BGH Beschluss v. - VI ZR 139/15

Instanzenzug:

Gründe

I.

1Mit dem beanstandeten Urteil vom hat der Senat die Revision der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des zurückgewiesen und die Revision der Beklagten zu 1 gegen das vorbezeichnete Urteil als unzulässig verworfen. Das Berufungsgericht hat die Revision nur für die Beklagte zu 2 zugelassen. Das Urteil des Berufungsgerichts ist der Beklagten am zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom , bei Gericht eingegangen am , hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten namens und im Auftrag der Beklagten zu 2 gegen das Berufungsurteil die - zugelassene - Revision eingelegt und namens der Beklagten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.

2Mit Schriftsatz vom hat sie beantragt,

1.

die Revision - auch der Erstbeklagten - gegen das Berufungsurteil zuzulassen,

2.

auf die Revisionen der Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben und nach den Schlussanträgen II. Instanz zu erkennen, hilfsweise das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

3In der Verhandlung vom hat der Vorsitzende des Senats im Protokoll festgestellt, dass die Formalien geprüft seien und Beanstandungen sich nicht ergeben hätten. Die Prozessbevollmächtigte der Revisionskläger stellte - abweichend von ihrem angekündigten Antrag - zunächst den Antrag zu 2 und hilfsweise den Antrag zu 1 aus dem Schriftsatz vom . Danach zog sich der Senat zur Beratung zurück. Nach Beratung über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 hat der Senat diese auf Kosten der Beklagten zu 1 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden. Nach weiterer Beratung hat der Senat am das beanstandete Urteil verkündet, das der Prozessbevollmächtigten am zugestellt worden ist.

4Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom , bei Gericht eingegangen am , beantragt,

1.

den Tatbestand des Senatsurteils im am Rand mit der Ziffer 4 gekennzeichneten Absatz, der in der zugestellten Urteilsausfertigung auf Seite 4 abgedruckt ist, wie nachfolgend ausgeführt zu berichtigen und

2.

auf die Anhörungsrüge der Erstbeklagten das Verfahren fortzusetzen und über deren in der Revisionsverhandlung gestellten Revisionsantrag aus dem Schriftsatz vom in der Sache zu entscheiden.

5Der Tatbestand des Urteils verfälsche und verschweige entscheidungserhebliche Tatsachen. Korrekt und vollständig müsse es dort heißen:

"Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen; die Revision der Beklagten zu 2 hat es zugelassen, die Revision der Beklagten zu 1 nicht. Dagegen richten sich die unter Vorlage des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden sollte, eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1, mit der sie Zulassung der Revision auch zu ihren Gunsten erstrebt, und die - die Beschränkung der Revision für unwirksam erachtenden - Revisionen der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung insgesamt weiterverfolgen. Ferner hat die Beklagte zu 1 in der Revisionsverhandlung zusätzlich zum gemeinsam mit der Beklagten zu 2 gestellten Antrag zu 2 aus der Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsbegründung vom hilfsweise den Antrag zu 1 aus der Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsbegründung vom gestellt, die Revision - auch - der Beklagten zu 1 zuzulassen.

Am war "In Sachen J. E. , Inh. V. F. u.a. gegen D. u.a." Termin zur mündlichen Verhandlung auf anberaumt und dieser als Sache "J. E. , Inh. V. F. u.a. gegen D. u.a." aufgerufen worden. Bevor die Anwältin der Revisionskläger für beide Beklagte den Antrag zu 2 aus der Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsbegründung vom stellte, war festgestellt und im Protokoll niedergelegt worden, dass die Formalien geprüft sind und sich Beanstandungen nicht ergeben haben.

Ein Beschluss, der über den Antrag der Beklagten zu 1 aus der Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsbegründung vom entschied, die Revision - auch - zu ihren Gunsten zuzulassen, war bei Antragstellung in der Revisionsverhandlung nicht erlassen. Über ihn entschieden wurde auch in deren weiteren Verlauf nicht, weder im am Schluss der Revisionsverhandlung verkündeten Urteil noch in einem gesondert verkündeten Beschluss."

