Mangelhaftigkeit einer gekauften Eigentumswohnung: Materielle Berechtigung des Käufers zur Geltendmachung des sog. "kleinen" Schadensersatzes; Verjährungshemmung durch Klageerhebung
Gesetze: § 10 Abs 6 S 3 Halbs 1 WoEigG, § 433 BGB, §§ 433ff BGB
Instanzenzug: Az: I-16 U 217/12 Urteilvorgehend Az: 29 O 295/11 Urteil
Tatbestand
1Mit notariellem Vertrag vom kauften die Klägerin und ihr Ehemann von den Beklagten zu 4 und 5 eine Eigentumswohnung zum Preis von 315.000 DM. Die Haftung für Sachmängel wurde ausgeschlossen.
2Die Wohnung gehört zu einer Ende der sechziger Jahre errichteten Wohnanlage, die von der aus den Beklagten zu 4 und 5 bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden S. GbR) in Kenntnis der Asbesthaltigkeit der Gebäude erworben wurde. Nachdem im Juli 2010 Schäden an der Betonkonstruktion der Wohnanlage aufgetreten waren, wurden die Wohnungseigentümer auf der Eigentümerversammlung vom im Beschlusswege ermächtigt, alle Ansprüche wegen Verschweigens von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Verkäuferin und deren Gesellschaftern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen.
3Die Klägerin behauptet, bei der Beklagten zu 1, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 seien, handele es sich um die Rechtsnachfolgerin der S. GbR. Gestützt auf die weiteren Behauptungen, es liege eine erhebliche Asbestkontamination vor, die ihr und ihrem Ehemann ebenso wie die Schäden an der Betonkonstruktion bei Vertragsabschluss arglistig verschwiegen worden seien, verlangt die Klägerin mit der am eingereichten Klage die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten. Diese haben die Einrede der Verjährung erhoben.
4Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, soweit die gegen die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 (im Folgenden Beklagte) gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist. Mit der im Umfang der Rechtsmittelzulassung eingelegten Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
I.
5Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls mit dem Ablauf des verjährt. Die am selben Tage eingereichte Klage habe nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Zur Klageerhebung sei die Klägerin nicht befugt gewesen, weil es sich bei dem Anspruch um einen gemeinschaftsbezogenen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG handele. Die Klägerin sei erst in der Eigentümerversammlung vom und damit nach Verjährungseintritt - zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigt worden. Eine nachträgliche Ermächtigung entfalte aber keine Rückwirkung. Für das Werkvertragsrecht habe der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum die Ansprüche auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz nur einheitlich und gemeinschaftlich ausgeübt werden könnten und daher einer selbstständigen Durchsetzung durch den einzelnen Wohnungseigentümer entzogen seien. Für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gelte nichts anderes.
II.
6Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
71. Allerdings legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass die geltend gemachten und am unverjährten Schadensersatzansprüche von diesem Zeitpunkt an der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen (§ 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Richtig ist auch, dass die Frist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB - da kürzer als die nach altem Recht einschlägige Verjährungsfrist (§ 195 BGB aF) - von dem an berechnet wird, jedoch für den Beginn der nunmehr regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB nF) zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen müssen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rn. 8). Da die Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erst im Jahre 2010 Kenntnis von der Asbestbelastung und von den Schäden an der Betonkonstruktion erhalten hat, ist vorliegend die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB maßgeblich, die am begann und am ablief.
82. Auch nimmt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler an, dass nur die Klage des materiell zur Rechtsausübung Berechtigten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 176/63, BGHZ 46, 221, 229) die Verjährung hemmt und eine nachträgliche Ermächtigung nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt (vgl. , NZM 2013, 652 Rn. 12; , NJW 2010, 2270 Rn. 38; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB [2014], § 204 Rn. 7 f.).
93. Unzutreffend ist dagegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die am eingereichte Klage habe die Verjährung deshalb nicht zu hemmen vermocht, weil die Klägerin nicht zur Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes befugt gewesen sei.
10a) Richtig ist allerdings, dass Rechte auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum (vgl. , BGHZ 110, 258, 261, Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., Anh. § 10 Rn. 17) jedenfalls bei dem nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Erwerb einer neu errichteten Wohnung vom Bauträger als gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG qualifiziert werden und infolgedessen die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte ausnahmsweise ausgeschlossen ist (vgl. , NJW 2006, 2254 Rn. 15 und 18; vom - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 19; vom - VII ZR 47/97, NJW 1998, 2967, 2968; vom - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 387; vom - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 263 ff.; zur Anwendung von Werkvertragsrecht beim Abverkauf sanierter Altbauten , NJW 2007, 3275 Rn. 18 ff.). Solche Rechte begründen eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft (, NJW 2006, 2254 Rn. 15; vom - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 19); auch die Voraussetzungen für diese Ansprüche kann nur die Wohnungseigentümergemeinschaft schaffen (, NJW 2006, 2254 Rn. 18).
11b) Der Senat hat jedoch mit Urteil vom heutigen Tage (V ZR 167/14 - zur Veröffentlichung bestimmt), auf das wegen der Begründung Bezug genommen wird, entschieden, dass allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG fallen, wenn - wie hier - eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart worden ist. Die Entscheidung betrifft zwar unmittelbar nur das seit der Schuldrechtsreform geltende Kaufrecht. Für das hier anwendbare alte Recht gilt aber nichts anderes, zumal dem Käufer danach - anders als nunmehr nach § 439 BGB - kein Anspruch auf Nacherfüllung eingeräumt war.
III.
12Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, muss das Berufungsurteil aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen zu den geltend gemachten Mängeln und deren arglistigem Verschweigen sowie zu der Frage, ob die Beklagte zu 1 Rechtsnachfolgerin der aus den Beklagten zu 4 und 5 bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts geworden ist.
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele
Fundstelle(n):
WAAAF-01528