Instanzenzug: BSG
Gründe:
I
1Der Kläger begehrt in der Hauptsache Entschädigung wegen der überlangen Dauer eines beim SG Itzehoe (Az S 22 SO 22/09) von März 2009 bis Mai 2012 und anschließend bei dem Schleswig-Holsteinischen LSG (Az L 9 SO 49/12) von Juni 2012 bis Mai 2013 geführten Gerichtsverfahrens über Sozialhilfeleistungen.
2Das LSG hat die mit der Berufung erhobene Verzögerungsrüge und Entschädigungsklage des Klägers abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt: Bezogen auf das erstinstanzliche Verfahren habe der Kläger nicht rechtzeitig eine Verzögerungsrüge erhoben, weil er sie nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) erhoben habe. Dies schließe die Entschädigung in Geld und auch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer aus. Für den Zeitraum nach Erhebung der Verzögerungsrüge im Juni 2012 bestehe ebenfalls kein Entschädigungsanspruch, weil die äußerste Grenze der angemessenen Verfahrensdauer nicht überschritten sei (Urteil vom ).
3Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil, für die ihm der Senat Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. bewilligt hat (Beschluss vom ), rügt der Kläger einen Verfahrensmangel und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
4Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist teils unzulässig, teils unbegründet und damit insgesamt zurückzuweisen (vgl etwa - Juris).
51. Die Beschwerde genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG, soweit der Kläger einen Verfahrensmangel rügt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Daran fehlt es hier.
6Der Kläger führt an, das LSG habe angesichts der Dauer des Ausgangsverfahrens zu Unrecht die Überprüfung unterlassen, ob trotz (des von ihm angenommenen) verspäteten Rügevorbringens - wenigstens - eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer geboten war. Damit habe es verfahrensfehlerhaft gehandelt. Der Kläger übersieht indes, dass ein Verfahrensfehler nur dann in Betracht kommt, wenn sich das LSG von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus zu einer anderen als der eingeschlagenen Vorgehensweise hätte veranlasst sehen müssen (vgl - Juris, RdNr 4). Entsprechend den Angaben in der Beschwerdebegründung ist das LSG jedoch für den hier als gegeben erachteten Übergangsfall iS des Art 23 S 2 und 3 ÜGG von einer umfänglichen Präklusionswirkung der Verzögerungsrüge ausgegangen, so dass es an Darlegungen fehlt, wieso die angegriffene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könnte. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
72. Soweit der Kläger als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung zwar noch den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG. Die Beschwerde hat insoweit jedoch keinen Erfolg, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
8Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist in diesem Sinne nicht mehr klärungsbedürftig.
9Der Kläger wirft als Rechtsfrage auf:
Muss das Gericht in ÜGG-Verfahren, auch wenn es die Rüge als verspätet ansieht, gleichwohl, insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 198 Abs 4 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), die Frage untersuchen, ob die Verfahrensdauer auch tatsächlich unangemessen verzögert ist.
10Die damit sinngemäß umschriebene Frage nach dem Umfang der Präklusionswirkung der Verzögerungsrüge für Übergangsfälle iS des Art 23 S 2 und 3 ÜGG ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung nicht mehr klärungsbedürftig (vgl hierzu B 11b AS 61/06 B - Juris RdNr 7 mwN). Wie der Senat inzwischen entschieden hat, führt die im Anwendungsbereich des Art 23 S 2 und 3 ÜGG nicht rechtzeitig erhobene Verzögerungsrüge nicht nur zu einer materiell-rechtlichen Präklusion des Entschädigungsanspruchs wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 Abs 1 S 1, Abs 2 S 2 GVG bis zum Inkrafttreten des ÜGG am (vgl Art 24 ÜGG), sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt. Diese Präklusion umfasst überdies auch die Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer nach § 198 Abs 4 S 3 Halbs 2 GVG ( B 10 ÜG 8/14 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 4 = Juris, RdNr 23 und 27). Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist damit geklärt. Warum gleichwohl noch Klärungsbedarf fortbestehen sollte, hat er bei seiner Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG nicht begründen können (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2). Insbesondere hat er weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, welche Besonderheiten sein Fall aufweisen sollte, die noch einer grundsätzlichen rechtlichen Einordnung und Klärung bedürften.
113. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, § 183 S 6 SGG.
124. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2 und § 47 GKG. Da der Kläger den geltend gemachten immateriellen Schaden nicht beziffert hat, ist der Streitwert in Höhe des Auffangstreitwerts festzusetzen.
Fundstelle(n):
MAAAF-66675