Anhörungsrüge: Kircheneinkommensteuer und besonderes Kirchgeld in .sog. glaubensverschiedenen Ehen
Leitsatz
Eine "Gesamtschau" von Kircheneinkommensteuer und besonderem Kirchgeld und damit eine Berücksichtigung des Lebensführungsaufwands des nicht-verdienenden Ehegatten (Nicht-Kirchenmitglied) bei der Anteilsbemessung der Kircheneinkommensteuer des alleinverdienenden Ehegatten (Kirchenmitglied) ist auch im Hinblick auf eine in Art. 1 § 2 Abs. 2 HHG 2006/2007 angeordnete Vergleichsberechnung zwischen der Kircheneinkommensteuer und dem besonderen Kirchgeld in einer sog. glaubensverschiedenen Ehe nicht geboten.
Gesetze: KiStG BW § 5 Abs. 1, FGO § 133a Abs. 1
Tatbestand
1 Mit Beschluss vom I B 109/12, BFH/NV 2014, 182 hat der angerufene Senat die Beschwerde des Klägers, Beschwerdeführers und Rügeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger wendet sich gegen den ihm am zugegangenen Beschluss mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
Gründe
2 II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Beschwerdeverfahren nicht verletzt.
3 1. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom I S 8/12, BFH/NV 2012, 1813).
4 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenngleich es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieses Recht wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.; vom IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324).
5 2. Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung vor. Der Senat hat in seinem Beschluss vom die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen umfassend geprüft.
6 a) Soweit der Kläger vorbringt, der Senat habe die Vergleichsberechnung zwischen der Kirchensteuer vom Einkommen und dem Kirchgeld in glaubensverschiedenen Ehen unbeachtet gelassen, kann dem nicht gefolgt werden.
7 Der Senat hat sich vielmehr erkennbar mit dem rechtlichen Verhältnis zwischen der Kircheneinkommensteuer auf der einen Seite und dem besonderen Kirchgeld auf der anderen Seite auseinandergesetzt. So hat der Senat insbesondere herausgearbeitet, dass die Kircheneinkommensteuer und das besondere Kirchgeld bereits auf unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen basieren. Hieraus hat der Senat sodann eine strikte Trennung zwischen der Kircheneinkommensteuer als Annexsteuer und dem besonderen Kirchgeld als eigenständige Steuer abgeleitet. Ausgehend von dieser Grundannahme konnte der Senat ein „Korrespondenzprinzip”, wie es der Kläger für die Kircheneinkommensteuer steuerlich berücksichtigen will, als verfassungsrechtlich nicht geboten ansehen.
8 Der wiederholte Hinweis des Klägers auf die nach Art. 1 § 2 Abs. 2 des Kirchlichen Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsbuches der Evangelischen Landeskirche in Baden für die Jahre 2006 und 2007 (HHG 2006/2007) vom (Gesetzes- und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche in Baden 2006, 97) vorzunehmende Vergleichsberechnung zwischen der Kirchensteuer vom Einkommen und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe vermag daran (erneut) nichts zu ändern. Die strikte Trennung zwischen beiden Steuern, die im Übrigen bereits in § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Baden-Württemberg vom (Gesetz- und Verordnungsblatt Baden-Württemberg 1978, 369, BStBl I 1978, 403) hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, wird durch die Vergleichsberechnung nach Art. 1 § 2 Abs. 2 HHG 2006/2007 nicht aufgehoben. Im Gegenteil wird hierdurch die subsidiäre Funktion des Kirchgeldes gerade betont. Eine „Gesamtschau” von Kircheneinkommensteuer und besonderem Kirchgeld ist daher auch im Hinblick auf die vom Kläger hervorgehobene „verfassungsrechtliche Vergleichsperspektive” der Vergleichsberechnung nach Art. 1 § 2 Abs. 2 HHG 2006/2007 nicht zu entnehmen.
9 b) Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, der Senat habe lediglich Ausführungen aus dem Senatsurteil vom I R 68/96 (BFHE 183, 107, BStBl II 1997, 545) wiederholt, ohne sich mit den Ausführungen des Klägers, in denen sich dieser dezidiert mit der Argumentation des Senats in dieser Entscheidung auseinandersetzt, thematisch zu beschäftigen, ist ein Gehörsverstoß nicht erkennbar. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt —wie erläutert— grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen.
10 3. Auf Antrag des Klägers wird der Tatbestand des Beschlusses vom I B 109/12 unter I. dahingehend berichtigt, dass der Kläger „Mitglied der Evangelischen Landeskirche in Baden” war und nicht „Mitglied der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Baden” (§§ 108 Abs. 1, 113 Abs. 1 FGO).
11 4. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr von 60 € erhoben (vgl. Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom , BGBl I 2013, 2586). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2016 S. 591 Nr. 4
DAAAF-67274