BGH Beschluss v. - XI ZR 46/14

Befugnis des Klägers zur Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens

Leitsatz

Zu der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Kläger befugt ist, ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aufzunehmen, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochen worden ist und mit dem sich der Kläger gegen die Abweisung einer Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde wendet, die sowohl eine Grundschuldbestellung als auch die Übernahme der persönlichen Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld, jeweils nebst Vollstreckungsunterwerfungserklärung, enthält.

Gesetze: § 240 ZPO, § 767 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 5 ZPO, § 797 ZPO, § 85 InsO, § 86 InsO, § 180 Abs 2 InsO, § 184 InsO

Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 5 U 45/12vorgehend LG Frankfurt (Oder) Az: 12 O 218/11nachgehend Az: XI ZR 46/14 Beschluss

Gründe

I.

1Der Kläger wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

2In dieser Urkunde vom bestellte der Kläger zur Besicherung eines von der Beklagten gewährten Darlehens zu deren Gunsten eine Grundschuld in Höhe von 2.300.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistung an einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück und unterwarf sich wegen des Anspruchs aus der Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistung der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum. Ferner übernahm der Kläger in der Urkunde die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

3Im Jahr 2011 erklärte die Beklagte die außerordentliche und fristlose Kündigung sämtlicher Darlehen, die sie dem Kläger gewährt hatte. Ferner erwirkte sie auf der Grundlage der notariellen Urkunde vom einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Ansprüche des Klägers aus seinen Geschäftsverbindungen zu vier Kreditinstituten gepfändet wurden.

4Mit der Klage begehrt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

5Das beim Senat anhängige Verfahren über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, da das Amtsgericht Frankfurt (Oder) durch Beschluss vom das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet hat.

6Die Insolvenzverwalterin hat unter dem mitgeteilt, dass sie den Rechtsstreit nicht aufnehme. Mit Schriftsatz vom hat der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.

II.

7Das Verfahren ist durch die Erklärung des Klägers nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

81. Über einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Aufnahme ist im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden (vgl. , BGHZ 195, 233 Rn. 5 mwN). Hier ist eine solche Entscheidung erforderlich, da der Kläger an seiner Auffassung, er habe das Verfahren wirksam aufgenommen, festhält, obwohl er darauf hingewiesen worden ist, dass dies nicht der Fall sei (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, ZPO, Stand , § 239 Rn. 20).

92. Das Verfahren ist mit der Erklärung des Klägers vom nicht wirksam aufgenommen worden.

10a) Der Kläger konnte den Rechtsstreit nicht gemäß § 85 Abs. 2 InsO aufnehmen, da es sich bei der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom nicht um eine Rechtsstreitigkeit über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen handelt, die für den Kläger anhängig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 9/72, NJW 1973, 2065 und vom - VII ZB 3/08, ZIP 2008, 1941 Rn. 14; Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 85 Rn. 117). Für die Einordnung als Aktivprozess im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO kommt es nicht auf die Parteirolle des Schuldners, sondern auf das materielle Begehren an, also darauf, ob ein Vermögensrecht für den Schuldner und damit zu Gunsten der späteren Teilungsmasse in Anspruch genommen wird (vgl. , ZIP 1995, 643 f.; BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 3/08, ZIP 2008, 1941 Rn. 14 und vom - XII ZR 52/11, BeckRS 2012, 09227 Rn. 2; Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 85 Rn. 113; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 85 Rn. 135 ff.).

11b) Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der von ihm in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommenen persönlichen Haftung wendet, ist auch eine teilweise Aufnahme nach § 86 InsO schon deshalb nicht möglich, weil es sich insoweit nicht um einen Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO handelt. Gegenstand des Rechtsstreits ist insoweit vielmehr eine Insolvenzforderung, so dass eine Fortsetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nur nach §§ 174 ff., 179, 180 Abs. 2, § 184 InsO in Betracht kommt (vgl. , WM 2014, 1487 Rn. 9 f.; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 240 Rn. 13 - 13b). Obwohl der Kläger darauf hingewiesen worden ist, fehlt hierzu jegliches Vorbringen. Insbesondere hat der Kläger nicht dazu vorgetragen, ob die Beklagte ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat und - falls dies der Fall gewesen sein sollte - ob die Forderung im nachfolgenden Prüfungstermin bestritten worden ist.

