Heilpädagogische Förderlehrer - Eigenschaft als Lehrkraft iSd. TVöD-V
Gesetze: § 1 TVöD-V, Anl D TVöD-V, Art 59 Abs 1 EUG BY 2000, Art 60 Abs 2 EUG BY 2000, Art 22 Abs 1 S 2 EUG BY 2000, § 4 Abs 3 TVG
Instanzenzug: ArbG Bamberg Az: 5 Ca 263/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 6 Sa 391/13 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin wirksam auf einen Teil ihres Entgelts verzichtet hat, um während der Schulferien vom Beklagten nicht zu Tätigkeiten herangezogen zu werden.
2Die Klägerin ist ausgebildete Erzieherin. Sie ist seit 1994 beim Beklagten beschäftigt, der für und mit geistig behinderten Kindern arbeitet und für diese eine Schule mit Schulvorbereitender Einrichtung (SVE) betreibt. In dieser Schule sind neben beamteten Sonderschullehrern auch heilpädagogische Förderlehrer tätig. Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts wird die Klägerin als heilpädagogische Förderlehrerin eingesetzt. Über den Inhalt der Tätigkeit im Einzelnen hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Parteien sind aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. an die Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) gebunden. Im Änderungsvertrag vom legten die Parteien eine Arbeitszeit von 20/29 Unterrichtsstunden fest. Das entsprach nach Auffassung der Parteien 26,6/38,5 Arbeitsstunden eines Vollzeitbeschäftigten. Zugleich vereinbarten sie mit einer „Nebenabrede“, dass der monatlichen Vergütung 23,14/38,5 Stunden zugrunde gelegt würden, um die den Urlaubsanspruch übersteigenden Ferientage auszugleichen. Im Gegenzug wird die Klägerin vom Beklagten in den Schulferien nicht zur Arbeitsleistung herangezogen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zahlung einer ungekürzten Vergütung.
3Die maßgeblichen Bestimmungen des TVöD-V lauten:
4Die Anlage D.7 zum TVöD-V (gleichlautend § 51 TVöD-BT-V [VKA], künftig Anlage D.7 TVöD-V) trifft auszugsweise folgende Sonderregelungen für Lehrkräfte:
5Nach Art. 59 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom (BayEUG) tragen die Lehrkräfte die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schülerinnen und Schüler. Gegenüber dem ihnen zugeordneten sonstigen pädagogischen Personal sind sie weisungsberechtigt. Heilpädagogische Förderlehrerinnen und Förderlehrer unterstützen ua. gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 1 BayEUG die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrkraft an Schulen mit dem Profil „Inklusion“ und an Förderschulen. Sie wirken dabei im Rahmen eines mit den Lehrkräften für Sonderpädagogik gemeinsam erstellten Gesamtplans bei Erziehung, Unterrichtung und Beratung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit. Diese Aufgaben nehmen sie gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 2 BayEUG selbständig und eigenverantwortlich wahr und wirken bei sonstigen Schulveranstaltungen und bei Verwaltungstätigkeiten mit. Gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 3 BayEUG leiten sie die Gruppen der SVE im Einvernehmen mit der Lehrkraft für Sonderpädagogik.
6Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei als Lehrkraft im Rahmen eines Schulbetriebs tätig. Die Nebenabrede, durch die sie auf 13 % ihrer Vergütung verzichtet habe, sei darum tarifwidrig und unwirksam. Sie habe Anspruch, entsprechend ihrem Stundendeputat von 20/29 vergütet zu werden.
7Die Klägerin hat unter Berücksichtigung von Umstellungen und Klarstellungen ihrer Anträge im Revisionsverfahren zuletzt beantragt
8Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Klägerin keine Lehrkraft sei, weil sie keine Fachlehrerin iSd. Art. 59 BayEUG sei. Auch sei dem Berufsbild des Heilpädagogen eine universitäre Ausbildung wie bei Lehrern fremd.
9Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Gründe
10Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Allerdings konnte mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Der Senat kann jedoch in der Sache abschließend entscheiden. Auch wenn die Klägerin Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V sein sollte, wäre die zwischen den Parteien getroffene Entgeltabrede, die eine Entgeltsenkung zum Ausgleich für die Freistellung von jeglichen Arbeiten in den den Urlaubsanspruch der Klägerin übersteigenden Ferienzeiten vorsieht, wirksam. Dann bestünde nämlich aufgrund der Vorbemerkung Nr. 5 der Anlage 1a zum BAT kein tariflicher Entgeltanspruch, so dass die Entgeltabrede nicht ungünstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG als die tarifliche Regelung wäre. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich darum als im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO).
