Betäubungsmittelhandel: Wertersatzverfall des Erlöses aus Drogenverkäufen
Gesetze: § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 33 Abs 1 Nr 2 BtMG, § 73 Abs 2 S 2 StGB, § 73a StGB, § 73d StGB
Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 6 KLs 3351 Js 39349/14 H
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Daneben hat es unter anderem die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen und den Verfall von Wertersatz in Höhe eines Betrags von 84.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat die Anordnung des Verfalls von Wertersatz keinen Bestand.
31. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte einen Betrag in Höhe von 84.000 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. Die aus eigenen Betäubungsmittelgeschäften resultierenden Erlöse in Höhe von 39.000 € hat der Angeklagte jeweils „aus der Tat“ erlangt. Daneben unterliegt auch der Betrag in Höhe von 45.000 €, den der Angeklagte aufgrund der Beteiligung an den Taten erhalten hat, als „für die Tat“ erlangter Tatlohn dem Verfall. Anders als das Landgericht meint, handelt es sich allerdings nicht um einen Fall des erweiterten Verfalls (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73d StGB), da die Gelder nicht aus anderen, nicht angeklagten Taten herrührten (vgl. ; vgl. auch Volkmer in: Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 33 Rn. 187). Hat das Tatgericht konkrete Betäubungsmitteltaten festgestellt und sind – wie hier – die aufgrund der Begehung dieser Taten konkret erlangten Gelder nicht mehr vorhanden (zu dem mit erlangten Geldern bezahlten Pkw siehe unter 2.), ist vielmehr der Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) in Höhe eines entsprechenden Geldbetrags anzuordnen (vgl. , NStZ 2003, 198, 199; Beschluss vom - 4 StR 119/10, NStZ-RR 2010, 255).
42. Die Anordnung des Wertersatzverfalls käme hier lediglich in Höhe von 67.000 € in Betracht. Nach den Urteilsgründen hat sich der Angeklagte im April 2014 einen gebrauchten Pkw gekauft und den Kaufpreis in Höhe von 17.000 € aus den deliktisch erlangten Geldern bezahlt (UA S. 6). Auf das Eigentum an diesem Pkw hat der Angeklagte am schriftlich und unwiderruflich verzichtet (UA S. 13/21 f.). Bei dem Pkw handelt es sich um einen Gegenstand, den der Angeklagte als Surrogat im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB erworben hat. Hierzu zählen auch solche Gegenstände, die der Täter unter Verwendung (deliktisch) erlangter Geldbeträge angeschafft hat (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 73 Rn. 59; Schmidt, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 46). Das Landgericht hätte daher den Pkw gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB für verfallen erklären und im Übrigen in Höhe von 67.000 € den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) anordnen können (vgl. Joecks aaO § 73 Rn. 61). Infolge des Verzichts des Angeklagten wurde eine Verfallsanordnung hinsichtlich des Pkws entbehrlich (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73 Rn. 41). Ungeachtet dessen hat der Verzicht zur Folge, dass sich die Höhe der Anordnung des Wertersatzverfalls entsprechend verringert (vgl. Senatsurteil vom - 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480, 481; , BGHSt 48, 40), da andernfalls der Wert des Erlangten zwei Mal abgeschöpft werden könnte (vgl. Schönke/Schröder/Eser, StGB, 29. Aufl., § 73 Rn. 46).
53. Der Ausspruch über den Verfall von Wertersatz kann aber auch in Höhe von 67.000 € keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen des § 73c StGB nur unzureichend geprüft hat.
6Das Landgericht hat ausgeführt, dass „weder eine unbillige Härte vorliegt noch Billigkeitserwägungen ein Absehen von dieser [Verfalls-]Anordnung nahe legen“ (UA S. 23). Das Urteil enthält indes keine Feststellungen dazu, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Entsprechende Feststellungen wären jedoch für die Prüfung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB erforderlich gewesen. Nach dieser Vorschrift, die gegenüber § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vorrangig ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73c Rn. 2), kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen. Ist auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. , StV 2013, 630; Beschluss vom - 1 StR 336/13, BGHR StGB § 73c Härte 16 mwN).
7Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte zumindest einen Teil der verbleibenden 67.000 € für seinen Lebensunterhalt verbraucht und zudem einen Großteil des Geldes in die Türkei transferiert (vgl. UA S. 6). Anlässlich der Festnahme des Angeklagten konnte lediglich ein Bargeldbetrag in Höhe von 1.125 € sichergestellt werden (UA S. 8). Dazu, ob der Angeklagte, der arbeitslos ist und bis Ende 2010 Sozialleistungen bezog, über weitere Vermögenswerte verfügt, verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren. Daran anknüpfend hätte sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. mwN).
8Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz. Die bislang getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Sie können durch ihnen nicht widersprechende neue Feststellungen ergänzt werden.
Appl Eschelbach Ott
Zeng Bartel
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2015:1811152STR399.15.0
Fundstelle(n):
UAAAF-46330