BSG Urteil v. - B 13 R 24/14 R

Zuordnung einer nichtknappschaftlichen Tätigkeit in einem Bergbausanierungsbetrieb zur allgemeinen Rentenversicherung

Leitsatz

1. Ein gesellschaftsrechtlich selbstständiger Betrieb mit dem Unternehmenszweck der Sanierung vormals für den Braunkohletagebau genutzter Flächen ist kein knappschaftlicher Betrieb.

2. Reparaturarbeiten an bei der Sanierung von Tagebauflächen eingesetzten mobilen Erdbaugeräten, die nicht ebenso kräftezehrend und gesundheitsgefährdend wie Arbeiten unter Tage sind, stellen keine knappschaftlichen Arbeiten dar.

Gesetze: § 133 SGB 6 vom , § 134 Abs 1 SGB 6 vom , § 134 Abs 2 SGB 6 vom , § 134 Abs 3 SGB 6 vom , § 134 Abs 4 Nr 7 SGB 6 vom , § 134 Abs 4 Nr 11 SGB 6 vom , § 134 Abs 5 SGB 6 vom , § 138 Abs 1 SGB 6 vom , § 138 Abs 4 SGB 6 vom , § 149 Abs 5 SGB 6, § 273 Abs 1 SGB 6, § 273 Abs 2 SGB 6, § 4 Abs 2 BBergG, § 13 GmbHG, § 1 KnArbV, § 2 RKG

Instanzenzug: SG Dresden Az: S 24 KN 1991/11 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 4 KN 513/12 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Zuordnung der im Jahr 2000 sowie von Mai bis Dezember 2004 zurückgelegten Beschäftigungszeiten in seinem Versicherungskonto zur knappschaftlichen Rentenversicherung.

2Der 1959 geborene Kläger ist gelernter Baumaschinenschlosser. Er war zunächst als Instandhaltungsmechaniker im Braunkohlekombinat S. und ab 1990 bei der L AG (L.) im Tagebau B. tätig. Zum schied er dort aus; anschließend war er bei der G. mbH (B. GmbH), nach deren Aufspaltung ab bei der B. S. GmbH im Rahmen mehrerer von der Arbeitsverwaltung geförderter Projekte jeweils befristet beschäftigt. Über das Vermögen der B. S. GmbH wurde im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beigeladene zum Insolvenzverwalter bestimmt (Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom ).

3In den hier streitbefangenen Zeiträumen war der Kläger jeweils aufgrund befristeter Arbeitsverträge mit der B. S. GmbH vom 1.1. bis als Instandhaltungsmechaniker und vom bis als Mehrzweckgerätefahrer im Tagebau B. beschäftigt. Dort wurde, nachdem seit Beginn der 1990er Jahre Abbau und Sanierung parallel vorgenommen worden waren, die Braunkohleförderung zum komplett eingestellt. Die eingesetzten Tagebaugroßgeräte wurden überwiegend bis Ende 1999, je ein Absetzer zur Verkippung erst 2000 bzw 2001 verschrottet; die weitere Rekultivierung erfolgte anschließend mit Hilfe mobiler Erdbautechnik.

4Von Beginn seiner Tätigkeit bei der B. S. GmbH an war der Kläger bei der beklagten Bundesknappschaft, die ab unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See" fortgeführt wurde, pflichtversichert und es wurden für ihn Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichtet. Nach Überprüfung des Versicherungsverhältnisses war die Beklagte jedoch der Ansicht, dass sie den Kläger zu Unrecht zur knappschaftlichen Versicherung herangezogen habe, weil er nicht ausschließlich oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten verrichtet habe; als Instandhaltungsmechaniker sei er lediglich "für" und nicht "in" der Sanierung des ehemaligen Tagebaugeländes tätig gewesen. Die daraufhin erfolgte "Umstellung des Rentenversicherungsverhältnisses nach § 201 Abs. 2 SGB VI" (Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ) hat die Beklagte - nach gerichtlicher Entscheidung in einem Parallelverfahren, dass eine Ermächtigungsgrundlage hierfür fehle - im Hinblick darauf zurückgenommen, dass die Zuordnungsfrage im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung des Versicherungsverlaufs zu klären sei (Bescheid vom ).