11I. Die Klage ist unzulässig, soweit sich der Feststellungsantrag mit den Zahlungsanträgen überschneidet. Die Revision ist insoweit unabhängig von weiteren Erwägungen bereits deshalb unbegründet. Im Übrigen ist die Klage zulässig.
121. Der ursprünglich als Klage auf künftige Leistung formulierte Antrag zu 1. war als Feststellungsantrag zu verstehen. Das stellt die Revision lediglich klar. Die Voraussetzungen für eine Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO waren von der Klägerin nicht dargelegt (zu den Anforderungen an eine Klage auf künftige Leistung - Rn. 42 f.). Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass eine Partei eine von vornherein unzulässige und damit aussichtslose Klage erheben will. Die mit der Klage angestrebte Klärung, ob die Vereinbarung der Vergütungskürzung mit § 4 Abs. 3 TVG vereinbar ist, kann dagegen durch ein Verständnis des Leistungsantrags als Feststellungsklage erreicht werden.
132. Der Feststellungsantrag ist nur zulässig, soweit keine Überschneidung mit den Zahlungsanträgen vorliegt. Das ist lediglich für die Zeit von August 2011 bis einschließlich Februar 2012 sowie für die Zeit seit September 2014 der Fall. Dem Feststellungsantrag fehlt dagegen das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit er auch den Zeitraum vom bis zum erfasst, für den die Klägerin die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der begehrten Vergütung beziffert geltend macht. Sie hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht (vgl. - Rn. 12, BAGE 137, 80). Darum ist die Klage insoweit auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. - Rn. 16).
14II. Soweit die Klage zulässig ist, trägt die Begründung des Landesarbeitsgerichts die Klageabweisung nicht.
151. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die vom Beklagten betriebene Förderschule eine allgemeinbildende Schule iSd. Nr. 1 Satz 1 Anlage D.7 TVöD-V, mit deren Besuch die Schüler nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG ihre Schulpflicht erfüllen ( - Rn. 25 ff.).
162. Die das Urteil selbständig tragende Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin sei keine Lehrkraft iSd. Nr. 1 Satz 1 Anlage D.7 TVöD-V, wird von den von ihm getroffenen Feststellungen nicht gestützt.
17a) Lehrkräfte iSd. Anlage D.7 TVöD-V sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen iSv. theoretischem Wissen und Fertigkeiten iSd. praktischen Handhabung des Erlernten im Rahmen eines Schulbetriebs der Tätigkeit das Gepräge gibt. Eine „universitäre Ausbildung“, wie sie Lehrer im engeren Sinne aufweisen, ist dafür entgegen der Ansicht des Beklagten nicht erforderlich. Auch heilpädagogische Förderlehrer können Lehrkräfte in diesem Sinne sein. Insoweit kommt es allein auf die im konkreten Einzelfall prägend ausgeübte Tätigkeit an. Dabei kann auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten bei der Durchführung von praktischen Übungen Unterricht sein. Voraussetzung für die Stellung als Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V ist jedoch, dass eine selbständige und eigenverantwortliche Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten und nicht nur eine unterrichtsbegleitende Unterstützung der zuständigen Lehrkraft erfolgt. Dies muss der Tätigkeit ihr Gepräge geben, dh. mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Lehrkraft einnehmen, wobei Zusammenhangstätigkeiten hinzuzurechnen sind ( - Rn. 32 ff.).
18b) Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - nicht festgestellt, ob und welche konkreten Tätigkeiten, die die oben genannten Anforderungen erfüllen, die Klägerin eigenverantwortlich mit welchem Zeitanteil verrichtet. Darum lag keine Tatsachengrundlage für die Entscheidung über die Eigenschaft der Klägerin als Lehrkraft im tariflichen Sinne vor.
19c) Im Gegensatz zur Annahme des Landesarbeitsgerichts scheidet die Einordnung der Klägerin als Lehrkraft selbst dann, wenn sie überwiegend in einer SVE iSd. Art. 19 Abs. 3, Art. 22 Abs. 1 BayEUG, § 78 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung (Volksschulordnung-F, VSO-F) vom (Bayerisches GVBl. S. 731) eingesetzt wird, nicht bereits deshalb aus, weil die dort betreuten Kinder nur „für den Schulbetrieb vorbereitet werden“.
