Zwangsvollstreckungsverfahren: Kosten für eine Prozessbürgschaft als Kosten der Zwangsvollstreckung
Leitsatz
Die Kosten für eine Prozessbürgschaft zur Vollstreckung aus einer nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung gemäß § 709 Satz 1 ZPO sind Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO.
Gesetze: § 91 ZPO, § 103 ZPO, § 709 S 1 ZPO, § 788 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 5 T 61/13vorgehend AG Erkelenz Az: 17 M 59/12
Gründe
I.
1Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für eine Prozessbürgschaft.
2Die Antragsgegnerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - E. vom zur Zahlung von 40.903,35 € nebst Zinsen an den Antragsteller verurteilt. Das Urteil war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller erbrachte die Sicherheit durch Übergabe einer Prozessbürgschaft der Kreissparkasse H. und betrieb die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Antragsgegnerin durch die Eintragung einer Zwangshypothek. In der Rechtsmittelinstanz einigten sich die Parteien mit Vergleich vom darauf, dass umgekehrt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 45.000 € zahlt.
3Nunmehr begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Erstattung der Avalkosten für die Prozessbürgschaft in Höhe von 5.002,50 €. Zunächst hatte er beim Amtsgericht - Familiengericht - E. beantragt, diese Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung des ursprünglichen Hauptsacheverfahrens festzusetzen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht - Familiengericht - E. jedoch mit der Begründung zurück, es handele sich um Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO. Dementsprechend hat der Antragsteller beim Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - beantragt, die Avalkosten in Höhe von 5.002,50 € nebst Zinsen als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung festzusetzen.
4Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat antragsgemäß entschieden. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
5Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
61. Das Beschwerdegericht meint, Kosten für die Beschaffung einer Bankbürgschaft, die die Zwangsvollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Titel erst ermögliche, seien keine nach § 788 ZPO erstattungsfähigen Kosten. Die Beschaffung der Sicherheit sei ein Vorgang, der sich außerhalb des eigentlichen Verfahrens abspiele. In erster Linie hänge es von der Vermögenslage der Partei ab, ob und wie sie Sicherheit leisten wolle. Die Kosten seien damit nicht unmittelbar durch die Zwangsvollstreckung, sondern durch eigene Entscheidung des Gläubigers verursacht worden, der Einwendungen entgegen gehalten werden könnten. Zur Überprüfung solcher Ansprüche sei das summarische Kostenfestsetzungsverfahren weder vorgesehen noch geeignet.
72. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
8a) Das Beschwerdegericht nimmt zu Unrecht an, dass die Kosten für die Beschaffung einer Prozessbürgschaft, die für die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel erforderlich ist, keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO sind.
9aa) Dabei geht das Beschwerdegericht mit einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung davon aus, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft weder Verfahrens- noch Vollstreckungskosten sind und damit weder dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO noch nach § 788 Abs. 1 ZPO unterliegen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn. 11).
10bb) Diese Ansicht ist rechtsfehlerhaft. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft jedenfalls Verfahrenskosten im weiteren Sinne sind (BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 11/10, NJW 2012, 3789 Rn. 8 und vom - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515 Rn. 6 ff.; Urteil vom - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694, juris Rn. 38 ff.).
11cc) Ob Avalkosten für eine Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 Satz 1, § 711 Satz 1 Halbsatz 3 ZPO als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO oder als Verfahrenskosten nach §§ 91, 103 ZPO einzuordnen sind, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof konnte diese Frage bislang offen lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 11/10, NJW 2012, 3789 Rn. 8; vom - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515 Rn. 6; Urteil vom - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694, juris Rn. 40).
12(1) Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum geht davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind (vgl. OLG Koblenz, MDR 2004, 835, juris Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 12 W 144/03, juris Rn. 3 f.; OLG Düsseldorf, JurBüro 2003, 47 f., juris Rn. 26; OLG München, NJW-RR 2000, 517, 518, juris Rn. 6; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn. 5; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 788 Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rn. 62; MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rn. 14 - unter Aufgabe der in der 2. Auflage vertretenen Meinung; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 ZPO Rn. 12; BeckOK ZPO/Preuß, Stand: , § 788 Rn. 16 f.).
