Einkommensteuer | Rückwirkende Verteilung von voraus gezahltem Erbbauzins (BFH)
Der BFH hat das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil er die rückwirkende Einführung einer Regelung (§ 11 Abs. 2 S. 3 EStG) über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfassungswidrig hält (; veröffentlicht am ).
Dazu führt der BFH weiter aus: Nach Auffassung des BFH ist diese Neuregelung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.
Der BFH hält das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im August/September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaffungskosten des Rechts. Das dazu in Widerspruch stehende Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom hatte der BFH in einem NWB VAAAB-36827 zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanzverwaltung das BFH-Urteil (durch Nichtveröffentlichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigt: Der BFH entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewaltendifferenzierung würde in Frage gestellt, könnte die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen.
Das Vertrauen des Bürgers ist durch die Rückwirkung mithin enttäuscht. Da sich die (unechte) Rückwirkung auch nicht durch die vom Gesetzgeber genannten Gründe, Mehreinkünfte zu erzielen, hinreichend rechtfertigen lässt, ist sie mit dem grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutz unvereinbar und deshalb nach Auffassung des vorlegenden Senats verfassungswidrig.
Quellen: BFH online, BFH Pressemitteilung 6/2011
Hintergrund: Die Verteilungsregelung für vorausbezahlte Entgelte bei längerfristigen Nutzungsüberlassungen – erst im parlamentarischen Verfahren in das Gesetz aufgenommen – ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Urt. des NWB VAAAB-36827. Der BFH hatte entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden, dass Erbbauzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des Grundstücks sind. Damit wären künftig bei den Überschusseinkünften entsprechende Vorauszahlungen im Kalenderjahr ihrer Zahlung sofort und vollständig abziehbar. Seit Bekanntwerden des Urteils sind von der Immobilienbranche (Immobilienfonds, Bauträger) bereits entsprechende Steuersparmodelle intensiv vorbereitet worden, die nach Auffassung der Bundesregierung zu erheblichen Steuerausfällen führen würden. Der Gesetzgeber sah sich daher zur Reaktion gezwungen: Nach dem neuen § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG sind geleistete Vorauszahlungen für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet werden. Der Empfänger entsprechender Vorauszahlungen kann sie entweder nach der Grundregel des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Kalenderjahr des Zuflusses in einer Summe versteuern oder nach dem neuen § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG ebenfalls auf den gesamten Zeitraum gleichmäßig verteilen, für den sie geleistet werden; bisher war nur eine Verteilung auf einen Zeitraum von 10 Jahren möglich (NWB VAAAA-83992). Die neuen Regelungen gelten für Erbbauzinsen und andere Entgelte für die Nutzung eines Grundstücks (Miete, Pacht oder Immobilienleasing) rückwirkend ab (§ 52 Abs. 30 EStG), im Übrigen (entsprechende Vorauszahlungen z. B. für Mobilienleasing) ab .
Fundstelle(n):
NAAAF-16468