5Die Beklagte stellte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten des Klägers, die länger als sechs Jahre zurücklagen (bis ), nach § 149 Abs 5 SGB VI verbindlich fest (Vormerkungsbescheid vom ). Die hier streitigen Beschäftigungszeiten (vom bis sowie vom bis ) ordnete sie dabei der allgemeinen Rentenversicherung der Arbeiter zu. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Da die B. S. GmbH weder ein knappschaftlicher Betrieb sei noch der Kläger knappschaftliche Tätigkeiten verrichtet habe, komme eine Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung nicht in Betracht (Widerspruchsbescheid vom ).

6Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG Dresden vom ; Urteil des Sächsischen ). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Vormerkungsbescheid sei zu Recht ergangen. Die B. S. GmbH sei kein knappschaftlicher Betrieb gewesen, weil der Gegenstand des Unternehmens auf reine Sanierungsarbeiten, auf landschaftsgestalterische Maßnahmen, auch außerhalb des Bergbaus, sowie auf Tätigkeiten aller Art auf dem Gebiet der Umwelt ausgerichtet gewesen sei. Solche Betriebe erfüllten nicht den eng auszulegenden Begriff des knappschaftlichen Betriebs unter Berücksichtigung des Versicherungszwecks der im Bergbau Beschäftigten. Es habe sich auch nicht um einen überwiegend unterirdisch betriebenen Betrieb der Industrie der Steine und Erden und auch nicht um einen Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebs gehandelt. Der Kläger habe als auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus mit der Störungssuche und Reparaturen an mobiler Erdbautechnik befasster Instandhaltungsmechaniker auch keine knappschaftlichen Arbeiten verrichtet. Er sei bei seinen Tätigkeiten den typischen Erschwernissen des Bergbaus nicht ausgesetzt gewesen und habe zu Sanierungsarbeiten iS von § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI allenfalls mittelbar beigetragen.

7Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die knappschaftliche Rentenversicherung (§ 138 SGB VI aF und § 134 SGB VI). Unzutreffend habe das LSG die B. S. GmbH nicht als knappschaftlichen Betrieb eingeordnet. Der ursprüngliche Gründungszweck der Gesellschaft sei die Durchführung der Sanierung des Braunkohletagebaus in der Lausitz und in Mitteldeutschland gewesen. Damit stehe die B. S. GmbH in "gerader Funktionsnachfolge" eines - zweifelsfrei - ehemaligen knappschaftlichen Betriebs, dem Braunkohletagebau in der ehemaligen DDR. Unerheblich sei, dass sich die B. S. GmbH für andere Geschäftsfelder auch außerhalb des Braunkohletagebaus geöffnet habe. Der weit überwiegende Anteil des Umsatzes der B. S. GmbH sei im Bereich der Bergbausanierung erzielt worden. Im Übrigen habe der Kläger zumindest überwiegend knappschaftliche Arbeiten iS von § 133 Nr 2, § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI verrichtet. Es stelle einen Ermittlungsfehler dar, dass das Berufungsgericht den genauen Anteil der knappschaftlichen Tätigkeiten an seiner Gesamttätigkeit nicht festgestellt habe, obwohl die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom selbst davon ausgegangen sei, dass er auch knappschaftliche Tätigkeiten verrichtet habe. Nicht zu folgen sei dem LSG auch darin, dass es die von ihm durchgeführten Reparaturen an Baumaschinen - Baggern, Planierraupen, Lkw und Dumpern - generell nicht als knappschaftliche Arbeiten angesehen habe. Abzustellen sei vielmehr auf das Gesamtgepräge der Arbeiten und darauf, dass das Verrichten knappschaftlicher Tätigkeiten ohne diese unterstützenden Arbeiten an Technik und Maschinen nicht denkbar sei. Der Kläger habe Wartungs- und Reparaturarbeiten an Gerätschaften und Fahrzeugen durchgeführt, die für die Sanierung des Braunkohletagebaus eingesetzt worden seien, und damit zugleich Sanierungsarbeiten iS von § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI verrichtet. Unerheblich sei, dass diese Arbeiten in gleicher Weise von Dritten außerhalb des Bergbaus ausgeführt werden könnten. Der vom LSG vorgenommenen Unterscheidung zwischen als knappschaftlich zu qualifizierenden Arbeiten in der Sanierung und solchen, die nicht mehr dem knappschaftlichen Regime unterfielen, mangele es an nachvollziehbaren Differenzierungskriterien. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Tagebau B. im streitigen Zeitraum weiterhin der Bergaufsicht unterstanden habe und die Vorgaben des erstellten Abschlussbetriebsplans noch nicht vollständig umgesetzt gewesen seien. Ein räumlicher Zusammenhang der Tätigkeiten des Klägers mit dem Braunkohletagebau sei evident.