13(2) Vereinzelt wird hingegen angenommen, dass es sich um Kosten zur Beschaffung des Titels und damit um Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 103 ff. ZPO festzusetzen sind, handelt (vgl. OLG Koblenz, BeckRS 2010, 11399; OLG Düsseldorf, JurBüro 1996, 430).
14(3) Der Senat entscheidet diese Streitfrage nunmehr dahingehend, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gemäß § 709 Satz 1, § 711 Satz 1 Halbsatz 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO sind.
15Kosten des Rechtsstreits auf Seiten des klagenden Gläubigers sind die Kosten, die notwendig sind, um einen Titel zu erlangen. Titel nach § 704 ZPO sind unter anderem Endurteile, die für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Sind solche Titel nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so stellt diese Sicherheitsleistung eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach § 751 Abs. 2 ZPO dar. Kosten zur Erlangung dieser Sicherheit sind deshalb Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 ZPO. Sie dienen nicht der Erlangung eines Titels, sondern ermöglichen den Zugriff auf das Schuldnervermögen bereits im Stadium der nur vorläufigen Vollstreckbarkeit zur Abwendung des Risikos der Insolvenz des Schuldners bei gleichzeitiger Absicherung des Schuldners für den Fall der späteren Aufhebung oder Abänderung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung im Rechtsmittelzug. Solche Kosten sind auch die für eine Prozessbürgschaft anfallenden Avalzinsen und -gebühren.
16(4) Der Beschluss des VI. Zivilsenats vom (VI ZB 46/05, NJW-RR 2006, 1001) steht dem nicht entgegen, da er die Einordnung von Avalzinsen für eine Bankbürgschaft betrifft, die nicht wie im Streitfall der Gläubiger zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung, sondern der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgebracht hat.
17b) Der angegriffene Beschluss stellt sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar, § 577 Abs. 3 ZPO.
18aa) Aus § 788 Abs. 3 ZPO folgt, dass ein Gläubiger nach Ersetzung des vorläufig vollstreckbaren Titels durch ein Urteil oder einen Prozessvergleich die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen kann, soweit der Verurteilung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird (vgl. , NJW-RR 2014, 1149 Rn. 13). § 788 Abs. 3 ZPO beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt (BGH, Beschlüsse vom - VII ZB 14/14, aaO; vom - VII ZB 39/10, NJW-RR 2011, 1217 Rn. 10). Danach sind die Kosten einer im Ergebnis zu Unrecht erfolgten Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel nach dessen Aufhebung oder Abänderung nicht nur nach § 788 Abs. 3 ZPO zu erstatten, sondern dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 788 Abs. 2, § 103 ZPO keine Berücksichtigung finden (, aaO; Beschluss vom - VIII ZB 27/09, NJW-RR 2012, 311 Rn. 8; Beschluss vom - VII ZB 39/10, aaO; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rn. 14).
19bb) So liegt der Fall hier.
20Die Kosten für die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - E. vom können nicht mehr festgesetzt werden, da deren Festsetzungsfähigkeit durch den von den Parteien in der Rechtsmittelinstanz geschlossenen Vergleich vom entfallen ist. In diesem Vergleich hat sich der hiesige Antragsteller in Umkehrung der vom Amtsgericht - Familiengericht - E. ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung verpflichtet, an die hiesige Antragsgegnerin einen Betrag von 45.000 € zu zahlen. Durch den Vergleich ist der bereits durchgeführten Vollstreckung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen, was im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.
III.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick Halfmeier Kartzke
Jurgeleit Wimmer
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:100216BVIIZB56.13.0
Fundstelle(n):
NJW 2016 S. 2579 Nr. 35
WM 2016 S. 464 Nr. 10
ZAAAF-68389