20aa) Mit der Verwendung der Bezeichnung „Schulbetrieb“ in der Protokollerklärung zu Nr. 1 Anlage D.7 TVöD-V haben die Tarifvertragsparteien nur die formelle Eingliederung in einen Betrieb verlangt, der dem schulischen Bereich und nicht einer betrieblichen Ausbildung zuzuordnen ist (vgl. - BAGE 45, 233; Sponer in Sponer/Steinherr TV-L Stand März 2008 § 44 Nr. 1 Rn. 4). Auf die Art des in dem Betrieb vermittelten Lehrstoffes kommt es nicht an ( - juris-Rn. 19, BAGE 58, 283). Darum unterfielen auch die Jugendleiterinnen und Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Erzieher, Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen und Krankengymnasten, die an Schulkindergärten oder in Vorschulklassen für schulpflichtige Kinder tätig waren, den Sonderregelungen für Lehrkräfte, sofern diese Betriebe organisatorisch in den Grundschulbereich eingegliedert waren. Das galt auch dann, wenn die Schulgesetze nicht ausdrücklich bestimmten, dass die betreffenden Einrichtungen zu den allgemeinbildenden Schulen gehörten (vgl. für einen in das allgemeine Schulsystem eingegliederten Schulkindergarten - BAGE 58, 283; Niederschriftserklärungen der BAT-Kommission vom zu TOP 25 sowie vom zu TOP 10, zitiert nach Klaßen in Sponer/Steinherr TV-L Stand August 2013 § 44 Nr. 1 Rn. 33).
21bb) Ein davon abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVöD, die den Begriff der Lehrkraft in der Protokollerklärung zu Nr. 1 Anlage D. 7 TVöD-V wortgleich mit der Protokollnotiz zu Nr. 1 der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2l I BAT/BAT-O) definiert haben, lässt sich der Anlage D.7 TVöD-V nicht entnehmen. Dementsprechend sind nach allgemeiner Ansicht im Schrifttum Vorklassen und Schulkindergärten dem allgemeinbildenden Schulbereich iSd. Anlage D.7 TVöD-V zuzuordnen, sofern sie in den Grundschulbereich eingegliedert sind (Klaßen in Sponer/Steinherr TV-L Stand August 2013 § 44 Nr. 1 Rn. 33; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Januar 2008 § 51 BT-V [VKA] Rn. 15; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand April 2011 TVöD-V Anlage D Erl. 4 zu Nr. 1 Rn. 10). Für die nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 BayEUG iVm. § 79 Abs. 1 VSO-F in die Förderschulen als allgemeinbildende Schulen eingegliederten SVE gilt nichts anderes.
22III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Es kann dahinstehen, ob die Klägerin Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V ist. Insbesondere kann dahinstehen, ob sie, wie sie im Schriftsatz vom vorgetragen hat, in der SVE tätig ist, ob dies ihre Tätigkeit prägt und ob sie in diesem Fall Lehrkraft im tariflichen Sinne wäre. Auch wenn das der Fall sein sollte, hat die Klage keinen Erfolg.
231. Wäre die Klägerin Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V, griffe die Vorbemerkung Nr. 5 der Anlage 1a zum BAT (im Folgenden Vorbemerkung Nr. 5). Danach gilt die Anlage 1a nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte - auch wenn sie nicht unter die Sonderregelungen 2l I BAT/BAT-O fallen - beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Für die Bestimmung des Begriffs der „Lehrkraft“ iSd. Vorbemerkung Nr. 5 ist die mit der Protokollerklärung zu Nr. 1 Anlage D.7 TVöD-V inhaltsgleiche Protokollnotiz zu Nr. 1 der SR 2l I BAT/BAT-O heranzuziehen ( - zu 1 a der Gründe). Auch für die Frage, ob ein Arbeitnehmer unter die Vorbemerkung Nr. 5 fällt, kommt es darum weder auf den jeweiligen Rechtsträger noch auf die gesetzliche Grundlage des Schul- und Lehrbetriebs oder die Art des jeweiligen Lehrstoffes an ( - juris- Rn. 19, BAGE 58, 283). Eine Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V ist darum stets auch eine Lehrkraft iSd. Vorbemerkung Nr. 5.
242. Eine tarifliche Regelung, die eine Eingruppierung unter eine normativ wirkende Regelung und die daraus folgende Überleitung in den TVöD-V ermöglichte, bestünde damit für die Klägerin nicht, wenn sie Lehrkraft iSd. TVöD-V wäre. Der BAT regelte die Eingruppierung von Lehrkräften nicht. Eine Entgeltordnung für den Bereich der VKA bestand im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochenen Richtlinien über die Eingruppierung der an Schulen in Bayern im Arbeitnehmerverhältnis beschäftigten staatlichen Lehrkräfte und sonstigen staatlichen Beschäftigten fanden mangels Inbezugnahme keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien (vgl. - Rn. 16; - 4 AZR 191/77 - juris-Rn. 24) und hätten ohnehin keinen tariflichen Normcharakter (vgl. für die Lehrereingruppierungsrichtlinien der TdL - BAGE 36, 241). Der bloße Umstand, dass sich die Höhe der Vergütung der Lehrkräfte, für die eine einzelvertragliche Eingruppierung gefunden ist - sei es aufgrund einer Inbezugnahme von Lehrereingruppierungsrichtlinien oder aufgrund einer autonomen Vereinbarung unter Anlehnung an den TVöD -, unter Berücksichtigung des § 19 TVÜ-VKA aus der Anlage A zum TVöD-V ergibt, führt entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht nicht dazu, dass eine tariflich normierte Entgeltregelung für Lehrkräfte im Bereich der VKA besteht. Es fehlt an unmittelbar und zwingend geltenden Tarifbestimmungen zur Eingruppierung selbst.
