Auslegung einer Bezugnahmeregelung - Gleichstellungsabrede - Abschluss eines "Neuvertrags"
Gesetze: § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 611 BGB, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Darmstadt Az: 8 Ca 414/12 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 13 Sa 968/13 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Entgeltansprüche der Klägerin und in diesem Zusammenhang über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen für den Hessischen Einzelhandel aufgrund vertraglicher Bezugnahme.
2Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem Jahr 1999 als Buchhändlerin beschäftigt. In dem mit einer der Rechtsvorgängerinnen, der C GmbH & Co. KG, geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es ua.:
3Die Arbeitgeberin war im Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses Mitglied im Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. Nach Verschmelzung auf die B GmbH & Co. KG führte diese die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband fort. Sie wechselte im Jahr 2005 in eine Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit. Zum Ende des Jahres 2006 trat sie aus dem Landesverband aus.
4In einem Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom teilte diese der Klägerin ua. mit:
5Zum ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge einer Verschmelzung der Rechtsvorgängerin auf die nicht tarifgebundene Beklagte als aufnehmende Rechtsträgerin über. Am schlossen die Parteien einen „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend Nachtrag), der auszugsweise wie folgt lautet:
6Die Klägerin erhielt bis einschließlich des Monats August 2009 ein Entgelt iHv. 2.290,00 Euro brutto, bis einschließlich des Monats März 2011 iHv. 2.325,00 Euro brutto und im Juni 2011 ein Bruttomonatsentgelt iHv. 2.372,00 Euro, welches die Beklagte auch wieder in der Zeit ab dem leistete.
7Nach dem zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) geschlossenen Gehaltstarifvertrag (GTV) vom (GTV 2009) beträgt das monatliche Entgelt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden nach § 3 B. Gehaltsgruppe II nach dem fünften Berufsjahr, der Endstufe der betreffenden Gehaltsgruppe (nachfolgend Gehaltsgruppe II/E GTV) 2.336,00 Euro (ab ) und 2.372,00 Euro (ab ). Weiterhin sieht § 2a GTV 2009 eine im März 2010 zahlbare Einmalzahlung iHv. 150,00 Euro brutto vor, die an Teilzeitbeschäftigte anteilig zu zahlen ist. Der nachfolgende Gehaltstarifvertrag vom (GTV 2011) regelt für die Gehaltsgruppe II/E ein Entgelt iHv. 2.443,00 Euro.
8Mit Schreiben vom hat die Klägerin die Beklagte ua. für die Zeit ab dem bis zum und vom bis zum Differenzen zwischen den ihr geleisteten Zahlungen und dem tariflich geregelten Entgelt der GTV 2009/2011 sowie auf Grundlage des „Tarifabschluss 2009“ eine Einmalzahlung iHv. 150,00 Euro ohne Erfolg zur Zahlung bis zum aufgefordert.
9Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiterverfolgt. Sie hat ausgeführt, der Arbeitsvertrag vom enthalte eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen tariflichen Entgeltbestimmungen. Eine Gleichstellungsabrede sei nicht gewollt gewesen. Mit dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag sei die ursprüngliche Bezugnahme erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien gemacht worden, indem auf den ursprünglichen Vertrag Bezug genommen und seine Inhalte bestätigt worden seien.
10Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
11Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, der Arbeitsvertrag enthalte eine sog. statische Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss geltenden Tarifverträge, wie das Wort „zuletzt“ in dessen § 14 zeige. Zudem sei das Entgelt individuell vereinbart worden. In § 3 des Arbeitsvertrags sei die Vergütung abschließend geregelt. Selbst wenn man anderer Auffassung sei, liege eine sog. Gleichstellungsabrede vor. Die zeitliche Dynamik hätte dann mit dem Wegfall der Tarifgebundenheit der früheren Arbeitgeberin geendet. Nichts anderes ergebe sich aus den Nachträgen zum Arbeitsvertrag. Eine etwaige Bezugnahmeregelung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag sei durch Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags nicht zum Gegenstand einer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden.
12Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit Ausnahme des Monats Oktober 2011. Insoweit hat sie ihre Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
Gründe
13Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nur teilweise begründet. Sie kann für die Monate November 2011 und Dezember 2011 ein weiteres Entgelt iHv. 142,00 Euro brutto verlangen. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
14I. Der Klageantrag zu 1. ist teilweise, und zwar hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums vom bis zum und vom bis zum , und der Antrag zu 2. ist insgesamt unbegründet. Die Klägerin kann auf Grundlage des Arbeitsvertrags aus dem Jahr 1999 für diese Zeitabschnitte keine weiteren Entgeltzahlungen nach dem GTV 2009 und dem GTV 2011 beanspruchen. Zwar enthalten die §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags eine zeitdynamische Verweisung auf die zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Gehaltstarifverträge. Die Bezugnahmeregelung ist aber als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Das führt aufgrund des Wegfalls der Tarifgebundenheit der früheren Arbeitgeberin im Jahre 2005 zur nur noch statischen Anwendung der in Bezug genommenen Gehaltstarifverträge in derjenigen Fassung, die zum Zeitpunkt des Eintritts der fehlenden Tarifgebundenheit galt. In der Folge sind auf Grundlage des Arbeitsvertrags der GTV 2009 und der GTV 2011 auf das zwischen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten bis zum bestandene Arbeitsverhältnis und nachfolgend auf das nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangene Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden.
151. Die Parteien des im Jahr 1999 geschlossenen Arbeitsvertrags haben eine dynamische Bezugnahme der Gehaltstarifverträge für den Hessischen Einzelhandel vereinbart. Die sich aus den §§ 1 und 3 des im Jahre 1999 geschlossenen Arbeitsvertrags ergebende Bezugnahmeregelung ist aber als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, die keine von der Tarifgebundenheit der damaligen Arbeitgeberin unabhängige, zeitdynamische Verweisung auf die in Bezug genommenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung zum Inhalt hat.
16a) Die Entgeltregelungen der zwischen dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Gehaltstarifverträge (GTV) sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme grundsätzlich zeitdynamisch in Bezug genommen worden. Das ergibt die Auslegung der §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags (zu den Maßstäben: - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283; - 5 AZR 2/12 - Rn. 14 f. mwN).
17aa) Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrags in § 1 wurde die Klägerin als „Buchhändlerin … Tarifgruppe I eingestellt“ und in § 3 ist für die „Gehaltszahlung“ ein „Tarifentgelt DM 2.700,--“ vorgesehen. Damit hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Klauselverwenderin deutlich zum Ausdruck gebracht, sie vergüte die Klägerin entsprechend der einschlägigen tariflichen Entgeltbestimmungen, zumal sie in § 3 des Arbeitsvertrags zwischen einem Tarifgehalt und einer „etwaigen übertariflichen Zulage“ unterscheidet. Der durchschnittliche Arbeitnehmer darf bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifentgelt redlicherweise davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Gehaltstarifvertrags entwickeln. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif“ zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (so bereits - Rn. 17).
18bb) Bestätigt wird diese Auslegung durch § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrags. Die dortige Anrechnungsregelung - „übertarifliche Bezüge sind bei Tariferhöhungen, bei Aufrücken in ein anderes Berufs- oder Tätigkeitsjahr oder bei Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe anrechenbar“ - hat nur bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich (ebenso - Rn. 29). Diesem Verständnis entspricht auch - jedenfalls bis zur Beendigung der Tarifgebundenheit - die Durchführung des Arbeitsverhältnisses seitens der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten.
19b) Die dynamische Anwendung der tariflichen Entgeltbestimmungen endete jedoch aufgrund des Wegfalls der Tarifgebundenheit durch ihren im Jahr 2005 erfolgten Wechsel in eine sog. OT-Mitgliedschaft. Die Bezugnahmeregelung ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen.
20aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum ging, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags zu kommen und damit zu dessen Anwendbarkeit für alle Beschäftigten. Daraus hatte der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeregelungen in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit gereicht hat, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden. Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am vereinbart worden sind (st. Rspr., sh. nur - Rn. 14 f. mwN, BAGE 147, 41).
21bb) Einer Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung steht - anders als dies die Klägerin offenbar meint - nicht entgegen, dass über §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags nur die tariflichen Entgeltbestimmungen in Bezug genommen werden und über dessen § 14 auf weitere tarifliche Regelungen verwiesen wird. Es ist keine notwendige Bedingung für die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede, dass im Arbeitsvertrag auf das gesamte Tarifwerk oder sämtliche Tarifverträge verwiesen wird, die für den Arbeitgeber und die bei ihm beschäftigten tarifgebundenen Gewerkschaftsmitglieder normativ gelten. Die Bestimmung des Umfangs der vertraglichen Bezugnahme ist allein Sache der Vertragsparteien (sh. zuletzt - Rn. 17 f. mwN, BAGE 147, 41). Entgegen der Auffassung der Revision bestehen auch keine besonderen Anhaltspunkte, dass eine Bezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen über §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags nicht als sog. Gleichstellungsabrede zu verstehen ist.
