BGH Beschluss v. - 4 StR 430/15

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 44 KLs 200 Js 4179/14 - 5/15

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und auf Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.660 € erkannt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

2Hinsichtlich der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Angeklagten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil den Angeklagten an der unvollständigen Übermittlung des die Revisionsbegründung enthaltenen Telefaxschreibens seines Verteidigers an das Landgericht am letzten Tag der Begründungsfrist kein Verschulden trifft.

3Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

4Nach den Feststellungen bezog der Angeklagte im Januar 2015 in zwei Fällen 30 und 33 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 40 % Heroinbase. Während jeweils 10 Gramm der beschafften Mengen dem Eigenkonsum dienten, streckte der Angeklagte das übrige Heroingemisch auf das Doppelte und verkaufte es gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter (Taten II.2. und 3. der Urteilsgründe). Bei einer weiteren Beschaffungsfahrt am erwarb der Angeklagte von seinem Lieferanten 68,35 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 48 % Heroinbase, von welchem wiederum 10 Gramm für den Eigenkonsum und 58,35 Gramm zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren (Tat II.4. der Urteilsgründe). Nach der Festnahme des Angeklagten wurden bei einer Durchsuchung am Arbeitsplatz des Angeklagten zum Eigenkonsum bestimmte 14,87 Gramm Heroinzubereitung mit einer Wirkstoffkonzentration von 44,8 % Heroinbase sichergestellt. Dieses Heroingemisch hatte der Angeklagte an einem nicht näher bestimmbaren Tag im Jahr 2014 erworben und in seinem Spind bereit gehalten, um etwaig auftretenden Entzugserscheinungen während der Arbeit entgegenwirken zu können und sich auf diese Weise arbeitsfähig zu halten (Tat II.1. der Urteilsgründe).

II.

5Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann nicht bestehen bleiben, weil sich die rechtliche Würdigung des Landgerichts hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses als unzutreffend erweist.

6Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 516/14, NStZ-RR 2015, 174 f.; vom – 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163; vom – 2 StR 67/10 Rn. 2; vom – 4 StR 358/04, NStZ 2005, 228 f.; Urteil vom – 1 StR 173/78). Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 516/14 aaO; vom – 3 StR 352/08, NStZ-RR 2009, 58; vom – 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 165 f.). Der Besitz hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht die Kraft, selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 144/13 aaO; vom – 3 StR 631/95 aaO; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1380). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zum Eigenkonsum und teils zu Handelszwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf, während es für die Eigenbedarfsmenge bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verbleibt. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 516/14 aaO; vom – 1 StR 293/98, StV 1998, 593; vom – 1 StR 578/95; vom – 1 StR 539/90; vom – 2 StR 173/84, bei Schoreit, NStZ 1985, 58; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Rn. 108; Kotz in MükoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1209).

7Danach hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Besitz an den bei den drei Beschaffungsfahrten jeweils zum Eigenkonsum erworbenen nicht geringen Heroinmengen in dem bereits durch die Aufbewahrung des im Jahr 2014 beschafften Heroinvorrats verwirklichten unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgeht und daher nur eine einheitliche Tat des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben ist. Die Strafkammer hat aber übersehen, dass der Besitz an dem zum Eigenkonsum dienenden Heroin zu den Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Idealkonkurrenz steht. Da eine Verklammerung der Handelstaten ausscheidet, hat sich der Angeklagte somit des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen schuldig gemacht.

8Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der in vollem Umfang geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung führt zum Entfallen der für die Tat II.1. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Einzelstrafen für die Taten II.2. bis 4. der Urteilsgründe können bestehen bleiben. Die Gesamtstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs ebenfalls nicht berührt. Der Senat kann angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von zwei Jahren und neun Monaten und zweimal einem Jahr und sechs Monaten ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

9Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Sost-Scheible                             Roggenbuck                          Cierniak

                          Mutzbauer                               Bender

Fundstelle(n):
NAAAF-32548