12c) Soweit sich der Kläger mit seinem - nicht auf den persönlichen Anspruch beschränkten - Klageantrag auch gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld wendet, liegt zwar ein Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor (vgl. § 49 InsO; HambKomm/Kuleisa, 5. Aufl., § 86 InsO Rn. 9 mwN; MünchKommInsO/Schumacher, 3. Aufl., § 86 Rn. 9; Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 86 Rn. 9 mwN). Der Kläger ist diesbezüglich aber nicht zur Aufnahme befugt.

13aa) Zur Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits nach § 86 Abs. 1 InsO sind allein der Insolvenzverwalter und der Verfahrensgegner befugt. Der Insolvenzschuldner ist nur dann aufnahmebefugt, wenn der Verwalter den streitbefangenen Gegenstand aus der Masse freigibt mit der Folge, dass dieser wieder in die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt des Schuldners fällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 9/72, NJW 1973, 2065 und vom - II ZA 9/02, WM 2003, 2429; Braun/Kroth, InsO, 6. Aufl., § 86 Rn. 8; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 86 Rn. 22; MünchKommInsO/Schumacher, 3. Aufl., § 86 Rn. 19; Jaeger/Windel, InsO, 2007, § 86 Rn. 21 f.). Liegt ein Rechtsstreit um eine Grundschuld vor, ist eine Aufnahme durch den Schuldner nur dann möglich, wenn der Insolvenzverwalter das betroffene Grundstück freigibt; allein die Freigabe des Prozesses oder der Grundschuld reicht nicht (vgl. , NJW 1973, 2065; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 86 Rn. 22). Eine solche Freigabeerklärung hat die Insolvenzverwalterin vorliegend nicht abgegeben. Sie hat nur mitgeteilt, dass sie den Rechtsstreit nicht aufnehme.

14bb) Eine Ausnahme von der Notwendigkeit einer Freigabeerklärung der Insolvenzverwalterin folgt hier auch nicht daraus, dass der Kläger mit Schriftsatz vom behauptet hat, das belastete Grundstück sei mit und damit noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens - "im Wege der Zwangsversteigerung verwertet" worden. Daraus ergibt sich nicht, dass das Zwangsversteigerungsverfahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig abgeschlossen war. Denn mit der Erteilung des Zuschlags im Versteigerungstermin ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beendet. Vielmehr ist noch die Verteilung des Erlöses notwendig (§§ 105 ff. ZVG), die die Bestimmung eines Verteilungstermins (§ 105 ZVG), die Aufstellung eines Teilungsplans (§ 113 ZVG) und dessen Ausführung voraussetzt. Bis zur Verteilung des Erlöses setzt sich ein dingliches Recht an dem versteigerten Grundstück, das nach § 91 Abs. 1 ZVG durch den Zuschlag erloschen ist, an dem Erlös als Recht auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös fort (vgl. , WM 1991, 2117, 2118; Böttcher, ZVG, 6. Aufl., § 91 Rn. 2, 4; Stumpe in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 91 ZVG Rn. 2, 6). Sofern das von der Beklagten als Grundschuldgläubigerin betriebene Vollstreckungsverfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers noch nicht durch Verteilung des Erlöses abgeschlossen war, ist es nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, sondern konnte gegenüber der Insolvenzverwalterin fortgeführt werden (vgl. , WM 2005, 1324, 1326; HambKomm/Büchler, 5. Aufl., § 165 InsO Rn. 26; MünchKommInsO/Tetzlaff, 3. Aufl., § 165 Rn. 42 f., 46; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 14. Aufl., § 165 Rn. 3).

Ellenberger                       Grüneberg                         Menges

                     Derstadt                           Dauber

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:100516BXIZR46.14.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2016 S. 889 Nr. 14
WM 2016 S. 1070 Nr. 23
ZIP 2016 S. 1655 Nr. 34
GAAAF-75321