Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Sexualstraftäter: Pflicht des Tatgerichts zur Ermessensausübung; revisionsgerichtliche Ersetzung der Ermessensentscheidung
Gesetze: § 66 Abs 3 S 1 StGB, § 177 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Ravensburg Az: 1 KLs 440 Js 5576/15
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der ausgeführten Sachrüge zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
21. Die auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat die Strafkammer die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Es fehlt aber an der gesetzlich vorgeschriebenen Ermessensausübung.
3a) Auch wenn sämtliche Voraussetzungen der Verhängung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erfüllt sind, steht nach der gesetzlichen Formulierung die Verhängung der Maßregel im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters („kann“). Ordnet das Tatgericht eine in sein Ermessen gestellte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an, muss aus den Urteilsgründen deutlich werden, dass es sich seiner Entscheidungsbefugnis bewusst war und welche Gründe für seine Ermessensausübung leitend waren (vgl. , NStZ-RR 2016, 77 mwN).
4b) Daran fehlt es vorliegend, wie auch die Formulierung in den Urteilsgründen belegt, die Verhängung der Sicherungsverwahrung sei „unumgänglich“. Es ist dem Senat verwehrt, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen; diese ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH aaO).
52. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen stehen.
Raum Radtke Mosbacher
Fischer Bär
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:120516B1STR103.16.0
Fundstelle(n):
UAAAF-75325