8Der Kläger beantragt,das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die vom Kläger zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom bis und vom bis zum als solche in der knappschaftlichen Rentenversicherung festzustellen.

9Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

10Sie verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

11Der Beigeladene schließt sich der Rechtsansicht der Beklagten an und stellt keinen eigenen Antrag.

Gründe

12Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Vorinstanzen haben seine Klage zu Recht abgewiesen, denn er hat keinen Anspruch auf Feststellung der Beitragszeiten vom 1.1. bis und vom 1.5. bis in seinem Versicherungskonto als der knappschaftlichen Rentenversicherung unterfallende Zeiten.

13A. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf Abänderung des Vormerkungsbescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom hinsichtlich der Zuordnung der dort festgestellten Beitragszeiten vom 1.1. bis und vom 1.5. bis zur knappschaftlichen Rentenversicherung. Er verfolgt dies zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG - vgl B 5b/8 KN 2/06 R - BSGE 99, 122 = SozR 4-2600 § 201 Nr 1, RdNr 10; - SozR 4-2600 § 57 Nr 1 RdNr 11).

14B. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuordnung der streitbefangenen Beitragszeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung zu. Die nähere Qualifizierung der für die Feststellung im Versicherungskonto bedeutsamen Zeiten hat auf der Grundlage des im Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheids (vgl § 149 Abs 5 S 2 SGB VI), in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach Maßgabe des zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz maßgeblichen Rechts (s hierzu näher - SozR 3-3250 § 69 Nr 12 RdNr 24 mwN) zu erfolgen. Das sind hier die Vorschriften des § 133 SGB VI (in der ab geltenden Fassung des Gesetzes vom , BGBl I 3242) bzw des § 134 Abs 4 bis 6 SGB VI (in der ab geltenden Fassung des Gesetzes vom , BGBl I 3024).

15Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ist seit zuständig (bis die Bundesknappschaft: § 274d Abs 3 Nr 1 SGB VI), wenn die Versicherten in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt sind (§ 133 Nr 1 SGB VI), ausschließlich oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten verrichten (§ 133 Nr 2 SGB VI) oder bei einer - hier nicht relevanten - Arbeitnehmer- bzw Arbeitgeberorganisation bzw einer anderen Stelle mit entsprechenden Beiträgen zur knappschaftlichen Versicherung beschäftigt sind (§ 133 Nr 3 SGB VI). Die B. S. GmbH ist nach den Feststellungen des LSG weder ein knappschaftlicher Betrieb (nachfolgend unter 1.) bzw Nebenbetrieb oder Betriebsteil gewesen (2.) noch hat der Kläger in den maßgeblichen Zeiträumen mindestens überwiegend knappschaftliche Tätigkeiten verrichtet (3.). Er kann sich auch nicht auf Regelungen zum Besitzschutz (4.) und ebenso wenig auf eine verfahrensrechtlich geschützte Position berufen (5.).

17Dieser Unternehmensgegenstand hatte nicht die bergmännische Gewinnung von Mineralien oder ähnlichen Stoffen zum Inhalt. Der Unternehmenszweck war mithin nicht auf die originäre bergmännische Tätigkeit ausgerichtet, sondern auf die Eröffnung neuer Geschäftsfelder in den Bereichen Sanierung, Rekultivierung, Landschaftsgestaltung, Umwelt etc.

