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LSG Hamburg Urteil v. - L 1 KR 87/13

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Behandlung des Klägers mit einer Kopforthese im Rahmen einer sogenannten Helmtherapie. Der im 2011 geborene Kläger ist im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert. Bereits wenige Tage nach der Geburt wurde er an der Speiseröhre operiert. Infolge dieser Operation musste er in den ersten Lebenswochen sehr viel liegen, wodurch sich eine ausgeprägte Abflachung im Bereich des Hinterhauptes entwickelte. Diese lagebedingte Schädelasymetrie wurde zunächst mit Physiotherapie behandelt. Im siebten Lebensmonat wurde von ärztlicher Seite für den Kläger die Durchführung einer sogenannten Helmtherapie empfohlen und eine Kopforthese nach Gipsabdruck verordnet. Unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Firma C. vom 4. Oktober 2011 beantragte die Mutter des Klägers am 13. Oktober 2011 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die fragliche Kopforthese. Ausweislich der Rechnung der besagten Firma ist die Kopforthese dem Kläger am 12. Oktober 2011 ausgeliefert worden. Den Antrag auf Kostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 mit dem Hinweis ab, es handele sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die die erforderliche Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vorliege. Der Kläger könne mit einer Lagerungstherapie und Krankengymnastik behandelt werden. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1. November 2011 Widerspruch ein. Daraufhin beauftragte die Beklagte den MDK mit der Prüfung der Frage, ob eine Kostenübernahme der Therapie medizinisch begründet sei und welche Alternativen gegebenenfalls zur Verfügung stünden. In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 15. November 2011 stellte der MDK fest, dass zweifelsfrei eine deutlich ausgeprägte Schädelasymetrie bzw. ein Brachyzephalus vorliege. Es sei unklar, ob es zu einer spontanen Normalisierung der Schädelform kommen werde. Die konservativen Behandlungsmethoden, die zulasten der Krankenkasse erbracht werden können, seien jedenfalls ausgeschöpft. In schwerwiegenden Fällen werde die Kopforthese zu einer Behandlung eingesetzt, auch wenn die bisherige Studienlage den therapeutischen Nutzen nicht eindeutig belege. Auch sei das Auftreten von nachhaltigen Folgeschäden im Sinne von Funktionsdefiziten durch lagerungsbedingte Schädeldeformitäten bisher nicht bewiesen. Nach dem Hinweis, dass das behandelnde Krankenhaus über jahrelange Erfahrung mit der Helmtherapie verfüge, kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Sachlage eine Kostenübernahme in das Ermessen der Krankenkasse gestellt werden müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Feststellung des MDK zur unklaren wissenschaftlichen Datenlage und verwies die Klägerin erneut auf die Behandlung mit Lagerungstherapie oder Krankengymnastik. Am 17. Februar 2012 hat der Prozessbevollmächtigte im Namen der Mutter und des Klägers, Klage erhoben. Bei der Helmtherapie handele es sich nicht um eine "Methode" im Sinne des § 135 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V -, sondern um die Versorgung mit einem mechanisch wirkenden Produkt zur Beeinflussung des Schädelwachstums, das ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V darstelle. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) sei hierfür nicht erforderlich. Selbst wenn es sich um eine neue Behandlungsmethode handele, könne die Behandlung dem Kläger im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG nicht vorenthalten werden. Insoweit seien die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 06. Dezember 2005 aufgestellten Grundsätze zu beachten. In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts haben die Beteiligten an ihrer jeweiligen Rechtsauffassung festgehalten und nachdem die Klage der Mutter des Klägers zurückgenommen worden ist, hat der Kläger den entsprechenden Klagantrag gestellt, dem die Beklagte mit einem Klagabweisungsantrag entgegen getreten ist. Zu dessen Begründung hat sie vorgetragen, es handele sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 SGB V, denn die Behandlung mit einer Kopforthese erschöpfe sich nicht in dem Zuverfügungstellen eines Medizinproduktes, sondern erfordere eine Anpassung sowie regelmäßige Kontrollen. Die damit erforderliche Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses sei auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG ausnahmsweise entbehrlich. Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung lägen nicht vor. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. April 2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, der nicht weitergehe als der Sachleistungsanspruch, nicht gegeben sei. Ein Sachleistungsanspruch setze nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V voraus, dass die Krankenbehandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Anspruch sei weiterhin nach § 2 Abs. 1 S. 3 und § 12 Abs. 1 SGB V auf solche Leistungen beschränkt, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnis entspreche. Die Leistungspflicht der Krankenkassen sei nicht schon dann gegeben, wenn eine Therapie nach Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes befürwortet werde oder positiv verlaufen sei. Sie müsse hingegen rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. (BSG, Urteil vom 3.7.2012, Aktenzeichen B 1 KR 6/11 R, juris). Dies sei gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 SGB V bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nur dann der Fall, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben habe. Die Behandlung mit einer Kopforthese im Rahmen einer Therapie stelle eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in diesem Sinne dar. Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sei die auf einem theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende systematische Vorgehensweise bei der Untersuchung und Behandlung einer Krankheit. Neu sei eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode jedenfalls dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt sei. Bei der Helmtherapie handele es sich um eine Behandlungsmethode auf Basis eines theoretisch-wissenschaftlichen Konzepts. Der Helm werde nach Gipsabdruck individuell angefertigt und solle als Kopforthese auf das Schädelwachstum Einfluss nehmen. Im Verlaufe der Behandlung seien regelmäßige Kontrollen und Anpassungen erforderlich. Die Behandlungsmethode sei auch neu, weil sie bisher nicht im EBM-Ä als abrechenbare Leistung aufgeführt sei. Die somit erforderliche Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses liege bisher nicht vor. Auch sei die Methode nicht sonst in der medizinischen Wissenschaft allgemein als wirksam anerkannt. Der medizinische Nutzen der Therapie sei bisher durch medizinische Studien nicht hinreichend belegt. Dies habe der MDK unter Verweis auf die ausführliche Stellungnahme der sozialmedizinischen Expertengruppe Es EG Z. 5 des MDK vom 2. September 2005 in der Fassung der Neubewertung vom 29. Oktober 2010 festgestellt. Neuere Erkenntnisse wissenschaftlicher Art, die eine andere Bewertung rechtfertigten, lägen nicht vor. Zwar gäbe es jüngere Studien, wonach die Behandlung mit einer Kopforthese gute Ergebnisse erziele und die Kopfdeformität sogar besser und schneller behoben werden könne, als durch andere Therapieformen. Nach aktueller wissenschaftlicher Erkenntnislage sei die Bewertung des Behandlungserfolges, Kriterien für den Behandlungsbeginn und auch Langzeiteffekte jedoch weiterhin unklar. Eine abschließende wissenschaftliche Bewertung stehe daher noch aus.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
RAAAF-73476

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LSG Hamburg, Urteil v. 03.06.2014 - L 1 KR 87/13

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