BGH Beschluss v. - 2 StR 483/15

Strafverfahren wegen sexueller Nötigung in mehreren Fällen: Strafzumessung bei psychischen Schäden des Tatopfers und langem Tatzeitraum

Gesetze: § 46 Abs 2 StGB, § 177 StGB

Instanzenzug: Az: 23 KLs 11/15

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen, Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, sowie wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

2Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl und bei der konkreten Zumessung der Einzelstrafen unter anderem strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklägerin infolge der Taten psychologische Unterstützung zur Bewältigung des Geschehens benötige und dass die Taten sich insgesamt über einen sehr langen Zeitraum erstreckten. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass sich die Notwendigkeit einer psychologischen Behandlung zur Behandlung von sich aus der Tat ergebenden seelischen Beeinträchtigungen bereits nach der ersten Tat eingestellt hat. Sind die festgestellten psychischen Schäden aber (erst) Folgen aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal - bei der Gesamtstrafenbildung - angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. nur Senat, NStZ 2014, 701; NStZ-RR 2014, 340).

4Auch dass die Taten sich über einen langen Zeitraum erstreckten, durfte nicht bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Zumessung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten berücksichtigt werden. Dass einer ersten oder zweiten Tat weitere nachgefolgt sind, ist regelmäßig für deren Unrechtsgehalt ohne strafzumessungsrelevante Bedeutung. Dies mag anders sein, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant sind und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige "rechtsfeindliche Gesinnung" des Täters zum Ausdruck kommt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 40 Rn. 34a). Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen; sie liegen mit Blick auf die sich situativ ergebenden Straftaten in den Fällen C I. 1-3 der Urteilsgründe und den Umstand, dass zwischen den fünf weiteren Taten der sexuellen Nötigung jeweils größere zeitliche Abstände lagen, auch nicht unbedingt nahe.

5Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen und bedingt den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesem Rechtsfehler beruht.

Fischer                        Appl                         Krehl             Eschelbach                       Ott

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:120416B2STR483.15.0

Fundstelle(n):
NAAAF-76480