18Dieser weit gefasste Unternehmenszweck und die hieraus resultierenden vielfältigen Aufgaben stehen dem eng abzugrenzenden, zentralen Begriff der "bergmännischen Gewinnung" (iS von § 2 RKG als Vorläuferregelung von § 138 Abs 1 SGB VI aF und § 134 Abs 1 SGB VI) gerade im Hinblick auf den mit der Knappschaftsversicherung erstrebten speziellen Schutz der Bergleute entgegen (vgl dazu - BSGE 66, 75, 80 = SozR 1500 § 55 Nr 37 S 47). Hiernach sollen in einem Bergwerksbetrieb - dh in einem Betrieb, der sich unmittelbar mit der Förderung von Mineralien oder ähnlichen Stoffen befasst - Beschäftigte vor kräftezehrenden und gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten wie unter Tage geschützt werden (vgl - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 S 24; - SozR Nr 1 zu § 1 RKG).

19Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht von entscheidender Relevanz, ob die B. S. GmbH unter staatlicher Bergaufsicht gestanden hat. Das BSG hat bereits zur unterschiedlichen Zielsetzung des Bundesberggesetzes (BBergG) und der Knappschaftsversicherung entschieden. Aus der Unterstellung knappschaftlicher Betriebe unter die Aufsicht der Bergbehörden kann nicht gefolgert werden, dass ihre Betriebstätigkeit allein deshalb auch eine Form der bergmännischen Gewinnung von Mineralien oder ähnlicher Stoffe ist (vgl - BSGE 66, 75, 80 = SozR 1500 § 55 Nr 37 S 47).

20Wenn sich der Kläger gleichwohl auf das BBergG beruft, wonach zum Gewinnen von Bodenschätzen auch die damit zusammenhängenden nachfolgenden Tätigkeiten (vgl § 4 Abs 2 BBergG) - wie Sanierungsarbeiten - zählen, führt dies zu keinem günstigeren Ergebnis. Nach den Feststellungen des LSG fehlt dem Unternehmenszweck der B. S. GmbH gerade das vorangegangene bergmännische Gewinnen von Mineralien oder ähnlichen Stoffen. Dies aber wird als zentrale Begrifflichkeit für die Beurteilung eines knappschaftlichen Betriebs in § 134 Abs 1 SGB VI vorausgesetzt.

21Unergiebig ist auch der Einwand des Klägers, dass die B. S. GmbH "in gerader Funktionsnachfolge" eines dem ursprünglichen Braunkohletagebau in der ehemaligen DDR zugehörigen Unternehmens stehe. Die B. S. GmbH ist aus dem Braunkohletagebau in der ehemaligen DDR als eigenständige, rechtsfähige Gesellschaft (vgl § 13 GmbHG) im Jahr 1994 hervorgegangen. Sie entstand in einem mehrjährigen Umstrukturierungsprozess der ehemaligen Kombinate der DDR-Braunkohleindustrie in Kapitalgesellschaften. Die als Treuhandunternehmen gegründete L. AG (L.) wurde Anfang 1994 in einen weiter zu betreibenden - hier nicht relevanten - aktiven Teil und in einen auslaufenden, nach und nach stillzulegenden sowie zu sanierenden Teil aufgespalten (Lausitzer Bergbau Verwaltungsgesellschaft mbH <LBV>). Nach Verschmelzung der LBV mit der Mitteldeutschen Verwaltungsgesellschaft mbH (MBV) entstand die LMBV, die als langfristige Plattform für die Organisation des Auslauf- und Sanierungsbergbaus diente. Die B. S. GmbH agierte als ein am Sanierungsprozess beteiligter Partner der LMBV (vgl Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH - LMBV - (Hrsg): Zwei Jahrzehnte Braunkohlesanierung - Eine Zwischenbilanz, Senftenberg 2010, S 10, 27 ff, 34 ff, 84).

