Steuerberaterhaftung: Schadensberechnung bei Pflicht zur Beachtung der Interessen mehrerer von dem Mandanten beherrschter Gesellschaften
Leitsatz
Hat der steuerliche Berater nach dem Inhalt des Vertrages die Interessen mehrerer von seinem Mandanten beherrschter Gesellschaften zu beachten, ist im Falle der Pflichtverletzung die Schadensberechnung unter Einbeziehung der Vermögenslage dieser Unternehmen vorzunehmen (Fortführung von ).
Gesetze: § 249 Abs 1 BGB, § 675 Abs 1 BGB
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 10 U 121/12vorgehend LG Frankfurt Az: 2-14 O 161/11
Tatbestand
1Die Gesellschafterinnen der klagenden GmbH, Andrea und Christina T. , waren ursprünglich auch je zu 50 vom Hundert Gesellschafterinnen der Hermann T. OHG (nachfolgend: OHG). Diese war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sie ein Speditionsunternehmen betrieb. Im Jahre 2005 beabsichtigten die Gesellschafterinnen, zum Zweck der Haftungsbeschränkung die OHG in die bereits bestehende Klägerin einzubringen. Hierzu beschlossen sie mit notariellem Vertrag vom , die OHG auf die Klägerin rückwirkend zum zu verschmelzen. Die für die Verschmelzung erforderliche Schlussbilanz der OHG zum fertigte der Beklagte. Anschließend wurde die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen.
2Bei einer steuerlichen Außenprüfung in den Jahren 2009/2010 stellte das Finanzamt fest, dass aufgrund des Übergangs des Betriebsgrundstücks der OHG auf die GmbH im Rahmen der Verschmelzung Grunderwerbsteuer angefallen war. Nach längeren Verhandlungen mit dem Finanzamt, in deren Verlauf sämtliche mit dem Beklagten bestehenden Mandatsverhältnisse gekündigt wurden und die Klägerin sich durch neue steuerliche Berater vertreten ließ, setzte das Finanzamt den Wert des Grundstücks auf einen Betrag fest, der zu einer Grunderwerbsteuer in Höhe von 54.075 € führte, welche die GmbH bezahlte.
3Die Klägerin macht die von ihr entrichtete Grunderwerbsteuer zuzüglich Zinsen sowie das für die Verhandlungen mit dem Finanzamt an ihre neuen Berater gezahlte Honorar in Höhe von 4.150 € und außergerichtliche Anwaltskosten geltend. Sie ist der Auffassung, der Beklagte hätte bei der Verschmelzung im Hinblick auf eine optimale steuerliche Gestaltung eine Übertragung des Betriebsgrundstücks auf eine von den Gesellschafterinnen neu zu gründende Personengesellschaft vor der Verschmelzung der OHG auf die bestehende GmbH empfehlen müssen. Dann wäre keine Grunderwerbsteuer angefallen.
4Die gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.
Gründe
5Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Anspruch der Klägerin scheide schon mangels Darlegung eines ersatzfähigen Schadens aus. Die Klägerin habe durch die unterlassene Beratung keinen nach der Differenzhypothese zu ersetzenden Schaden erlitten, denn hätte der Beklagte nach ihren Vorstellungen beraten, hätte sie zwar keine Grunderwerbsteuer zu zahlen gehabt. Sie hätte aber auch kein Grundstück erworben, so dass ihr Vermögen um ein Vielfaches geringer wäre. Mit dem Argument, durch die Übertragung des Grundstücks sei ihr Haftungsvermögen unnütz verbreitert worden, könne sie nicht gehört werden, denn selbst wenn dadurch Vollstreckungsrisiken entstanden wären, liege darin kein Schaden. Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung unter Einschluss der Vermögenssituation ihrer Gesellschafterinnen und einer etwa neu zu gründenden Besitzgesellschaft könne nicht vorgenommen werden. Für die erhobene Klage sei allein ausschlaggebend, ob das Vermögen der Klägerin infolge des Beratungsfehlers geringer sei, als es ohne den Fehler wäre.
II.
7Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein der Klägerin entstandener Schaden kann mit der Begründung des Berufungsurteils nicht verneint werden.
8Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt - eine Haftung des Beklagten der Klägerin gegenüber dem Grunde nach unterstellt - für die Schadensbetrachtung nicht ausschließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr kann aufgrund der von der Klägerin behaupteten Ausgestaltung des dem Beklagten erteilten Mandats im Rahmen einer konsolidierten Schadensberechnung die Belastung mit Grunderwerbsteuer als Schaden der Klägerin zu berücksichtigen sein.
