Schwere Körperverletzung: Vorliegen einer erheblichen Entstellung
Gesetze: § 226 Abs 1 Nr 3 StGB
Instanzenzug: Az: 6 Ks 5/14
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten der schweren Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten S. M. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten N. M. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
21. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.
3a) Der frühere Vorsitzende des 5. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D. B. , ist nach Erreichen der Altersgrenze zum in den Ruhestand getreten. Seitdem ist die Stelle vakant. Der 5. Strafsenat wird von Richter am Bundesgerichtshof S. als vom Präsidium bestimmtem Vertreter (§ 21f Abs. 2 Satz 1 GVG) geführt. Daran hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2015 (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) nichts geändert. Durch Beschluss des Präsidiums vom ist Richter am Bundesgerichtshof F. mit Wirkung zum dem 5. Strafsenat zugewiesen worden. Der Senat ist seither wieder mit sieben Bundesrichtern besetzt, von denen sechs dem Bundesgerichtshof seit mehr als fünf Jahren angehören.
4b) Auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. , BGHR GVG § 21 f Vorsitzender 2 mit zahlreichen Nachweisen) ist der 5. Strafsenat ordnungsgemäß besetzt.
5Das Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist im Juni 2014 mit dem Interessebekundungsverfahren eingeleitet worden. Der Besetzungsvorschlag der Präsidentin des Bundesgerichtshofs an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz zur Neubesetzung der Stelle erfolgte nach den erforderlichen Beteiligungen am . Am teilte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz dem Bundespräsidenten seinen Besetzungsvorschlag mit. Das Verfahren konnte jedoch nicht abgeschlossen werden, weil der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom der Bundesrepublik Deutschland in einem Konkurrentenstreitverfahren durch einstweilige Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Beschluss vom - 4 S 1405/15). Im Verfahren müssen die grundsätzlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs zum Beurteilungswesen nach den erforderlichen verwaltungsinternen Abstimmungen umgesetzt werden.
6Das Beförderungsverfahren ist demgemäß frühzeitig eingeleitet worden und wird mit der gebotenen Zügigkeit betrieben. Im Blick darauf liegen besondere Umstände vor, die es jedenfalls derzeit rechtfertigen, dass der 5. Strafsenat durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird. Die in der Beschwerdeschrift des Angeklagten N. M. angesprochene Einrichtung eines „Doppelvorsitzes“ ist im Präsidium neben anderen Möglichkeiten in der Sitzung vom eingehend erörtert worden. Jedoch kommt ein „Doppelvorsitz“ schon aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht in Betracht (vgl. hierzu und zum Ganzen aaO; zur gebotenen Einzelfallprüfung siehe auch , NJW 2015, 1685 Rn. 36; jeweils mwN).
7Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des 5. Strafsenats ist im Übrigen im Rahmen der gegenwärtigen Organisation jedenfalls nicht weniger effektiv gewährleistet als - mit der dadurch jeweils bedingten Einarbeitungszeit - bei Übernahme eines Doppelvorsitzes durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Strafsenats oder der kurzfristigen Übernahme des Vorsitzes des 5. Strafsenats durch einen solchen. Der stellvertretende Vorsitzende ist seit Februar 2013 Mitglied des 5. Strafsenats und vermag dessen Rechtsprechung sowie die anhängigen Verfahren und deren Stand deshalb zu überblicken. Er leitet sämtliche Beratungen des Senats. Die Gefahr eines Divergierens der Judikatur ist ferner wegen der personellen Überschneidungen in den vorhandenen drei Sitzgruppen denkbar gering.
8Der Senat weist abschließend auf Folgendes hin: Es ist nicht zu erkennen, weshalb eine Übergangslösung im vorgenannten Sinne den sich aus der verfassungsrechtlich verankerten Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) resultierenden Anforderungen besser gerecht werden sollte, als die dem - ordnungsgemäß zustande gekommenen - Geschäftsverteilungsplan entsprechende gegenwärtige Besetzung. Auch aus diesem Grund bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung, bei einem anderen Senat eine wiederum unvollständige Besetzung herbeizuführen, die vom Ausgangspunkt der Beschwerdeführer aus betrachtet geeignet wäre, nach gewissem Zeitablauf ihrerseits zu einer gesetzeswidrigen Besetzung zu führen. Ohnehin erscheint allerdings schon fraglich, ob eine vorübergehende Umsetzung eines Vorsitzenden überhaupt zu einer Verhinderungslage im Sinne des § 21f Abs. 2 GVG in dessen ursprünglichem Senat führen könnte, die zum Tätigwerden des stellvertretenden Vorsitzenden berechtigen würde.
92. Ergänzend zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat zu den Beanstandungen des Angeklagten N. M. :
10Den Urteilsgründen ist hinreichend zu entnehmen, dass das maßgebende Gesamterscheinungsbild des Verletzten (vgl. , BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2) durch die - rechtsfehlerfrei auf den Schlag mit dem Baseballschläger zurückgeführte - großflächige Eindellung am Schädel, die breite Narbe an der rechten Kopfseite, die „hängenden" Augenlider sowie die Störung der Mimik („Zuviel an Bewegung" der unteren Gesichtspartie, UA S. 43) im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB erheblich entstellt ist. Ob, was die Revision in Zweifel zieht, die einzelnen Entstellungen jeweils für sich genommen den erforderlichen Schweregrad erreichen würden, kann daher dahingestellt bleiben.
11Der Generalbundesanwalt weist im Übrigen mit Recht darauf hin, dass der Senat ein Beruhen der angesichts weiterer schwerster Tatfolgen (Verfallen in Siechtum, Lähmung einer Hand) unvertretbar milden Strafaussprüche auf dem geltend gemachten Wertungsfehler ausschließen könnte.
Sander Dölp König
Berger Bellay
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Fundstelle(n):
SAAAF-17703