222. In Anwendung dieser Grundsätze scheidet ein Zahlungsanspruch der Klägerin für die Zeit bis einschließlich aus. Die Entgeltbestimmungen des GTV 2009 und des GTV 2011 einschließlich der dort vorgesehenen Einmalzahlung (Antrag zu 2.) wurden von der vertraglichen Bezugnahmeregelung im ursprünglichen Arbeitsvertrag nicht erfasst.
23Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Jahr 1999 nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft an die vom Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. und der Gewerkschaft ver.di (vormals Gewerkschaft ÖTV) geschlossenen Gehaltstarifverträge gebunden. Ihre mitgliedschaftlich begründete Tarifgebundenheit endete durch den im Jahr 2005 vollzogenen Wechsel in eine sog. OT-Mitgliedschaft spätestens mit dem Ende des Jahres 2006 durch ihren Verbandsaustritt. Nach diesem Zeitpunkt geschlossene Gehaltstarifverträge - hier der GTV 2009 und der GTV 2011 - werden durch die vorliegende Gleichstellungsabrede nicht mehr erfasst.
24II. Die Klage ist für den nachfolgenden Zeitraum ab dem teilweise begründet. Die Klägerin kann auf Grundlage des „Nachtrags zum Arbeitsvertrag“ für die Monate November 2011 und Dezember 2011 eine Vergütung nach der Gehaltsgruppe II/E GTV 2011 und damit die zwischen den Parteien jedenfalls rechnerisch unstreitige Entgeltdifferenz von monatlich 72,00 Euro verlangen. Für diesen Zeitraum ist nach Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags iVm. §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags ab dem Monat November 2011 der GTV 2011 auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden. Für den Zeitraum vom bis zum haben die Parteien demgegenüber in Nr. 3 des Nachtrags eine vorrangige Entgeltregelung vereinbart.
251. Die Anwendbarkeit des GTV 2011 folgt aus Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags. Mit dieser vertraglichen Abrede haben die Parteien die Bezugnahmeregelung in §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags erneut vereinbart. Diese nach dem geschlossene vertragliche Abrede vom ist nicht mehr als sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung anzusehen, sondern - zumal sie jetzt von der nicht tarifgebundenen Beklagten vereinbart wurde (zum Erfordernis der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für die Annahme einer sog. Gleichstellungsabrede sh. nur - Rn. 13 mwN, BAGE 128, 185) - als unbedingte zeitdynamische Bezugnahmeregelung zu beurteilen (ausf. - Rn. 26, 28, BAGE 122, 74).
26a) Bei einer Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen „Altvertrags“ nach dem kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgebend sind, darauf an, ob die ursprüngliche vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist ( - Rn. 25; - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, BAGE 132, 261). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. für die Bewertung - Rn. 49, BAGE 127, 185). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrags“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ( - Rn. 25, aaO). Allerdings führt allein der Umstand einer Vertragsänderung nicht dazu, dass zugleich stets alle vertraglichen Regelungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart oder bestätigt würden. Ob eine solche Abrede gewollt ist, ist anhand der konkreten Vertragsänderung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ( - Rn. 27).
27b) Danach ist die von der Klägerin und der Beklagten durch den Nachtrag vom vereinbarte Arbeitsvertragsänderung hinsichtlich der dynamischen Bezugnahme der Entgeltbestimmungen durch §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags als „Neuvertrag“ zu bewerten.
28aa) In Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags haben die Vertragsparteien ausdrücklich geregelt, dass „alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages“ vom , der in Nr. 1 des Nachtrags auch ausdrücklich aufgeführt ist, unverändert fortgelten. Mit dieser Formulierung haben sie die Bestimmungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags erneut vereinbart. Das ergibt sich auch aus der Systematik des Nachtrags. Nach dessen Nr. 6 Satz 1 soll die Änderung der Arbeitszeit (Nr. 2) und die vereinbarte Vergütung (Nr. 3) ausschließlich in der Zeit vom bis zum „Gültigkeit“ haben. Darüber hinaus haben die Parteien in Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags neben der zeitlich befristeten Änderung der Arbeitszeit und des Entgelts nach Satz 1 - und damit auch außerhalb der zeitlich nur befristet geschlossenen Vereinbarungen - die uneingeschränkte Fortgeltung „aller anderen Bestimmungen“ zum Vertragsinhalt gemacht. Nach dem Ende der Vereinbarungen im Nachtrag zum (Nr. 6 Satz 1) bilden dann die gesamten Regelungen des Arbeitsvertrags aus dem Jahr 1999 die maßgebende vertragliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis. Damit werden zugleich die §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrags einbezogen.
29bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Regelung im Nachtrag nicht lediglich um eine sog. deklaratorische Vertragsbestimmung. Bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ist grundsätzlich von übereinstimmenden Willenserklärungen auszugehen. Soll deren Inhalt keine rechtsgeschäftliche Wirkung zukommen, sondern es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer sog. Wissenserklärung handeln, muss dies im Vertrag deutlich zum Ausdruck gebracht worden sein ( - Rn. 12 mwN, BAGE 146, 29). Nach ihrem Wortlaut liegen der Vereinbarung ohne Weiteres übereinstimmende Willenserklärungen zugrunde. Anhaltspunkte dafür, die Parteien hätten reine Wissenserklärungen ohne Rechtsbindungswillen abgegeben, wie es die Beklagte meint, lassen sich weder dem Vertragswortlaut entnehmen noch sind besondere Umstände erkennbar, die hierauf schließen lassen.
302. Zwar kann die Klägerin nach den vorstehenden Maßstäben für den nachfolgenden Zeitraum vom bis zum kein Entgelt nach dem GTV 2011 beanspruchen, aber für die Monate November 2011 und Dezember 2011 insgesamt 142,00 Euro brutto verlangen.
31a) Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin für die Zeit vom bis zum ein weiteres Entgelt verlangt.
32Zwar gelten nach Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags „alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages“ unverändert fort. Die Parteien haben aber in Nr. 3 Satz 1 des Nachtrags eine selbständige und gegenüber der Regelung in Nr. 6 Satz 2 iVm. § 14 Satz 1 des Arbeitsvertrags vorrangige „Bestimmung“ zum Entgelt vereinbart. Es ist auch nicht ersichtlich, durch Nr. 3 Satz 1 des Nachtrags solle ein - zumal jeweils aktuelles - tariflich geregeltes Entgelt zum Inhalt der Vergütungsabrede gemacht werden. Diese eigenständige vertragliche Entgeltabrede steht einer Anwendung des GTV 2011 aufgrund einer dynamischen Bezugnahme durch Nr. 6 Satz 2 des Nachtrags iVm. §§ 1 und 3 des Arbeitsvertrag entgegen.
33b) Für den nachfolgenden Zeitraum findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der GTV 2011 Anwendung. Die abweichende Vergütungsregelung in Nr. 3 des Nachtrags hat am geendet. Die Klägerin kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Entgeltdifferenz zur Gehaltsgruppe II/E GTV 2011 beanspruchen. Die Klägerin und die frühere Arbeitgeberin, die C GmbH & Co. KG, haben zwar in § 1 des Arbeitsvertrags die „Tarifgruppe I“ eingetragen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die B GmbH & Co. KG, hat aber der Klägerin bereits im Jahr 2008 mitgeteilt, dass sich ihr Entgelt nach der „Tarifgruppe II/E“ bemesse und sie ein Entgelt iHv. 2.290,00 Euro erhalte. Dies ist die nach dem GTV 2008 vorgesehene Vergütung für die Gehaltsgruppe II/E. Ebenso entspricht das von der Beklagten im Nachtrag genannte „Bruttoentgelt, bezogen auf 37,5 Std./Woche“ iHv. 2.372,00 Euro der bis zum geltenden Vergütung nach der Gehaltsgruppe II/E GTV 2009. Dass die Klägerin keine Tätigkeit ausübt, die in Anwendung des GTV 2008, GTV 2009 oder GTV 2011 nicht den Anforderungen des unverändert gebliebenen Tätigkeitsmerkmals der Gehaltsgruppe II der jeweiligen Gehaltstarifverträge entspricht, hat selbst die Beklagte nicht geltend gemacht.
343. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
35III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:130515.U.4AZR244.14.0
Fundstelle(n):
BB 2015 S. 2675 Nr. 44
DB 2015 S. 2762 Nr. 47
ZAAAF-05733