6Mit seinen Unrichtigkeiten und Lücken suggeriere der Tatbestand der Aktenlage zuwider, von der Erstbeklagten sei die Einlegung eines gegen das Berufungsurteil zulässigen Rechtsmittels versäumt worden. Auf der Basis der durch das BGH-Heft belegten wahren Fakten habe eine Revision der Beklagten zu 1, die sich als nach § 548 ZPO als verfristet habe verwerfen lassen, nicht existiert.

7Dass das am verkündete Senatsurteil die Revision der Erstbeklagten als unzulässig verworfen habe, noch bevor eine Entscheidung über ihre Nichtzulassungsbeschwerde ergangen sei, sei der Prototyp einer durch Art. 103 Abs. 1 GG verbotenen Überraschungsentscheidung. Indem der Senat den Termin als Revisionssache aufgerufen und nach Aufruf festgestellt habe, dass sich zu den Formalien Beanstandungen nicht ergeben hätten, um deren Revision, der noch nicht beschiedenen Nichtzulassungsbeschwerde ungeachtet, sodann als schon verfristet zu verwerfen, sei der Erstbeklagten der Zugang zur Revisionsinstanz in einer Weise abgeschnitten, die in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen sei. Darin liege ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie.

II.

81. Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes ist unzulässig. Der Tatbestand eines Revisionsurteils unterliegt grundsätzlich nicht der Tatbestandsberichtigung gemäß § 320 ZPO, weil die in ihm enthaltene gekürzte Wiedergabe des Parteivorbringens keine urkundliche Beweiskraft besitzt (vgl. , NJW 1956, 1480; , BGHR ZPO § 320 Revisionsurteil 1; , BGHRZ Nr. 15611 Revisionsurteil 2; , NJW 1999, 796; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 320 Rn. 3; BeckOK ZPO/Elzer, Stand: , ZPO § 314 Rn. 11). Dies gilt auch für die verkürzte Darstellung des Revisionsbegehrens. Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn der unrichtige Teil nach einer Zurückweisung für das weitere Verfahren wie z.B. bei einer in der Revisionsverhandlung abgegebenen Parteierklärung urkundliche Beweiskraft nach § 314 ZPO hat (vgl. nur , BGHRZ Nr. 15611 Revisionsurteil 2 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

92. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.

10a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Auf einen Gesichtspunkt, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen braucht, darf das Gericht ohne vorherigen Hinweis oder Erörterung mit den Parteien nicht abstellen. Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, vor einer Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die Partei hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. , [...] mwN; , [...] mwN).

11b) Eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt gemessen daran nicht vor, insbesondere stellt das Senatsurteil vom keine gehörswidrige Überraschungsentscheidung dar. Die Feststellung des Senatsvorsitzenden, dass die Formalien geprüft worden seien und Beanstandungen sich nicht ergeben hätten, erfolgte vor der Antragstellung im Termin. Sie konnte sich - wenn man auch den Inhalt der Anträge als Formalie verstehen wollte - lediglich auf die angekündigten Anträge der Beklagten zu 1 im Schriftsatz vom beziehen. Diese Anträge hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin danach aber umgestellt und auch für die Beklagte zu 1 beantragt, auf die Revision das angegriffene Urteil aufzuheben. Diesem Antrag hat der Senat Rechnung getragen und diese Revision als verfristet zurückgewiesen, da eine Zulassung auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 nicht erfolgt war. Da der Senatsvorsitzende vor Stellung der Anträge mitgeteilt hatte, dass der Senat über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht vorberaten habe, wusste die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1, dass auch eine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht ergangen war. Dem hätte sie durch die angekündigten Anträge Rechnung tragen können. Nachdem der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1 zurückgewiesen hat und in dem beanstandeten Urteil sich auch mit den für begründet erachteten Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte zu 1 auseinandergesetzt hat, ist nicht ersichtlich, dass das rechtliche Gehör der Beklagten zu 1 verletzt worden oder ihr der Zugang zur Revisionsinstanz ohne Rechtsgrundlage abgeschnitten worden wäre.

Fundstelle(n):
AAAAF-77520