22Mit dem Ziel der Sanierung der ehemaligen Tagebaue wurde die G. mbH (B. GmbH) gegründet, aus der - nach Abspaltung in einen brandenburgischen und in einen sächsischen Teil - schließlich die B. S. GmbH hervorging, die Ende 1994 gegründet und in das Handelsregister eingetragen wurde. Aus diesem Umstrukturierungsprozess des Braunkohletagebaus der ehemaligen Kombinate der DDR-Braunkohleindustrie ergibt sich aber nicht die Nachfolge in die "Funktion" eines knappschaftlichen Betriebs. Hieraus folgt vielmehr die klare - finanziell und gesellschaftsrechtlich vollzogene - Trennung der Unternehmen in aktiven Bergbau und Folgesanierung (vgl auch Steinhuber, Einhundert Jahre bergbauliche Rekultivierung in der Lausitz, Dissertation, Berlin/Olomouc 2005, S 284 ff, 295 ff). Entsprechend dieser Trennung ist die B. S. GmbH dem Bereich der Folgesanierung zuzuordnen.

232. Die B. S. GmbH war auch keine Betriebsanstalt oder Gewerbeanlage, die als Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebs mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhängt (§ 134 Abs 3 SGB VI). Unter einem Betrieb wird danach die auf die Errichtung eines arbeitstechnischen Zwecks gerichtete organisatorische Zusammenfassung personeller, sächlicher und anderer Arbeitsmittel zu einer selbstständigen Einheit verstanden (stRspr, vgl nur - BSGE 66, 75, 81 = SozR 1500 § 55 Nr 37 S 48 mwN). Um einen unselbstständigen Betriebsteil handelt es sich hingegen, wenn eine Produktionsstätte in Bezug auf die Gesamtheit der eingesetzten Arbeitsmittel über keinen selbstständigen Leitungsapparat verfügt (vgl - BSGE 37, 245, 246 = SozR 2600 § 2 Nr 1 S 3) und zwischen der vorhandenen "Zentrale" und der Produktionsstätte auf dem Gebiet der Planung, der Entwicklung, der Produktion und des Vertriebs eine derartig starke organisatorische Verflechtung besteht, dass eine Verselbstständigung nicht ohne grundlegende Umwandlung der Organisationsstruktur möglich wäre (vgl 8/3 RK 22/77 - SozR 2200 § 245 Nr 2 S 9; - SozR 2200 § 245 Nr 3 S 15). Die Entscheidung, ob ein selbstständiger Betrieb oder ein unselbstständiger Nebenbetrieb vorliegt, bedarf einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls (vgl nur - BSGE 66, 75, 81 = SozR 1500 § 55 Nr 37 S 48).

24Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG war die B. S. GmbH weder räumlich noch betrieblich mit einem knappschaftlichen Hauptbetrieb des Braunkohletagebaus verflochten. Dafür ist es nicht ausreichend, dass sie die Sanierung des Bergtagebaus in Sachsen durchgeführt hat. Vielmehr ist entscheidend, dass sie aus dem aufgezeigten Umstrukturierungsprozess als GmbH rechtliche Eigenständigkeit erlangt hatte und über eine klare wirtschaftliche Struktur und eine eigene Geschäftsleitung verfügte; diese Merkmale stehen einem unselbstständigen Nebenbetrieb bzw Betriebsteil entgegen (vgl - BSGE 66, 75, 83 = SozR 1500 § 55 Nr 37 S 50; - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 S 21 ff; vgl auch Bergner ua, KomGRV, Stand Einzelkommentierung Oktober 2008, § 134 SGB VI RdNr 5).

253. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum auch nicht ausschließlich oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten verrichtet (§ 133 Nr 2 iVm § 134 Abs 4 SGB VI). Solche knappschaftlichen Arbeiten stehen für die knappschaftliche Versicherung einem knappschaftlichen Betrieb gleich (§ 134 Abs 5 SGB VI). Knappschaftliche Arbeiten sind die in § 134 Abs 4 Nr 1 bis 11 SGB VI genannten Arbeiten, wenn sie räumlich und betrieblich mit einem Bergwerksbetrieb zusammenhängen, aber von einem anderen Unternehmer ausgeführt werden (sog Unternehmerarbeiten).

