Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Fehlerhafte Ablehnung bei einem gewalttätigen jugendlichen Suchtkranken
Gesetze: § 64 S 2 StGB, § 267 StPO, § 5 Abs 3 JGG, § 105 Abs 1 JGG
Instanzenzug: LG Krefeld Az: 21 KLs 37/14
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts Krefeld zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Während die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten zum Schuldspruch keinen Erfolg hat, kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Dies führt gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.
21. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Hangs, des symptomatischen Zusammenhangs sowie der Gefährlichkeit für gegeben erachtet. Demgegenüber hat es - dem Sachverständigen folgend - die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) verneint und dies vor allem mit dem fehlenden Schulabschluss des Angeklagten, dem frühen Beginn seiner sozialen Auffälligkeiten, insbesondere seines Suchtmittelgebrauchs, sowie mit seiner Impulsivität, Aggressivität und Reizbarkeit begründet.
3Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn diese Kriterien werden teilweise durch die Feststellungen nicht belegt, teilweise sind sie für sich nicht geeignet, gegen die konkrete Aussicht zu sprechen, der - therapiewillige - Angeklagte könnte durch den Vollzug der Maßregel geheilt und jedenfalls über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall bewahrt werden, so dass zu erwarten steht, dass bei erfolgreichem Verlauf der Therapie seine Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt werden wird (vgl. zu diesen Maßstäben , BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Im Einzelnen:
4a) Allein ein fehlender Schulabschluss spricht nicht für eine intellektuelle Behinderung, die wegen ihrer Schwere dazu führen könnte, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar wäre (vgl. BGH aaO; MüKoStGB/van Gemmeren, 2. Aufl., § 64 Rn. 68).
5b) Darüber hinaus ist zwar von dem zu Therapierenden ein gewisses Maß an Introspektionsfähigkeit sowie Kränkungs- und Frustrationstoleranz zu fordern (vgl. Dannhorn, NStZ 2012, 414, 417). Dass es daran dem Angeklagten mangelt, wird aber durch die Feststellungen zu dessen persönlichen Werdegang nicht belegt. Den Urteilsgründen ist insoweit nur zu entnehmen, dass im Jahre 2010 ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 45 Abs. 2 JGG eingestellt worden und dass es zwischen dem Angeklagten und seinem Vater - wegen seines Drogenkonsums (!) - zu massiven, teils sogar gewalttätigen Streitigkeiten gekommen war. Auch die verfahrensgegenständlichen Straftaten, die im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen begangen wurden, belegen keine den Angeklagten von anderen Gewalttätern unterscheidende höhere Aggressivität oder Reizbarkeit. Die Maßregel des § 64 StGB steht aber auch Gewalttätern offen.
6c) Schließlich kommt es unter dem Aspekt der Verfestigung eines Konsumverhaltens weniger auf dessen Beginn als auf dessen Dauer an. Ein sechs Jahre andauernder Suchtmittelgebrauch vermag für sich betrachtet das Verdikt der Unbehandelbarkeit nicht zu begründen. Dies gilt umso mehr, als das Urteil keine Feststellung dahin enthält, dass sich der Angeklagte zuvor bereits einmal einer Therapie unterzogen hätte.
72. Die fehlerhafte Ablehnung der Maßregelanordnung zieht gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 JGG die Aufhebung auch des Strafausspruchs nach sich (vgl. , juris Rn. 4). Dieser ist jedoch auch für sich genommen nicht bedenkenfrei. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts unter Ziffer 2 und 3 der Antragsschrift vom .
Becker Pfister Schäfer
Gericke Spaniol
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Fundstelle(n):
EAAAF-17683