Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die tatrichterliche Feststellung einer paranoiden Schizophrenie des Angeklagten
Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB
Instanzenzug: LG Rostock Az: 13 Ks 212/14
Gründe
1Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.
21. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen Strafkammer befand sich der Beschuldigte aufgrund eines zur Tatzeit akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie bei Begehung der verfahrensgegenständlichen gefährlichen Körperverletzung in einem Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Die angehörte Sachverständige habe während mehrerer mehrstündiger Explorationsgespräche „ausgeprägte Symptome der paranoiden Schizophrenie ausmachen können. [...] Obgleich der Beschuldigte in den Explorationsgesprächen um ein kooperatives Verhalten bemüht gewesen sei und keine pathologischen Bewusstseinsstörungen aufgetreten seien, sei er sehr starr im Denken gewesen. Er habe einige Phrasen oft wiederholt und sich sowohl bei der Schilderung seines Werdegangs als auch des Tatgeschehens in Details verloren [...]“. Von den in der Vergangenheit immer wieder dokumentierten Wahnvorstellungen und Halluzinationen sei „zumindest eine auch am Tattag für den Beschuldigten von Bedeutung für sein Handeln“ gewesen. Die Diagnose sei nicht in Zweifel zu ziehen, auch wenn „sich im Rahmen der Explorationsgespräche keine Wahnvorstellungen oder Halluzinationen eruieren ließen“. Es sei nicht fernliegend, dass der Beschuldigte „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden habe, um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht“.
32. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.
4Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 514/14 und vom - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232).
5Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Soweit das Landgericht im Anschluss an die Sachverständige davon ausgegangen ist, dass sich der Beschuldigte zur Tatzeit in einem akuten Schub einer paranoiden Schizophrenie befunden habe, werden die diese Bewertung tragenden Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht in ausreichendem Umfang wiedergegeben (vgl. , NStZ-RR 2013, 141, 142 mwN). Ob und inwieweit der Beschuldigte konkret aufgrund Wahnerlebens handelte, bleibt letztlich offen. Auch die vom Landgericht geteilten sachverständigen Wertungen, der Beschuldigte, der sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hat, habe sich bei Schilderung des Tatgeschehens in Details verloren und habe „die Äußerung von Wahnvorstellungen bewusst oder unbewusst in den Explorationsgesprächen vermieden [...], um nach außen hin den insgesamt erstrebten Eindruck aufrechtzuerhalten, er komme gut allein zu recht", sind nicht geeignet, das Vorhandensein eines akuten Schubs einer paranoiden Schizophrenie zur Tatzeit zu belegen.
6Allein die Diagnose einer (paranoiden) Schizophrenie führt für sich genommen zudem nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom - 2 StR 128/13, NStZ-RR 2013, 368, 369 und vom - 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. , NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN).
7Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.
83. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 StPO das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO hingewiesen.
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LAAAE-91797