26a) Ursprünglich waren knappschaftliche Arbeiten in § 1 der Verordnung des Reichsarbeitsministers über knappschaftliche Arbeiten vom (VO 1933 - RGBl I 66 bzw BGBl III 1964, Nr 822-3-1) definiert. Bis zum konnte diese vorkonstitutionelle Regelung zumindest als Auslegungshilfe herangezogen werden (vgl - SozR 4-5050 § 22 Nr 3 RdNr 38; 5a/5 RKn 19/79 - SozR 2600 § 1 Nr 3; - SozR Nr 1 zu § 1 RKG; zur Problematik vgl May, NZS 1996, 377). Mit der zum in Kraft getretenen Vorschrift des § 134 Abs 4 SGB VI (idF des Gesetzes vom , BGBl I 3024) ist der Regelungsinhalt von § 1 VO 1933 aus Gründen der "Rechtsbereinigung" in das SGB VI überführt worden (vgl BT-Drucks 16/6540 - Zu Nr 7 <§ 134> S 27). Bis auf geringfügige sprachliche Änderungen ist der Katalog der VO 1933 inhaltsgleich in § 134 Abs 4 SGB VI übernommen worden (vgl Pott in Ruland/Försterling <Hrsg>, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, Stand Einzelkommentierung August 2014, § 134 RdNr 2).

27Nach der Rechtsprechung des BSG zu den Katalogarbeiten von Nr 1 bis Nr 11 (von § 134 Abs 4 S 1 SGB VI bzw § 138 Abs 4 S 1 SGB VI aF iVm der VO 1933) muss es sich um körperlich belastende und den spezifischen Gefahren des Bergbaus ausgesetzte Arbeiten handeln, die den besonderen Schutz der knappschaftlichen Rentenversicherung rechtfertigen ( - SozR 4-5050 § 22 Nr 3 RdNr 38 mwN). Selbst bei den im Katalog der Nr 2 bis 11 genannten Arbeiten, die nicht unter Tage stattfinden, muss es sich um solche handeln, die ebenso kräftezehrend und gesundheitsgefährdend sind wie Tätigkeiten unter Tage (vgl - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 S 24). Nur solche Tätigkeiten entsprechen dem Grundzweck der knappschaftlichen Versicherung. Die Knappschaftsversicherung ist eine Berufsversicherung der Bergarbeiter, die ihren Ursprung in dem Gedanken hatte, dass den schwierigen Verhältnissen und Gefahren des Bergbaus und der stärkeren Abnutzung der Körperkräfte des Bergarbeiters im Vergleich zu anderen gewerblichen Arbeitern besonders Rechnung getragen werden müsse. Tätigkeiten, die ebenso wie die der eigentlichen unter Tage Beschäftigten der Zeche den besonderen Gefahren und Abnutzungen des Bergbaus unterliegen, sollten daher unter dem erhöhten Schutz der knappschaftlichen Versicherung stehen (vgl - SozR Nr 1 zu § 1 RKG S Aa 2). Diese Rechtfertigung für die berufsständische Versicherung der Bergleute und ihren Fortbestand gilt auch heute noch (vgl Pott in Ruland/Försterling <Hrsg>, Gemeinschaftskomm zum SGB VI, aaO RdNr 21). Selbst wenn der technische Fortschritt und der Einsatz technischer Hilfsmittel kräftesparende Erleichterungen mit sich gebracht haben, bestehen die besonderen Risiken im Bergbau und die damit einhergehenden Gefahren für die Gesundheit nach wie vor.

28b) Nach diesen Maßstäben hat das LSG in nicht zu beanstandender Weise seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Kläger in den hier streitbefangenen Zeiträumen keine knappschaftlichen Arbeiten iS des in § 134 Abs 4 Nr 1 bis 11 SGB VI aufgelisteten Katalogs ausgeübt hat.

