Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes eines Grundstücks durch ein Gutachten, Berücksichtigung einer Wertminderung wegen
Reparaturstaus eines Gebäudes nur bei konkreten Angaben im Gutachten zur vom Alter des Gebäudes abhängigen Auswirkung der
Mängel und Schäden auf den Verkehrswert der Immobilie
Leitsatz
1. Bei der Feststellung des Grundbesitzwerts kann der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts der Immobilie durch ein plausibles,
den Grundsätzen für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (früher Wertermittlungsverordnung – WertV –, inzwischen:
Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) entsprechendes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
für Grundstücksbewertung erfolgen.
2. Eine Beweisaufnahme, insbesondere die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, kommt bei der Prüfung der Plausibilität
des vom Steuerpflichtigen vorgelegten Gutachtens aufgrund der Art des Verfahrens nicht in Betracht. Denn den Steuerpflichtigen
trifft nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die Nachweislast. Ob das Gutachten inhaltlich den geforderten Nachweis erbringt,
unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Abschläge, Spanneneinordnungen, Beträge und dergleichen müssen vom Gutachter
objektivierbar und grundstücksbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe.
3. Es führt zur Unschlüssigkeit eines Verkehrswertgutachtens, wenn als Wertminderung wegen eines Reparaturstaus (Baumängel
und Bauschäden) die Kosten für die Beseitigung (Schadensbeseitigungskosten) angesetzt werden; die Wertminderung darf nicht
mit den Kosten für ihre Beseitigung (Schadensbeseitigungskosten) gleichgesetzt werden, sondern die Kosten können allenfalls
einen Anhaltspunkt für die Wertminderung geben. Eine Wertminderung wegen Reparaturstau ist daher nur dann plausibel hergeleitet,
wenn das Gutachten Angaben dazu enthält, wie sich die Mängel und Schäden – insbesondere unter Berücksichtigung des Alters
des Gebäudes – auf den Verkehrswert auswirken.
4. Insbesondere bei älteren Gebäuden, die trotz des Vorhandenseins eines Modernisierungs- und Instandsetzungsstaus voll nutzbar
sind, haben Mängel des Gebäudes lediglich einen um einen Bruchteil der erforderlichen Schadensbeseitigungskosten geminderten
Verkehrswert zur Folge. Bei älteren Gebäuden hat ein gewisser Instandhaltungsrückstau gar keine Wertminderung zur Folge; lediglich
bei erheblichem Instandsetzungsstau wirkt sich dieser auf den Verkehrswert des Grundstücks aus, allerdings auch dann nicht
in Höhe der Schadensbeseitigungskosten, sondern mit einem geringeren Wert. Zudem führt eine umfassende Schadenbeseitigung
regelmäßig zu einer Verlängerung der Restnutzungsdauer des Gebäudes.
5. In einem Gutachten müssen die tatsächchlichen Grundlagen der Wertermittlung, z. B. die Anzahl schon renovierter bzw. noch
zu renovierender Wohnungen in dem Gebäude, nachvollziehbar dargelegt werden. Das Gutachten ist nicht schlüssig und plausibel,
wenn der Gutachter Angaben des Auftraggebers des Gutachtens ohne eigene Überprüfung zugrunde legt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): DStR 2016 S. 10 Nr. 1 DStRE 2016 S. 166 Nr. 3 EFG 2015 S. 1596 Nr. 19 ErbBstg 2016 S. 135 Nr. 5 ErbStB 2015 S. 295 Nr. 10 Ubg 2016 S. 178 Nr. 3 GAAAE-98711
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Online-Dokument
FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 10.06.2015 - 3 K 3248/11
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