BGH Urteil v. - 5 StR 583/15

Instanzenzug:

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte von dem Vorwurf freigesprochen, gemeinschaftlich mit ihrem mitangeklagten Ehemann gewerbs- und bandenmäßig in 16 Fällen Pkw gestohlen zu haben und dies in 20 weiteren Fällen versucht zu haben (§ 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3, § 244a Abs. 1, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, § 53 StGB). Ihren Ehemann Li. hat es - unter Freispruch im Übrigen - wegen schweren Bandendiebstahls in zwölf Fällen, versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision auf den Freispruch der Angeklagten in den Fällen beschränkt, in denen ihr mitangeklagter Ehemann verurteilt wurde. Die Revision ist erfolgreich.

21. Nach den Feststellungen bestand bereits im Sommer 2012 eine "Diebesbande" um den Mitangeklagten Li. , die Angeklagte sowie weitere tschechische Staatsangehörige, die sich zusammengeschlossen hatten, um in Li. s Auftrag hochwertige Autos zu entwenden und diese der weiteren Verwertung durch Li. zuzuführen. Alle beabsichtigten, hieraus Gewinn zu erzielen, um sich auf diese Weise über einen längeren Zeitraum eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.

3Im Sommer 2012 lernten der Mitangeklagte Li. und die Angeklagte den gesondert verfolgten Zeugen I. kennen, der wegen seines Rauschgiftkonsums auf eine Einnahmequelle angewiesen war und davon gehört hatte, dass Li. "Leute unter sich habe, die Autos für ihn entwendeten" (UA S. 10). Nachdem I. in Dresden auftragsgemäß das erste Auto entwendet und nach Tschechien gebracht hatte, schloss auch er sich der bereits bestehenden Bande an. Li. sorgte im Rahmen der Bandenabrede unter anderem für die benötigten Werkzeuge; für sie hatte er in Dresden zwei Verstecke eingerichtet, auf die die Bandenmitglieder zugreifen konnten. Die Aufgabe I. s und auch die der anderen Bandenmitglieder war es, gemäß den von Li. erteilten Aufträgen in Dresden Fahrzeuge zu entwenden, nach Tschechien zu bringen und dort dem Mitangeklagten oder der Angeklagten zu übergeben. I. erhielt für die übergebenen Autos ein festes Honorar, das ihm meist von Li. , manchmal jedoch von der Angeklagten übergeben wurde. Wenn Li. nicht vor Ort war, beauftragte er die Angeklagte, seine Aufgaben fortzuführen, zum Beispiel gestohlene Autos entgegenzunehmen und Lohn auszuzahlen (UA S. 14). Die Autos übergab Li. seinen Abnehmern.

42. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte in die Bandenabrede eingebunden war (UA S. 64 ff.). Sie sei die "rechte Hand" ihres Ehemanns gewesen und habe ihn in seiner Abwesenheit vertreten. In mindestens zwei Fällen habe sie dem Zeugen I. in Vertretung ihres Ehemannes den Lohn ausgezahlt. Diese Fälle hätten sich indes nicht sicher zeitlich einordnen lassen. Ebenso verhalte es sich mit dem Umstand, dass sie den Zeugen in Abwesenheit ihres Ehemannes gedrängt habe, nach Deutschland zu fahren, um Autos "zu holen". Wie der Mitangeklagte habe sie die Handys der Bandenmitglieder aufgeladen und neue Handys und SIM-Karten besorgt, wenn diese nach kurzer Zeit ausgetauscht werden sollten. In Telefonaten der Eheleute Li. mit einem weiteren in derselben JVA wie der Zeuge I. einsitzenden Bandenmitglied habe die Angeklagte den Angerufenen unter anderem aufgefordert, I. auszurichten, dass er sich gut überlegen solle, was er bei der Polizei zu sagen habe. Die Angeklagte habe auch Interesse an der Bandenabrede und den zu entwendenden Fahrzeugen gehabt; bereits im Jahr 2011 sei sie wegen eines gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann und einem Dritten begangenen versuchten Diebstahls eines Pkw verurteilt worden. Schließlich habe sie auch von den Einnahmen aus den Autoverkäufen profitiert.