29aa) Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Kläger - ungeachtet der unterschiedlichen Beschreibung in den jeweiligen Arbeitsverträgen als "Instandhaltungsmechaniker" bzw "Mehrzweckgerätefahrer" - in den Zeiträumen 1.1. bis und 1.5. bis auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus B. folgende Arbeiten ausgeführt hat: Störungssuche und Reparaturen an Baumaschinen wie Baggern, Planierraupen, Lkw und Dumpern. Hierbei habe er "Fahrteilewerkswechsel" (gemeint wohl: Fahrwerksteilewechsel) von mobilen Baggern und Planierraupen vorgenommen, Baugruppenkomponenten repariert, Hydraulikschläuche, Räder von Lkw und Dumpern und Verschleißteile von Planierschildern gewechselt sowie Schweißarbeiten vor Ort durchgeführt. Störungssuche und Reparaturarbeiten hätten sich auf die nach Abschluss der Stützabraumförderung im Rahmen von Sanierungsarbeiten eingesetzte mobile Erdbautechnik bezogen; mit Tagebaugroßgeräten habe sich der Kläger nicht befasst. Er habe dabei auch keine schweren und kräftezehrenden Tätigkeiten verrichtet, sondern vielmehr Arbeiten ausgeführt, die denjenigen eines Instandhaltungsmechanikers im Tiefbau vergleichbar seien. Gegen diese Feststellungen des LSG hat der Kläger Verfahrensrügen oder sonstige Revisionsgründe nicht vorgebracht, sodass sie für den Senat bindend sind (§ 163 SGG).

30bb) Auf dieser Grundlage ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keine knappschaftlichen Arbeiten iS von § 134 Abs 4 - dort insbesondere Nr 7 und 11 - SGB VI verrichtet hat. Die Einwendungen des Klägers gegen diese rechtliche Bewertung greifen nicht durch.

31Soweit der Kläger rügt, das LSG habe rechtsfehlerhaft Ermittlungen zu der Frage unterlassen, in welchem Umfang (mit welchem prozentualen Anteil) er knappschaftliche bzw nicht knappschaftliche Tätigkeiten verrichtet habe, übersieht er, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass seine Tätigkeiten im streitigen Zeitraum ihrer Art nach überhaupt nicht als knappschaftliche Arbeiten angesehen werden können. Hieran war das LSG nicht etwa deshalb gehindert, weil die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheids vom ausgeführt hatte, der Kläger habe im streitigen Zeitraum die Wartung, Reparatur und Instandhaltung von Tagebaugroßgeräten vorgenommen und somit - wenn auch nicht überwiegend - knappschaftliche Arbeiten verrichtet. Dieser im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur "Umstellung des Versicherungsverhältnisses" ergangene Widerspruchsbescheid wurde später im gerichtlichen Verfahren von der Beklagten zurückgenommen; schon deshalb können von ihm keine Rechtswirkungen mehr ausgehen (§ 39 Abs 2 SGB X), die mit einer bloßen Begründung zudem ohnehin nicht verbunden sind. In den Bescheiden, über deren Rechtmäßigkeit hier zu befinden ist (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ), ist auch die Beklagte davon ausgegangen, dass die vom Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen verrichteten Tätigkeiten (Störungssuche und kleinere Reparaturen an Baumaschinen) schon als solche keine knappschaftlichen Arbeiten sind.

32Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das LSG auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die vom Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen ausgeübten Tätigkeiten bei der Störungssuche und der Reparatur mobiler Erdbautechnik nicht als "Sanierungsarbeiten wie beispielsweise Aufräumungs- und Ebnungsarbeiten sowie das Laden von Schutt und dergleichen" iS von § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI eingeordnet hat. Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck diese Regelung nur die unmittelbare Durchführung von Sanierungsarbeiten wie die beispielhaft genannten Aufräumungs- und Ebnungsarbeiten sowie das Laden von Schutt und dergleichen schwere und kräftezehrende körperliche Arbeiten erfasst. Allein der Umstand, dass das Verrichten knappschaftlicher Arbeiten in der Sanierung ohne unterstützende Arbeiten an Technik und Maschinen nicht denkbar sei, reicht insbesondere nach dem oben beschriebenen Sinn und Zweck der Vorschrift nicht aus, um auch alle mittelbar einer Sanierung dienenden Tätigkeiten allein deshalb ebenso als knappschaftliche Arbeiten iS von § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI zu qualifizieren. Soweit der Kläger jedoch auf das "Gesamtgepräge" der verrichteten Tätigkeiten abstellen will, kommt es nach der Rechtsprechung des BSG (s oben unter 3. a) entscheidend darauf an, dass es sich um ebenso kräftezehrende und gesundheitsgefährdende Tätigkeiten wie solche unter Tage handeln muss. Insoweit hat das LSG jedoch - für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass dies bei den vom Kläger verrichteten Arbeiten im Rahmen von Wartung und Reparatur mobiler Erdbautechnik nicht der Fall war.

