Instanzenzug: Az: 3 Ca 2546/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 2 Sa 1223/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Tarifentgelterhöhungen und den in § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA vorgesehenen Stufenaufstieg zum .
2Die 1959 geborene Klägerin ist seit dem bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden und deren Mehrheitsgesellschafterin die Stadt M ist, als Mitarbeiterin in der Telefonzentrale beschäftigt. Die Beklagte betreibt die Halle M und führt im Interesse der Stadt M und der Gemeinden des M Veranstaltungen aller Art - darunter auch Feste, Märkte, Ausstellungen und Messen - im eigenen und fremden Namen durch.
3Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist zuletzt der Formulararbeitsvertrag vom , der ua. regelt:
4In einer Betriebsvereinbarung vom (im Folgenden BV) heißt es auszugsweise:
5Die Beklagte zahlte der Klägerin bis September 2005 Vergütung nach VergGr. VII BAT. Dabei vollzog sie die Steigerung der Vergütung nach Lebensaltersstufen und die Tariferhöhungen nach, den Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT allerdings zwei Monate später als tariflich vorgesehen. Außerdem erhält die Klägerin eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 90 % des durchschnittlichen Entgelts der Monate Juli bis September. Nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen zum ordnete die Beklagte die Klägerin der Entgeltgruppe 5/Stufe 5 TVöD zu. Sie erhält seither - unter Einreihung in eine dem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Zwischenstufe - ein Bruttomonatsgehalt von 2.171,51 Euro. Die nach der Tarifsukzession vereinbarten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen gab die Beklagte nicht mehr weiter. Ebenso wenig vollzog sie zum den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA.
6In einem Schreiben vom teilte die Geschäftsführerin der Beklagten den Beschäftigten mit:
7Daraufhin wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom an die Belegschaft wie folgt:
8Mit der am eingereichten Klage hat die Klägerin entsprechend § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA zum den Stufenaufstieg nach Stufe 6 der Entgeltgruppe 5 TVöD-VKA, die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen in den Jahren 2008 bis 2010 sowie entsprechend höhere Jahressonderzahlungen verlangt. Sie hat geltend gemacht, § 2 Arbeitsvertrag enthalte eine dynamische Inbezugnahme der Tarifentgelte, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasse. Ausschlussfristen habe sie nicht einhalten müssen. Die BV sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Es sei zudem rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf eine Ausschlussfrist in einer von ihr selbst für unwirksam gehaltenen Betriebsvereinbarung berufe.
9Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die vertragliche Vergütungsabrede enthalte keine dynamische Inbezugnahme des TVöD. Zumindest sei ein entsprechendes Entgelt anteilig der Verlängerung der Wochenarbeitszeit im kommunalen öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens von 38,5 auf 39 Stunden ab Juli 2008 zu kürzen. Zudem seien mögliche Ansprüche der Klägerin nach § 70 BAT bzw. § 37 TVöD wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Die entsprechende Regelung der BV gölte trotz deren Unwirksamkeit individualrechtlich fort.
11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Gründe
12Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.
13I. Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom eine dynamische Vergütung vereinbart, die auch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst umfasst. Das ergibt die - ergänzende - Auslegung des § 2 Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin eine Vergütung „in Anlehnung an den BAT VII“ erhält.
141. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme (vgl. - Rn. 23 mwN). Hiervon ausgehend haben die Parteien mit § 2 Arbeitsvertrag die Vergütung zeitlich dynamisch, orientiert an der in Bezug genommenen tariflichen Vergütungsgruppe gestaltet, denn an Hinweisen auf eine statische Bezugnahme fehlt es. Das bestätigt die tatsächliche Handhabung der Beklagten, die unstreitig bis zur Tarifsukzession im öffentlichen Dienst die dortigen Tariferhöhungen weitergegeben und sogar tarifliche (Alters-)Stufen- und Bewährungsaufstiege nachvollzogen hat.
15Die in § 2 Arbeitsvertrag vereinbarte „Anlehnung“ der Vergütung an den dort genannten Tarifvertrag stellt keine Einschränkung dar, sondern ist dahin zu verstehen, dass die Beklagte als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur an dem genannten Tarifvertrag ausrichtet ( - Rn. 16 mwN).
162. Die Vergütung der Klägerin richtete sich seit dem nach dem TVöD und dem TVÜ-VKA. Das ergibt eine ergänzende Vertragsauslegung.