253. Entgegen der Annahme der Klägerin wäre darum die „Nebenabrede“ der Parteien im Änderungsvertrag vom auch dann nicht nach § 4 Abs. 3 TVG nichtig, wenn sie Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V wäre. Die individualvertragliche Regelung wäre dann nicht ungünstiger als die tarifliche.
26a) Die Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden Tarifbestimmungen und arbeitsvertraglichen Regelungen ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) aufzulösen. Unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmungen treten darum hinter einzelvertragliche Vereinbarungen zurück, soweit letztere für den Arbeitnehmer günstiger sind. Ob dies der Fall ist, ist durch einen Günstigkeitsvergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung zu ermitteln, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Regelung vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags geschlossen haben. Zu vergleichen sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen (sog. Sachgruppenvergleich, - Rn. 20 f.).
27b) Nach diesen Maßstäben bilden die Dauer der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und das ihm dafür zustehende Arbeitsentgelt als Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht die Sachgruppe „Arbeitszeit und Arbeitsentgelt“, weil sie in einem untrennbaren engen, inneren sachlichen Zusammenhang stehen. Zu vergleichen sind darum grundsätzlich die Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsentgelt im Arbeitsvertrag auf der einen Seite und in der tariflichen Regelung auf der anderen Seite (vgl. - Rn. 35 ff., BAGE 151, 221).
28c) In der vorliegenden Konstellation, in der bei Bejahung der Stellung der Klägerin als Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V kraft beiderseitiger Tarifbindung an den TVöD-V durch Verweisung auf das für Lehrer geltende Beamtenrecht nur die Arbeitszeit, nicht aber das dafür zu zahlende Entgelt tariflich geregelt wäre, könnte ein solcher Sachgruppenvergleich jedoch nicht erfolgen. Die Einheit zwischen Arbeitszeit und Arbeitsentgelt besteht dann zwar noch faktisch, aber nicht mehr tariflich. Für die Höhe des Entgelts fehlte eine tarifliche Vergleichsregelung und damit der tarifliche Bezugspunkt für einen Günstigkeitsvergleich. Ein Günstigkeitsvergleich kann vorliegend darum nicht durchgeführt werden. Allein bezogen auf die Arbeitszeit wäre die von den Parteien getroffene Vereinbarung günstiger, weil die Klägerin während der Ferien in keiner Weise zur Arbeit herangezogen wird. Schulferien sind keine arbeitsfreie Zeit. Während ihrer Dauer findet nur kein Unterricht statt. Die Lehrkraft iSd. Anlage D.7 TVöD-V bleibt deshalb - vorbehaltlich der Inanspruchnahme von Urlaub - grundsätzlich auch in den Ferien zur Erledigung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit verpflichtet (vgl. - Rn. 45). Gerade von derartigen Tätigkeiten ist die Klägerin generell freigestellt. Es bliebe darum auch dann, wenn die Klägerin eine Lehrkraft im tariflichen Sinne wäre, bei der einzelvertraglichen „Nebenabrede“ und damit bei dem vereinbarten Entgeltabschlag von 13 %.
29d) Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführte Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine vollzeitbeschäftigte angestellte Lehrerin müsste ebenfalls eine Entgeltabsenkung in Kauf nehmen, wenn sie von der Unterrichtsverpflichtung in der Ferienzeit gänzlich freigestellt werden wollte. Die von der Klägerin angenommene Benachteiligung ergibt sich deshalb nicht aus ihrer Teilzeitbeschäftigung, sondern daraus, dass sie angestellte und nicht beamtete Lehrerin ist.
304. Andere Gründe, die die Unwirksamkeit der zwischen den Parteien geschlossenen „Nebenabrede“ zur Folge hätten, macht die Klägerin nicht geltend. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
31IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:120516.U.6AZR259.15.0
Fundstelle(n):
MAAAF-77503