33Das Berufungsgericht hat die Tätigkeiten des Klägers zutreffend auch nicht als "Arbeiten in den zur Zeche gehörenden Reparaturwerkstätten" iS von § 134 Abs 4 Nr 7 SGB VI angesehen. Es ist insoweit ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass hierfür unter den Bedingungen des Tagebaus entweder die Tätigkeit in einer zum Tagebau gehörenden Reparaturwerkstätte oder aber die Reparatur von Tagebaugroßgeräten erforderlich sei; beides sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Der Kläger greift diese Beurteilung mit seiner Revision auch nicht mehr an. Vielmehr will er "die argumentative Einbeziehung der Nr 7" dazu nutzen, um bei den Sanierungsarbeiten gemäß § 134 Abs 4 Nr 11 SGB VI unter dem Gesichtspunkt eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens zur Erfüllung der Sanierungsaufgabe auch die Wartungs- und Reparaturtätigkeiten an den mobilen Erdbaugeräten zu erfassen. Dem steht jedoch - wie bereits ausgeführt - entgegen, dass nach den bindenden Feststellungen des LSG die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten nicht ebenso kräftezehrend und gesundheitsgefährdend waren wie solche unter Tage.

34Auch die vom Kläger zusätzlich angeführten Umstände, dass nämlich der Tagebau B., in dem er in den streitigen Zeiträumen tätig war, weiterhin der Bergaufsicht unterlag und der Abschlussbetriebsplan für diesen Tagebau noch nicht vollständig umgesetzt war, haben nicht zur Folge, dass sämtliche dort verrichteten Tätigkeiten noch als knappschaftliche Arbeiten zu qualifizieren sind. Die unterschiedlichen Zielsetzungen des BBergG und der Knappschaftsversicherung (s hierzu bereits oben unter 1.) gebieten einen solchen Gleichklang nicht.

354. Der Kläger kann auch keine günstigere Rechtsfolge aus der Besitzschutzregelung des § 273 SGB VI herleiten (vgl dazu - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 S 24). Er kann sich weder auf Besitzschutz wegen einer vor dem bei der Bundesknappschaft versicherten und noch andauernden Tätigkeit in einem nichtknappschaftlichen Betrieb berufen (§ 273 Abs 1 S 1 SGB VI) noch genießt er Besitzschutz wegen Verschmelzung und Umwandlung eines Betriebs, für den die Bundesknappschaft vor dem zuständig gewesen ist (§ 273 Abs 1 S 2 SGB VI). Im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit bei der B. S. GmbH im Jahr 1995 war der aufgezeigte Umstrukturierungsprozess in Kapitalgesellschaften (s oben unter 1.) bereits vollzogen. Besitzschutzregelungen aufgrund des Einigungsvertrages (Anl I Kap VIII Sachgebiet H III Nr 1 Buchst f Doppelbuchst bb Abs 2) kommen dem Kläger von vornherein nicht zugute. Auf solche begünstigenden Regelungen hat er sich auch nicht berufen.

365. Schließlich kann sich der Kläger auf keine verfahrensrechtlich geschützte Position berufen. Feststellungen über das Versicherungsverhältnis hat die Beklagte gegenüber dem Kläger erstmals mit dem im anschließenden Gerichtsverfahren von ihr wieder aufgehobenen Bescheid vom getroffen. Hieraus kann der Kläger kein günstigeres Ergebnis herleiten.

376. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2015:160615UB13R2414R0

Fundstelle(n):
IAAAF-18295