17a) Der Wortlaut des § 2 Arbeitsvertrag trägt eine Erstreckung auf den TVöD nicht. Dieser ist nicht identisch mit dem BAT. Ein Zusatz, dass auch die den „BAT ersetzenden Tarifverträge“ Anwendung finden sollen, fehlt. § 2 Arbeitsvertrag ist damit zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet (vgl. - Rn. 15 f.).
18b) Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst ist jedoch nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist. Da es sich bei § 2 Arbeitsvertrag nach der vom Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zB - Rn. 17 mwN) vorgenommenen rechtlichen Wertung, die von der Revision nicht angegriffen wird, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre ( - Rn. 18 ff., seither st. Rspr.).
19Dabei ergibt sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Vergütungsregelung zum einen der Wille der Parteien, die Vergütung nicht in einer bestimmten Höhe bis zu einer Vertragsänderung festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der jeweiligen Höhe der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst auszurichten. Deshalb hätten die Parteien redlicherweise für den Fall einer Tarifsukzession das dem in der Vergütungsabrede benannten tariflichen Regelungswerk nachfolgende tarifliche Regelungswerk als Bezugsobjekt der Vergütung vereinbart, weil ein „Einfrieren“ der Vergütung auf den Zeitpunkt der Tarifsukzession nicht ihren Interessen entsprach.
20Zum anderen haben sich die Parteien mit der dynamischen Ausgestaltung der Vergütung für die Zukunft insoweit der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf die Vergütungsabrede ein als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des in der Vergütungsabrede benannten Tarifvertrags. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten.
21c) Wegen der Aufspaltung der bis zum gleichlautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund, Ländern und Kommunen ist durch ergänzende Vertragsauslegung weiter zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung der Klägerin nach § 2 Arbeitsvertrag maßgebend sein soll. Es ist zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Dies ist der TVöD in der im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung, weil die Beklagte aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafterin und ihren Aufgaben am ehesten dem öffentlichen Dienst der Kommunen zuzurechnen ist. Dementsprechend hat die Beklagte, die nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband werden könnte, selbst eine Überleitung in die Entgeltgruppen des TVöD nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-VKA) vorgenommen.
22d) Die nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst durch ergänzende Auslegung der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede zu ermittelnde Vergütung umfasst auch den ersten Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA. Nach dieser Tarifnorm werden die Beschäftigten - nach der Zuordnung ihrer bisherigen Vergütungsgruppe zu den Entgeltgruppen des TVöD gemäß § 4 TVÜ-VKA und der Bildung des für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD maßgebenden Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-VKA - eine ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Zwischenstufe der Entgeltgruppe zugeordnet (§ 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA). Zum steigen die Beschäftigten in die den Betrag nach nächsthöhere reguläre Stufe ihrer Entgeltgruppe auf. Erst mit der Vollendung der Überleitung in den von §§ 4 bis 6 TVÜ-VKA vorgesehenen Schritten ist die bisherige Eingruppierung ersetzt ( - Rn. 32 mwN) und damit der der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede zugrunde liegende Regelungsplan vervollständigt.
233. Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin zum in die Entgeltgruppe 5/Stufe 6 TVöD aufgestiegen und hatte sie Anspruch auf die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst der Kommunen der Jahre 2008 bis 2010. Ebenso ist die von der Beklagten gewährte jährliche Sonderzahlung auf der Grundlage des erhöhten Entgelts zu berechnen. Dabei ist die Höhe der geltend gemachten Forderungen nach der von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Landesarbeitsgerichts in der Berufungsinstanz unstreitig geworden.
24II. Die Vergütung der Klägerin ist nicht wegen der zum erfolgten Verlängerung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst der Kommunen von 38,5 auf 39 Wochenstunden zu reduzieren. Denn die durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst entstandene nachträgliche Regelungslücke ist zu diesem Zeitpunkt zu schließen. Das danach ermittelte Entgelt mindert sich allein wegen der späteren Verlängerung der Regelarbeitszeit im öffentlichen Dienst nicht. Das hat der Senat in dem Parallelverfahren - 5 AZR 481/13 - entschieden. Auf die Begründung dieses Urteils (Rn. 24 ff.) wird verwiesen.
25III. Die streitgegenständlichen Forderungen sind nicht verfallen. Die Klägerin musste weder die Ausschlussfrist des § 37 TVöD noch die des § 70 BAT beachten. Auch insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils in dem Parallelverfahren - 5 AZR 481/13 - vom heutigen Tag verwiesen (Rn. 28 ff.).
26IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:250215.U.5AZR483.13.0
Fundstelle(n):
XAAAE-90944