Steuerfreiheit von Stipendien nach § 3 Nr. 44 EStG
1. Zuständigkeitsfragen
1.1. Stipendien inländischer Stipendiengeber
Die Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Stipendien nach § 3 Nr. 44 Satz 1 und 2 EStG vorliegen, hat das Finanzamt vorzunehmen, das für die Veranlagung des Stipendiengebers zur Körperschaftsteuer zuständig ist oder zuständig wäre, wenn der Geber steuerpflichtig wäre (R 3.44 EStR). Dieses Finanzamt hat auf Anforderung des Stipendienempfängers oder des für ihn zuständigen Finanzamtes eine Bescheinigung über die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a und b EStG zu erteilen bzw. abzulehnen. Diese Bescheinigung bindet als verwaltungsinterne Mitteilung das Finanzamt des Stipendienempfängers hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 44 EStG. Eine erneute Prüfung der Tatbestandsmerkmale hat nicht zu erfolgen.
1.2. Stipendien gemeinnütziger EU/EWR-Institutionen
Nach dem BStBl 2011 II, 637) kann eine in der EU oder dem EWR ansässige gemeinnützige Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG unabhängig von einer inländischen Steuerpflicht Stipendien vergeben, die nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sind, da eine steuerliche Schlechterstellung solcher Institutionen eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen würde.
Die Grundsätze dieses Urteils sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Dabei ist zu beachten, dass bei der Prüfung der Gemeinnützigkeitsvorschriften die des betreffenden Veranlagunszeitraums zu Grunde zu legen sind. Den Nachweis, dass der ausländische Stipendiengeber die deutschen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorgaben erfüllt, hat der inländische Stipendiat gegenüber dem für ihn zuständigen Finanzamt durch Vorlage geeigneter Belege, insbesondere Satzung, Tätigkeitsbericht, Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben, Kassenbericht, Vermögensübersicht mit Nachweisen über die Bildung und Entwicklung der Rücklagen, Aufzeichnung über die Vereinnahmung von Zuwendungen und deren zweckgerechte Verwendung sowie Vorstandsprotokolle zu erbringen (§ 90 Abs. 2 AO). Bescheinigungen über Stipendien von nicht im Inland steuerpflichtigen Organisationen reichen als alleiniger Nachweis nicht aus.
Die Überprüfung der eingereichten Unterlagen sollte in Zusammenarbeit mit einem für die Besteuerung gemeinnütziger Institutionen zuständigen VTB (P oder K) im Wohnsitzfinanzamt des Stipendienempfängers erfolgen.
2. Steuerliche Beurteilung einzelner Stipendien
2.1. Heisenbergprogramm
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft gewährt jungen Wissenschaftlern Stipendien nach dem sog. Heisenberg-Programm. Sinn und Zweck der Stipendien ist es, besonders qualifizierte junge Wissenschaftler der Wissenschaft bzw. den deutschen Hochschulen zu erhalten. Entsprechend der Zielsetzung des Heisenberg-Programms orientiert sich das Stipendium der Höhe nach an dem mittleren Einkommen eines Hochschullehrers der Besoldungsgruppe C 2. Der Stipendiat übt eine eigenverantwortliche Tätigkeit aus, indem er eigene Forschungsvorhaben durchführt oder sich an anderen Forschungsvorhaben beteiligt. Mit dem Stipendiaten wird kein Arbeits-(Dienst-) verhältnis begründet; er übt keine weisungsgebundene Tätigkeit aus.
Ich bitte, die Stipendien nach dem Heisenberg-Programm steuerlich wie folgt zu behandeln:
Das Stipendium ist nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei, da es einen für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag übersteigt (vgl. § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a EStG).
Die Einnahmen sind den Einkünften aus freiberuflicher (wissenschaftlicher) Tätigkeit zuzurechnen.
2.2. Stipendien des Förderprogramms der Max-Planck-Gesellschaft für habilitierte Nachwuchswissenschaftler (sog. Butenandt-Stipendien)
Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. beabsichtigt, Stipendien an hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu vergeben, die sich bereits für eine Hochschullehrertätigkeit habilitiert haben (Butenandt-Stipendien). Die Stipendiendauer beträgt maximal 3 Jahre. Die Vergaberichtlinien, die in Anlehnung an die Regelungen der Heisenberg-Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestaltet sind, legen fest, dass die Stipendiaten eine eigenverantwortliche, nicht weisungsgebundene Tätigkeit ausüben. indem sie zu ihrer weiteren Qualifizierung eigene Forschungsvorhaben durchführen oder sich an Forschungsvorhaben anderer Wissenschaftler beteiligen.
Da die Butenandt-Stipendien den Heisenberg-Stipendien inhaltlich entsprechen, ist eine Besteuerung in gleicher Weise durchzuführen.