91. Ausgangspunkt der Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (, BGHZ 193, 297 Rn. 42; vom - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 20; vom - IX ZR 167/13, WM 2015, 790 Rn. 7; vom - IX ZR 56/15, z.V.b. Rn. 12). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (vgl. , WM 1998, 142 f; vom - IX ZR 416/00, WM 2005, 999, 1000; vom - IX ZR 149/04, WM 2008, 946 Rn. 24; vom , aaO). Dieser erfordert hierbei nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. aaO; vom , aaO; vom , aaO).
102. Grundsätzlich ist Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter (vgl. aaO Rn. 8; vom , Rn. 13). Daher kann auf Grund eines Vertrages nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (vgl. , BGHZ 51, 91, 93). Dies hat im Rahmen der Beraterhaftung zur Folge, dass der haftpflichtige Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat; eine Ausnahme bilden die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte (vgl. aaO; G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 138).
113. Die hiernach grundsätzlich gebotene formale Betrachtungsweise führt dazu, dass streng zwischen den Vermögensmassen unterschiedlicher Beteiligter zu unterscheiden ist. Es ist daher zunächst festzustellen, ob in der Person, der dem Grunde nach ein Anspruch zusteht, ein Schaden eingetreten ist (vgl. G. Fischer, aaO). Gesellschaft und Gesellschafter sind hierbei regelmäßig als im Rahmen der schadensrechtlichen Beurteilung selbständige Zuordnungssubjekte zu behandeln (vgl. , BGHZ 61, 380, 383; vom - IX ZR 3/91, WM 1992, 308, 310; G. Fischer, aaO). Weder führt die Annahme eines den Gesellschaftern entstandenen Schadens ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zu einem vermögensrechtlichen Nachteil der Gesellschaft (, BGHZ 193, 297 Rn. 12 ff; G. Fischer, aaO), noch kann ein Steuernachteil der Gesellschaft mit einem Anrechnungsvorteil des Gesellschafters saldiert werden (, NJW 1998, 1486, 1487; vom , aaO Rn. 14; G. Fischer, aaO).
124. Abweichend von diesen Grundsätzen kann aber bei der Bestimmung des jeweils eigenen Schadens die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrages geschuldet sein mit der Folge, dass eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist (vgl. , WM 2015, 790 Rn. 10; vom , aaO Rn. 15). Entscheidend ist hierbei der konkrete Auftrag, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat: Wenn der Mandant im Rahmen einer Beratung die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl. aaO Rn. 11 f; vom , aaO Rn. 15).
13In ständiger Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass in einer - etwa im Interesse der Steuerersparnis - gewollten und gewünschten Vermögensübertragung zugunsten von Familienangehörigen ohne gleichwertige Gegenleistung kein Schaden im Rechtssinn und in ihrem Unterbleiben kein mit dem Steuerschaden verrechenbarer Vermögensvorteil gesehen werden kann (vgl. , WM 2008, 1042 Rn. 15, 18 mwN; vom , aaO Rn. 10). Auch im Fall der Verschmelzung von zwei Gesellschaften ist - sofern es sich wirtschaftlich um dieselbe Vermögensmasse handelt, deren Bestand durch zutreffende Gestaltung der Verschmelzung gerade gesichert werden sollte - eine einheitliche Schadensbetrachtung vorzunehmen, unbeschadet der Tatsache, dass es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsträger handelt (vgl. , WM 1997, 333; vom , aaO Rn. 16).
145. Die Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung können auch im vorliegenden Fall anzuwenden sein.
15Waren nach dem maßgeblichen Vertrag neben den Vermögensinteressen der Klägerin auch diejenigen der Gesellschafterinnen als der wirtschaftlichen Initiatorinnen der Verschmelzung zu berücksichtigen, können die wirtschaftlichen Auswirkungen auf deren Vermögen nicht außer Betracht bleiben. Die Gründung einer Besitzgesellschaft und die Übertragung des Grundstücks auf diese vor der Verschmelzung der OHG auf die Klägerin war nach Darstellung der Klägerin wesentlicher Bestandteil der von dem Beklagten geschuldeten Beratung, welche dieser pflichtwidrig unterlassen haben soll. Demgemäß musste und sollte das Ergebnis der Beratung unmittelbaren Einfluss auf das Vermögen des Firmenverbundes der Gesellschafterinnen haben (vgl. , NJW 1986, 581, 582). Diese Tatsache erfordert eine Gesamtbetrachtung der Vermögensverhältnisse der Personen und Gesellschaften, deren Vermögensinteressen vertragsgemäß bei der Beratung zu berücksichtigen waren.
16Der Umstand, dass die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück erworben hat, kann dann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Folge haben, dass die von ihr zu zahlende Grunderwerbsteuer keinen Schaden darstellt. Der Vorteil des Grundstückserwerbs kann nicht berücksichtigt werden, weil das Grundstück den Gesellschafterinnen wirtschaftlich als Vermögen der von ihnen gebildeten OHG ohnehin gehörte und bei Übertragung auf eine von ihnen neu zu gründende Personengesellschaft wirtschaftlich auch weiter gehört hätte, ohne dass Grunderwerbsteuer zu zahlen gewesen wäre. Nur die Zahlung der Grunderwerbsteuer wirkte sich danach auf das Vermögen aus, dessen Schutz bei der Beratung durch den Beklagten zu berücksichtigen war.
