BGH Urteil v. - 3 StR 5/15

Revision im Jugendstrafverfahren: Aufhebung auch des Maßregelausspruchs bei fehlerhafter Strafzumessung

Gesetze: § 5 Abs 3 JGG, § 63 StGB

Instanzenzug: LG Bückeburg Az: 4 KLs 4/14

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, Diebstahls in zwei Fällen, wegen Diebstahls mit Waffen und Wohnungseinbruchdiebstahls mit Waffen unter Einbeziehung von zwei früheren Urteilen zur Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Weiterhin hat es bestimmt, dass die (gesamte) Jugendstrafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Die zu Gunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft rügt allgemein die Verletzung materiellen Rechts, beanstandet im Einzelnen den Strafausspruch des angefochtenen Urteils sowie die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten gemäß § 63 StGB. Sie erstrebt die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs sowie die Zurückverweisung der Sache insoweit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung. Der Angeklagte begründet seine Revision mit der allgemein erhobenen Sachrüge und beanstandet im Einzelnen ebenfalls die Strafhöhe sowie die Anordnung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

2Beide Rechtsmittel führen zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat somit vollen, die Revision des Angeklagten lediglich teilweisen Erfolg; denn seine weitergehende Revision ist unbegründet.

3Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte die gegenständlichen Taten zwischen dem (Fall II. 1. der Urteilsgründe: Sexuelle Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung) und dem (Fall II. 6. der Urteilsgründe: Wohnungseinbruchdiebstahl mit Waffen). Während das Landgericht zu Fall II. 1. festgestellt hat, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer "hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und der sich daraus bei ihm entwickelnden dissozialen Persönlichkeitsstörung" sicher in einem Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB befand, hat es in den Fällen II. 2. (vorsätzliche Brandstiftung) und II. 6. der Urteilsgründe einen solchen Zustand seiner Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen vermocht. In den zwischen dem und dem begangenen Fällen II. 3. bis 5. der Urteilsgründe (Diebstahl in zwei Fällen und Diebstahl mit Waffen) war der Angeklagte nach Auffassung des Landgerichts demgegenüber voll schuldfähig.

51. Die auf die Sachrüge des Angeklagten veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.

62. Demgegenüber kann der Rechtsfolgenausspruch nicht bestehen bleiben.

7a) Der Strafausspruch weist durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift und in der Hauptverhandlung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"... b) Hinsichtlich der Zumessungserwägungen zu Fall I. 1. ist jedoch zu besorgen, dass die Jugendkammer das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfend berücksichtigt hat, denn das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass 'kein Vorverhalten der Zeugin K.     vor[gelegen habe], aufgrund derer der Angeklagte die berechtigte Erwartung auf einverständliche sexuelle Handlungen haben konnte' (UA S. 23; vgl. auch ). Ferner berücksichtigte die Kammer zuungunsten des Beschwerdeführers, dass 'auch ... keine länger andauernde Freundschaft oder gar intime Beziehung zwischen den Beteiligten' bestand (UA S. 23).

c) Das Landgericht hat ferner bei der Bewertung des Tatunrechts die Prüfung, ob besondere Umstände vorliegen, die bei einem Erwachsenen das Vorliegen eines minder schweren Falles begründet hätten, lediglich in den Fällen II. 1., 4. und 5. vorgenommen (UA S. 23-25), für den Fall II. 2. (UA S. 8) jedoch eine vergleichbar gebotene Erörterung des § 306 Abs. 2 StGB unterlassen.

d) Des Weiteren hat das Landgericht zwei - noch nicht erledigte - Urteile gemäß § 31 Abs. 2 JGG einbezogen, diese aber nicht näher dargestellt. Bei der Einbeziehung rechtskräftiger früherer Urteile nach § 31 Abs. 2 JGG sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Straftat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Um die hierfür erforderliche vollständige Beurteilungsgrundlage zu gewinnen, sind die früheren Taten an sich deshalb zumindest kurz darzustellen. Eine bloße Mitteilung der früheren Urteilssprüche, ohne die zugrundeliegenden Sachverhalte und die Zumessungsgründe, genügt daher grundsätzlich nicht (vgl. - StV 1998, 344 f.; , StV 1989, 307 f.)."

8Dem stimmt der Senat zu; er vermag unter den gegebenen Umständen letztlich nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Zumessung auf eine niedrigere Einheitsjugendstrafe erkannt hätte.

9b) Die Aufhebung des Strafausspruches hat hier zur Folge, dass auch der Maßregelausspruch nicht bestehen bleiben kann.

10aa) Dies folgt bereits aus dem im Jugendstrafrecht gemäß § 5 Abs. 3 JGG bestehenden besonders engen Sachzusammenhang zwischen der Verhängung von Jugendstrafe und einer Maßregelanordnung (§ 5 Abs. 3 JGG; vgl. , juris Rn. 4; Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 5 Rn. 2 ff.). Mit Blick hierauf soll dem neuen Tatrichter eine einheitliche Rechtsfolgenentscheidung ermöglicht werden.

11bb) Der Maßregelausspruch erscheint aber auch für sich betrachtet als nicht unproblematisch.

13Die zugunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat aus den insoweit zur Revision des Angeklagten dargelegten Gründen vollen Erfolg.

14Die Sache bedarf daher auf beide Rechtsmittel zum Rechtsfolgenausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Die mit der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs vorliegend gebotene Aufhebung der zugehörigen Urteilsfeststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) zwingt den nunmehr befassten Tatrichter, zu den Voraussetzungen des § 21 StGB und des § 63 StGB neue Feststellungen zu treffen. Hierzu wird die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen zu erwägen sein.

15Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil angeordnet hat, dass die (gesamte) Jugendstrafe vor der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollstrecken ist, weist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts hierzu in seiner Terminantragsschrift hin und ergänzt diese dahin, dass die Umkehr der gesetzlichen Vollstreckungsreihenfolge grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn dadurch der Zweck der Maßregel leichter erreicht wird (vgl. Brunner/Dölling aaO, Rn. 2a).

Becker                            Hubert                             Schäfer

                 Spaniol                             Mayer

Fundstelle(n):
DAAAF-00023