BSG Beschluss v. - B 3 P 3/15 BH

Instanzenzug: S 7 P 55/13

Gründe:

I

1Mit Urteil vom 20.10.2015 hat das Hessische LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zum Badumbau, ua zum Einbau einer Badewanne mit Tür, verneint.

2Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er ist derzeit nicht pflegebedürftig iS von §§ 14, 15 SGB XI. Die Vorinstanzen gehen davon aus, dass der Kläger zum Personenkreis eines Pflegebedürftigen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz gehört (nach §§ 45a, 123 Abs 1 und 2 SGB XI). Sein im Juni 2013 gestellter Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zur Verbesserung des Wohnumfelds für den Umbau seines Bads blieb nach Einholung einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 4.7.2013 erfolglos (Bescheid vom 11.7.2013). Der Empfehlung des SMD folgend bewilligte die Beklagte jedoch einen Badewannenlifter. Der Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung des Zuschusses blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013). Das SG hat die Klage unter Heranziehung des im parallelen Rechtsstreit wegen der Zuordnung zu einer Pflegestufe eingeholten Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen B. vom 29.11.2014 abgewiesen (SG Gießen Gerichtsbescheid vom 23.3.2015).

3Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Begutachtung seines häuslichen Umfelds durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. S. abgelehnt. Daraufhin hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass dem Kläger kein Zuschuss zu einer Wohnumfeld verbessernden Maßnahme nach § 40 Abs 4 Satz 1 SGB XI zustehe. Das LSG hat sich hierfür auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung bezogen (§ 153 Abs 2 SGG) und ergänzend ausgeführt: Der Badumbau durch Entfernung der vorhandenen Badewanne und den Einbau einer Badewanne mit Tür, durch die Installation eines Badewannenspritzschutzes und eines Handtuchhalters aus Chrom erfülle nicht die Voraussetzungen von § 40 Abs 4 Satz 1 SGB XI. Dies sei weder zur Ermöglichung oder zur erheblichen Erleichterung der häuslichen Pflege noch zur Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung des Klägers erforderlich. Danach erfülle bereits der vorhandene Badewannenlifter den notwendigen Hilfebedarf beim Baden und der darüber hinaus erforderliche Hilfebedarf werde durch den beantragten Umbau nicht gedeckt. Eine weitergehende Aufklärung der Umstände des häuslichen Umfelds sei nicht möglich gewesen, weil der Kläger der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch einen Pflegesachverständigen widersprochen habe. Die vorgelegten Unterlagen und das klägerische Vorbringen seien allein nicht ausreichend, um die notwendigen Voraussetzungen des Anspruchs festzustellen. Die Nichterweislichkeit des Vorliegens dieser Voraussetzungen gehe zu Lasten des Klägers.

4Am 7.11.2015 hat der Kläger für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und um Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten gebeten. Er trägt vor, dass es ihm gesundheitlich schlecht gehe und er keine Kraft mehr habe, sich einer erneuten Begutachtung zu unterziehen. Im Übrigen wendet er sich gegen die Ablehnung der Pflegestufe auf der Grundlage eines seiner Ansicht nach befangenen Sachverständigen.

II

5Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG, § 114 ZPO).

6Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung zulässige Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs hier nicht ersichtlich und könnte auch von einem rechtskundigen Bevollmächtigten des Antragstellers nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden.

7Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von dem Kläger angegriffene Urteil des LSG auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit des Klägers solche Rechtsfragen von Bedeutung sind, ist nicht ersichtlich. Die für den Rechtsstreit bedeutsamen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des BSG bereits hinreichend geklärt (vgl BSG SozR 4-3300 § 45a Nr 1 zu den Voraussetzungen des Betreuungsbedarfs nach § 45 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, selbst wenn der Senat mit Urteil von 25.11.2015 (B 3 P 3/14 R - für SozR 4 vorgesehen) seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer erheblichen Erleichterung der Pflege iS von § 40 Abs 4 Satz 1 SGB XI erweiternd klargestellt hat. Denn nach den Feststellungen des SG, auf die das LSG Bezug genommen hat, wird der erforderliche Hilfebedarf beim Einsteigen in die Badewanne in erster Linie durch den Badewannenlifter sichergestellt, während die zusätzlich erforderliche Hilfe beim Waschen und Abtrocknen des Körpers durch den Badumbau nicht erleichtert wird. Eine weitergehende Sachaufklärung wäre indes nur möglich, wenn der Kläger eine neue Begutachtung seiner Pflegesituation zuließe. Das ist auch nach den Ausführungen im Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 7.11.2015) offensichtlich nicht der Fall.

8Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine weitere gerichtliche Aufklärung der Umstände im häuslichen Umfeld des Klägers, die zur Feststellung der Voraussetzungen für die Zuschussgewährung Aufschluss geben könnten, nicht ohne sein Einverständnis erfolgen kann. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des LSG (§ 103 SGG) liegt hierin aber nicht. Bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten genügt es, wenn dem Vorbringen, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht (sog Warnfunktion, stRspr vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 67), Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass überhaupt noch eine Aufklärung des Sachverhalts in eine bestimmte Richtung für erforderlich gehalten wurde (vgl - Juris RdNr 5 mwN). Daran fehlt es hier, weil der Kläger im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 14.7.2015 erklärt hat, an "keinem Gutachten mehr teilnehmen" zu wollen und daher vorbehaltlos sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat (§ 124 Abs 2 SGG).

9Sofern der Kläger vorträgt, dass seine Klage wegen der Zuordnung zu einer Pflegestufe zu Unrecht abgewiesen worden sei, weil er gegen den erstinstanzlich tätig gewordenen Sachverständigen ein Befangenheitsgesuch gestellt habe, ergibt sich hieraus kein fortwirkender Verfahrensmangel des angefochtenen Berufungsurteils. Insoweit verweist der Senat auf den ablehnenden PKH-Beschluss im parallelen Verfahren (B 3 P 2/15 BH).

10Da die aufgezeigten Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vorliegen, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Fundstelle(n):
AAAAF-49228