5Das Landgericht hat die Angeklagte dennoch aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, da ihr ungeachtet der Feststellung ihrer Bandenmitgliedschaft eine Beteiligung an den ihr konkret vorgeworfenen Straftaten nicht habe nachgewiesen werden können.

63. Der Freispruch der Angeklagten hält in dem von der Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision angegriffenen Umfang sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

7a) Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass allein die Bandenmitgliedschaft der Angeklagten nicht zu einer Verurteilung wegen Beteiligung an allen von den Bandenmitgliedern begangenen Tathandlungen führen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Bandenmitgliedschaft und die Beteiligung an einer Bandentat unabhängig voneinander zu beurteilen (vgl. , StV 2012, 669 f. mwN). Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 243 Abs. 1 Satz 2, § 244a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem Bandenmitglied aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne weiteres zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben (vgl. , BGHR StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Bande 2; vom - 3 StR 243/08, StV 2009, 130; vom - 3 StR 403/12, StV 2013, 386 f., und vom - 3 StR 499/12, wistra 2013, 307 f.).

8b) Nach diesen Maßstäben lassen sich zwar die vom Landgericht festgestellten physischen Beiträge der Angeklagten zur Bandentätigkeit keiner der von ihrem mitangeklagten Ehemann begangenen Taten konkret zuordnen. Soweit die Angeklagte nach den Feststellungen zu Fall 15 (UA S. 26 f.) dem Zeugen I. zusagte, ihm einen in Tschechien gestohlenen Skoda Oktavia abnehmen zu wollen, war dieser Diebstahl nicht Gegenstand der Anklage.

9c) Das Landgericht hätte allerdings prüfen müssen, ob die Angeklagte ihrem Ehemann durch ihre in ihrem Verhalten zum Ausdruck gebrachte präsente Bereitschaft, ihn bei seinen Straftaten zu unterstützen, zumindest psychisch Hilfe geleistet hat. Ihr Verhalten ging über ein bloßes, nicht beihilferelevantes Dulden der kriminellen Machenschaften ihres Ehemannes weit hinaus. Zu erwägen war daher, inwieweit die Angeklagte innerhalb des persönlichen Näheverhältnisses durch ihre - wenn auch nicht den verfahrensgegenständlichen Delikten konkret zuzuordnende - Hilfestellung und die damit verbundene tätige (konkludente) Billigung der vom Mitangeklagten verübten Straftaten diesem psychischen Rückhalt bei seiner Tätigkeit als Bandenchef bot und ihn in Tatplan, -entschluss und -ausführungswillen unterstützend bestärkte (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 27 Rn. 11).

10Darüber hinaus hätte das Landgericht in den Blick nehmen müssen, dass sich die physischen Unterstützungshandlungen der Angeklagten nicht in Handreichungen bei einzelnen Bandentaten erschöpften. Vielmehr leistete sie "als 'rechte Hand' des Angeklagten Li. Beiträge im Gesamtgefüge" (UA S. 64) und war damit dauerhaft gleichsam als "Assistentin auf Leitungsebene" für die Bande tätig. Das Landgericht hätte erörtern müssen, ob die Angeklagte etwa insbesondere durch ihre festgestellte Bereitschaft, ihren Ehemann bei dessen Verhinderung zu vertreten, Tatbeiträge erbracht hat, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte des Mitangeklagten gleichzeitig gefördert worden sind, und sie damit zur Aufrechterhaltung des auf Straftaten ausgerichteten "Geschäftsbetriebs" der Bande Hilfe geleistet hat (vgl. , StV 2013, 386, 387).

11In diesem Fall wären ihr die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in ihrer Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft würden; dass der Mitangeklagte die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen hat, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 49, 177, 183 mwN). Nach diesen Grundsätzen ist auch die Teilnahme in Form der psychischen Beihilfe, die mehrere rechtlich selbständige Haupttaten gefördert hat, als tateinheitlich begangen zu werten (vgl. , NJW 2015, 2901, 2903; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 42).

124. Die Urteilsaufhebung wegen der aufgezeigten Rechtsfehler führt auch dazu, dass der Ausspruch über die Entschädigungspflicht für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen keinen Bestand hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
YAAAF-75905