Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafverfahren: Verschulden des Verteidigers bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist
Gesetze: § 44 S 1 StPO, § 345 Abs 1 StPO
Instanzenzug: LG Mannheim Az: 5 KLs 203 Js 16799/12nachgehend Az: 1 StR 435/15 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt.
2Gegen dieses Urteil hat er Revision eingelegt und begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung der Revision. Auf seinen Antrag hin war ihm gemäß § 44 Satz 1 StPO Wiedereinsetzung zu gewähren.
31. Dem Wiedereinsetzungsantrag liegt folgendes Geschehen zugrunde:
4Der Angeklagte hatte durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht Revision gegen das eingelegt. Dieses wurde dem Verteidiger am zugestellt. Nachdem bis zum Fristablauf am Montag, den keine Rechtsmittelbegründung bei dem Landgericht eingegangen war, verwarf dieses die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO mit Beschluss vom .
5Die Zustellung dieses Beschlusses an den Verteidiger erfolgte am . Mit Schriftsatz vom selben Tage beantragte dieser für den Angeklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete zugleich die Revision mit der Verletzung materiellen Rechts. In diesem Schriftsatz legte der Verteidiger u.a. dar, dass er am , also noch während des Laufs der Rechtsmittelbegründungsfrist, den Angeklagten darüber unterrichtet hatte, keine Verfahrensbeanstandungen gefunden zu haben und der Bundesgerichtshof nunmehr aufgrund der materiell-rechtlichen Rüge das Urteil überprüfen müsse. Dabei habe er, der Verteidiger, übersehen, entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten und wie es seinem Antrag entsprochen hätte, das Rechtsmittel nicht sogleich mit der Einlegung mit der Verletzung materiellen Rechts begründet zu haben. Sein Fehler sei ihm erst durch die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses aufgefallen. Den Angeklagten habe er noch am selben Tage davon unterrichtet. Dieser habe ihn mit dem Wiedereinsetzungsgesuch beauftragt.
62. Die Wiedereinsetzung war auf den zulässig erhobenen Antrag (§ 45 StPO) zu gewähren, weil der Angeklagte nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen ohne sein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO) daran gehindert war, die Revision innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO zu begründen.
7Das Verschulden seines Verteidigers an der Fristversäumnis ist dem Angeklagten nicht zuzurechnen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 44 Rn. 18 mwN). Nachdem der mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragte Verteidiger den Angeklagten unterrichtet hatte, der Bundesgerichtshof habe auf die (vermeintlich) bereits erhobene Sachrüge das Urteil in materiell-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, durfte er auf das Vorliegen einer fristgemäß erfolgten Rechtsmittelbegründung durch seinen Verteidiger vertrauen. Zu einer Überwachung seines Verteidigers ist ein Angeklagter grundsätzlich nicht verpflichtet (, BGHR StPO § 44 Satz 1 Verhinderung 6). Anhaltspunkte dafür, dass er sich auf die weitere ordnungsgemäße Behandlung des Rechtsmittels durch seinen Verteidiger nicht hätte verlassen dürfen, sind nicht ersichtlich.
83. Durch die Wiedereinsetzung ist der gemäß § 346 Abs. 1 StPO erfolgte Verwerfungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom gegenstandslos.
Raum Graf Cirener
Radtke Bär
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:110116B1STR435.15.0
Fundstelle(n):
wistra 2016 S. 163 Nr. 4
XAAAF-48406