17Wäre Grunderwerbsteuer nicht angefallen, hätte die Klägerin auch keinen Schaden dadurch erlitten, dass sie neue steuerliche Berater kostenpflichtig beauftragen musste, um die Höhe der Steuer möglichst gering zu halten.
III.
18Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
19Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
201. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer konsolidierten Schadensbetrachtung vorliegen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt war der Beklagte damit beauftragt, im Rahmen einer von ihm geschuldeten umfassenden steuerlichen Beratung der Gesellschafterinnen und der von diesen beherrschten Gesellschaften die für eine Beschränkung der Haftung günstigste steuerliche Gestaltung zu finden. Hierzu hat die Klägerin Beweis angetreten. Der Beklagte hat unter Beweisantritt bestritten, ein umfassendes steuerliches Beratungsmandat gehabt zu haben. Er sei jeweils nur im Einzelfall nach entsprechender Beauftragung tätig geworden. Im Hinblick auf die Verschmelzung im Jahre 2005 habe er nur den Auftrag gehabt, die erforderliche Schlussbilanz der OHG zum zu fertigen. Im Hinblick auf Inhalt und Umfang des Beratungsmandats des Beklagten wird das Berufungsgericht den angebotenen Beweis erheben müssen.
212. Der Beklagte hat bestritten, von der Klägerin mandatiert gewesen zu sein. Sollte sich ein entsprechendes Mandat zwischen Klägerin und Beklagtem nicht bestätigen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Beratungsvertrag mit dem Beklagten, sei er von den Gesellschafterinnen oder der OHG geschlossen worden, die Klägerin als begünstigte Dritte (§ 328 BGB) oder zumindest in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen hat. Ist in diesem Vertrag keine ausdrückliche Regelung über eine Einbeziehung der Klägerin enthalten, bedarf es der maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrages, um festzustellen, ob ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin vorliegt (vgl. , BGHZ 193, 297 Rn. 14; vom , aaO Rn. 26). Lässt sich aus dem Willen der Vertragspartner eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich der Vertragsleistung des Beraters ableiten, kann der einbezogene Dritte im Falle der Schädigung einen eigenen Ersatzanspruch als sekundären vertraglichen Anspruch gegen den Berater geltend machen. Um die Haftung des Beraters nicht unbegrenzt auszudehnen, ist jedoch erforderlich, dass der Dritte mit der Hauptleistung des Steuerberaters als Schutzpflichtiger bestimmungsgemäß in Berührung kommt. Zu dieser Voraussetzung der Leistungsnähe muss ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich hinzutreten. Des Weiteren muss, um das Haftungsrisiko berechenbar halten zu können, die Einbeziehung Dritter dem schutzpflichtigen Steuerberater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt (vgl. aaO Rn. 26 mwN).
22Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt war die Klägerin in den Schutzbereich des Mandatsverhältnisses einbezogen. Das nach der Behauptung der Klägerin von dem Beklagten erarbeitete Konzept verfolgte die haftungsrechtliche und steuerrechtliche Optimierung der Vermögensverhältnisse der Gesellschafterinnen. Durch die Beratung und die hierauf aufbauende Vertragsgestaltung sollte bewirkt werden, dass das Haftungsrisiko der Gesellschafterinnen reduziert wurde. Ein Steuerschaden sollte bei den hierbei erforderlichen Maßnahmen möglichst vermieden werden.
233. Das Berufungsgericht wird sodann festzustellen haben, ob die behauptete Pflichtverletzung vorliegt.
244. Stellt das Berufungsgericht eine schuldhafte Pflichtverletzung und einen darauf beruhenden Schaden der Klägerin fest, wird es sich mit den von dem Beklagten behaupteten nachteiligen Folgen - Aufdeckung stiller Reserven mit der Folge der Pflicht, diese zu versteuern - einer Übertragung des Grundstücks auf eine neu zu gründende Personengesellschaft zu befassen haben, die gegebenenfalls schadensmindernd zu berücksichtigen sind.
Vill Lohmann Pape
Grupp Möhring
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:180216UIXZR191.13.0
Fundstelle(n):
BB 2016 S. 916 Nr. 16
BFH/NV 2016 S. 991 Nr. 6
DB 2016 S. 6 Nr. 15
DB 2016 S. 887 Nr. 15
NJW-RR 2017 S. 52 Nr. 1
WM 2016 S. 2089 Nr. 43
ZIP 2016 S. 1541 Nr. 32
LAAAF-70967