2.3. Förderprogramm „Junges Kolleg” der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
Nach diesem Programm werden bis zu 30 herausragende junge Wissenschaftler/innen aller Fachrichtungen als Kolligiaten auf jeweils vier Jahre berufen und mit jährlich 10.000 € zzgl. eines evtl. einmalig gewährten Zuschusses in Höhe von 12.000 € unterstützt. Diese Stipendien sind steuerfrei nach § 3 Nr. 44 EStG.
Die Stipendien werden durch die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften vergeben und auch von dieser unmittelbar gezahlt. Unerheblich ist hierbei, dass die seitens der Akademie gewährten Zahlungen durch Mittel der nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreiten Mercator Stiftung finanziert werden. Die Voraussetzung der Unmittelbarkeit der Zahlungen aus öffentlichen Mitteln ist dadurch gegeben, dass es sich bei der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaft um eine durch Landesgesetz errichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, über deren Mittel nur nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und deren Verwendung gesetzlich geregelter Kontrollen unterliegt.
Die weiteren wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a bis c sind ebenfalls erfüllt. Weder überschreiten die Zuwendungen die zulässigen Höchstbeträge, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder die Erfüllung der Forschungsaufgabe als angemessen angesehen werden können, noch stellen die Zuwendungen Entgelt für Gegenleistungen dar, die der Stipendiat zu erbringen hat. Die Verpflichtung zur aktiven Mitarbeit in ein- bis zweimal jährlich stattfindenden Forschungsforen sowie in kollegialen Arbeitskreisen ist nicht als Gegenleistung im Sinne des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG anzusehen.
2.4. EXIST Gründerstipendien
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) unterstützt unter Beteiligung des Europäischen Sozialfonds (ESF) anspruchsvolle innovative Gründungsvorhaben aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Antragsberechtigt sind Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland, die in ein gründungsunterstützendes Netzwerk eingebunden sein müssen. Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMWi seinen Projektträger Forschungszentrum Jülich GmbH in Berlin beauftragt. Die von dort den Hochschulen oder Forschungseinrichtungen gewährte Zuwendung wird von diesen an die Stipendiaten weitergeleitet.
Hinsichtlich der Steuerfreiheit bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:
§ 3 Nr. 44 EStG stellt Stipendien steuerfrei, soweit sie zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Andere Ziele werden von § 3 Nr. 44 EStG nicht erfasst. Die EXIST-Gründerstipendien dienen – wie ihre Bezeichnung schon andeutet – in erster Linie dazu, Existenzgründungsvorhaben auf dem Weg in die Selbständigkeit zu unterstützen. Das Gründungsklima an Hochschulen und Forschungseinrichtungen soll verbessert werden. Die Gründerstipendien bezwecken also gerade nicht, Forschung oder wissenschaftliche Ausbildung zu fördern. Vielmehr sind sie darauf gerichtet, den Übergang von der wissenschaftlichen Ausbildung in den Markt zu ermöglichen. Eine Anwendung des § 3 Nr. 44 EStG kommt daher nicht in Betracht.
Im Falle der EXIST Gründerstipendien ist Stipendiengeber die jeweilige Universität, Hochschule oder Forschungseinrichtung. Anträge auf Erteilung einer Bescheinigung über die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 44 EStG sind daher bei den für deren Besteuerung zuständigen Körperschaftsteuerhauptfinanzämtern zu stellen bzw. dorthin weiterzuleiten, sofern sie in dem für die Besteuerung des Stipendiaten zuständigen VTB G oder AN eingereicht werden.
2.5. Arbeits- und Aufenthaltsstipendien der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Ob ein solches Stipendium zur Förderung der künstlerischen Fortbildung im Sinne des § 3 Nummer 44 EStG gewährt wird und damit nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führt, kann nur einzelfallbezogen entschieden werden.
2.6. Thüringen-Stipendium für Assistenzärzte
Die Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen dient der Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen. Assistenzärzte, die sich verpflichten, eine Weiterbildung zum Facharzt mit Teilnahme an der entsprechenden Facharztprüfung zu absolvieren und unmittelbar danach für mindestens 4 Jahre an der vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen teilzunehmen, können für die Dauer von maximal 60 Monaten mit mtl. bis zu 250 €, alternativ mit einem Einmalbetrag von maximal 15.000 € gefördert werden.
Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG kann hierfür nicht gewährt werden, da die Verpflichtung zu einer Arbeitnehmertätigkeit dem entgegen steht.
Die Zahlungen aufgrund des Stipendiums können jedoch noch keiner bestimmten Berufstätigkeit zugeordnet werden, so dass es sich je nach Zahlungsmodalität bei monatlicher Auszahlung um wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG handelt, bei Einmahlzahlung um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG.
OFD Frankfurt/M. v. - S 2121 A - 13 - St 213
Fundstelle(n):
FAAAE-91614