BGH Beschluss v. - XII ZB 221/15

Betreuungsverfahren: Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters bei Entscheidung des Beschwerdegerichts durch den Einzelrichter in einer vom Gesetz dem Kollegium zugewiesenen Sache

Leitsatz

Entscheidet das Beschwerdegericht in einer vom Gesetz dem Kollegium zugewiesenen Sache (hier: Betreuungssache) unbefugt durch den Einzelrichter, so liegt darin eine von Amts wegen zu berücksichtigende Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters, die als absoluter Rechtsbeschwerdegrund zur Aufhebung der Entscheidung führt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom , XII ZB 105/13, FamRZ 2016, 451).

Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 68 Abs 4 FamFG, § 75 GVG

Instanzenzug: LG Hanau Az: 3 T 74/15vorgehend AG Hanau Az: 20 XVII 837/09

Gründe

I.

1Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) hat im vorliegenden Verfahren die Festsetzung der Betreuervergütung für die Zeit vom bis zum gegen die Staatskasse beantragt.

2Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die Betroffene mit einem Hausgrundstück über einsetzbares Vermögen verfüge und somit nicht mittellos sei. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen durch den Einzelrichter zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

3Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

4Der angefochtene Beschluss leidet an einem Verfahrensmangel, denn er ist unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen.

5Hat das Landgericht über eine Beschwerde in einer Betreuungssache nach §§ 58 ff. FamFG zu entscheiden, ist hierzu gemäß § 68 Abs. 4 Halbsatz 1 FamFG i.V.m. § 75 GVG die mit drei Richtern besetzte Zivilkammer berufen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 105/13 - juris Rn. 8; vgl. Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 68 Rn. 95). Eine originäre Einzelrichterzuständigkeit (etwa nach § 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG oder § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG) kommt hier nicht in Betracht.

6Eine Übertragung auf den Einzelrichter nach § 68 Abs. 4 Halbsatz 1 FamFG ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, so dass dieser zur Entscheidung nicht berufen war. Der sich hieraus ergebende Verfahrensmangel ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Zwar ist ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters grundsätzlich nur auf eine entsprechende Besetzungsrüge zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt aber eine Ausnahme im Fall der willkürlichen Zuständigkeitsüberschreitung des originären Einzelrichters, welche einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel darstellt (BGHZ 154, 200 = FamRZ 2003, 669, 671; Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 105/13 - juris Rn. 9 und vom - XII ZB 188/02 - FamRZ 2003, 1922).

7Nichts anderes gilt, wenn der Einzelrichter in einer dem Kollegium zugewiesenen Sache ohne einen vorausgegangenen Übertragungsbeschluss der Kammer entscheidet. Denn auch in diesem Fall liegt eine willkürliche Zuständigkeitsüberschreitung vor. Da es an jeder Grundlage für eine Einzelrichterentscheidung fehlt, ist der Fall auch nicht mit einer etwa unzulässigen, aber bindenden Übertragung auf den Einzelrichter vergleichbar (dazu vgl. BGHZ 170, 180 = FamRZ 2007, 554).

Dose                                  Weber-Monecke                        Klinkhammer

              Nedden-Boeger                                   Guhling

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:030216BXIIZB221.15.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2016 S. 510 Nr. 8
AAAAF-77507