücknahme der Einbürgerung rechtfertigen (vgl. Berlit, ebd. Rn. 154). Dies folgt unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Klärung. Hierauf hat das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt. Es hat die festgestellten Tatsachen dahin gewürdigt, dass der Kläger eine wahrheitswidrige Erklärung zur Unterstützung von Bestrebungen abgegeben hat, die seiner Einbürgerung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegenstehen.

62. Eine zur Revisionszulassung führende Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

7Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. 1 B 3.15 - juris Rn. 7 m.w.N.). Die nach Auffassung des Beschwerdeführers divergierenden Rechtsätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder unter anderem das Bundesverfassungsgericht in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

8So liegt der Fall hier. Die Beschwerde bezieht sich zunächst auf das - BVerfGE 116, 24 <45>), das die Rücknahme einer Einbürgerung für vereinbar mit Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG erklärt, wenn sie rechtswidrig ist und durch Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten erwirkt wurde. Sie benennt aber keinen hierzu im Widerspruch stehenden vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz. Das gleiche gilt für die beiden in der Beschwerde zitierten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Die Beschwerde wendet sich vielmehr gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Bejahung eines Täuschungsvorsatzes des Klägers. Hiermit kann sie die Zulassung der Revision indes nicht erreichen.

93. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 42.2 Streitwertkatalog.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2016:040716B1B78.16.0

Fundstelle(n):
UAAAF-79061