BGH Beschluss v. - 1 StR 112/15

Strafverfahren: Wirksamkeit der vom Verteidiger erklärten Rücknahme der Revision

Gesetze: § 302 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG München I Az: 8 KLs 267 Js 175456/12vorgehend LG München I Az: 8 KLs 267 Js 175456/12

Gründe

I.

1Der Angeklagte wurde am vom Landgericht München I wegen Diebstahls und anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte zu Protokoll der Geschäftsstelle am Revision eingelegt; dem Verteidiger des Angeklagten wurde das landgerichtliche Urteil am zugestellt. Mit Schreiben vom erklärte der Verteidiger, er nehme nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag die von diesem eingelegte Revision zurück.

2Mit Beschluss vom legte das Landgericht dem Angeklagten die Kosten der von ihm eingelegten und wieder zurückgenommenen Revision auf.

3Mit Schreiben vom ersuchte der Angeklagte um Übersendung einer Ablichtung der Verfügung des Vorsitzenden Richters über die von ihm angeordneten Urteilszustellungen, weil er diese zur Einlegung des zulässigen Rechtsmittels benötige.

4Mit Schreiben vom erhob der Angeklagte gegen das Urteil vom „Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines absoluten Revisionsgrunds" und beantragte insbesondere, die Revision gegen das Urteil vom zuzulassen und den aufzuheben. Er erhob die allgemeine Sachrüge und führte u.a. aus, dass das Urteil nur an seinen Verteidiger zugestellt worden sei und keine Unterschriften der Richter enthalte; dieser Umstand führe zwingend zur Urteilsaufhebung. Der Zustellungsmangel habe ihn an der Einlegung des zulässigen Rechtsmittels gehindert. Außerdem sei der Beschluss über die Kostentragungspflicht unzulässig, weil die von ihm eingelegte Revision von ihm selbst nicht zurückgenommen worden sei.

5Die „Nichtzulassungsbeschwerde" des Angeklagten hat das Landgericht als erneute Revision gegen das Urteil vom ausgelegt und mit Beschluss vom als unzulässig verworfen. Die vom Angeklagten am eingelegte Revision sei durch den Verteidiger wirksam zurückgenommen worden; die Rücknahme enthalte einen Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels. Jedenfalls aber sei die Frist zur Begründung der Revision versäumt und die Form nicht gewahrt worden.

6Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger des Angeklagten am zugestellt. Mit einem am eingegangenen Schreiben vom legte der Angeklagte gegen den Beschluss vom Rechtsmittel ein und führte „ergänzend" zu seiner „Rechtsmittelschrift vom " aus, er habe seinem Verteidiger zu keinem Zeitpunkt eine Rücknahmeermächtigung erteilt; er sei in seiner Entscheidung, Rechtsmittel einzulegen, frei.

7Mit Schreiben vom beantragte der Angeklagte, seinem Verteidiger aufzugeben, die schriftliche Rechtsmittelverzichtserklärung vorzulegen.

II.

8Die Anträge des Angeklagten haben keinen Erfolg.

91. Die am eingelegte Revision ist wirksam gemäß § 302 Abs. 1 StPO zurückgenommen.

10Der Verteidiger hatte im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten. Für diese Ermächtigung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie kann auch mündlich erteilt werden. Für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 302 Rn. 33). Eine solche anwaltliche Versicherung des Verteidigers liegt in seiner Erklärung vom , er nehme die Revision nach Rücksprache mit seinem Mandanten namens und in dessen Auftrag zurück.

11An diese Rücknahme ist der Angeklagte gebunden. Denn eine wirksame Rücknahmeerklärung ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr. vgl. u.a. ).

12Da vom Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel gezogen wurde, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine deklaratorische Feststellung zu treffen (vgl. u.a. ).

132. Die Befugnis des Tatrichters, eine Revision als unzulässig zu verwerfen, ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ein Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (vgl. § 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen oder die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme festzustellen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 346 Rn. 2 mwN). Der mit dem die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, war daher aufzuheben.

143. Selbst wenn man davon ausginge, der Angeklagte hätte erneut Revision eingelegt, hätte diese keinen Erfolg. Einer erneut eingelegten Revision steht die zuvor erklärte Rechtsmittelrücknahme entgegen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 302 Rn. 12). Die Revision richtet sich dann gegen ein rechtskräftiges Urteil und ist folglich unzulässig.

Fundstelle(n):
HAAAE-91392