SenFin Berlin - III D - G 1163 -1/2014 - 1

Erlass der Grundsteuer für Kulturgut nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG

Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ist die Grundsteuer auf Antrag für Grundbesitz zu erlassen, wenn für dessen Erhaltung wegen der Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz ein öffentliches Interesse besteht (Kulturgut) und wenn der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegt (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 34 GrStG).

Ergänzend zu den Regelungen in A 35, 41, 43 GrStR bitte ich folgende Hinweise zu beachten:

1. Kulturgut

1.1 Nachweis des öffentlichen Interesses

Für Berlin ist die Erhaltung von Grundbesitz wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft im Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln), die Erhaltung von Grundbesitz wegen seiner Bedeutung für Naturschutz im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und im Berliner Naturschutzgesetz (NatSchG Bln) geregelt. Zuständig ist jeweils die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Gemäß A 35 Abs. 1 S. 2 GrStR soll der Antragsteller eine Bestätigung der zuständigen Landesbehörde (Landesdenkmalamt) vorlegen, wenn im Einzelfall zweifelhaft ist, ob die Erhaltung des Grundbesitzes als Kulturgut im öffentlichen Interesse i. S. v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG liegt.

1.2 Denkmalschutz

1.2.1 Geltung des Denkmalschutzgesetzes in Berlin

Alle in der Denkmalliste eingetragenen Denkmale im Land Berlin unterliegen dem Geltungsbereich des DSchG Bln vom (GVBl. 1995 S. 274). Die Denkmaleigenschaft tritt von Gesetzes wegen ein, sofern die Erhaltung eines Denkmals wegen der geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt (§ 2 Abs. 2 DSchG Bln).

1.2.2 Bindungswirkung der Eintragung als Denkmal für die Grundsteuer

Die förmliche Ausweisung von Grundbesitz als Denkmal (Baudenkmale, Denkmalbereiche, Gartendenkmale, Bodendenkmale) nach § 2 i. V. m. § 4 DSchG Bln ist dem Grunde und dem Umfang nach für die Grundsteuer zu übernehmen. Im Regelfall genügt die Vorlage eines entsprechenden Auszugs aus der Denkmalliste oder der Denkmaldatenbank des Landesdenkmalamtes Berlin. Eine gesonderte Bestätigung ist nur in Zweifelsfällen vorzulegen (Hinweis auf Tz. 1.1 sowie Tz. 1.2.3b).

1.2.3 Begriff des Kulturguts bei baulichen Anlagen oder fehlender Denkmaleigenschaft

Auch Grundbesitz, der nicht förmlich als Baudenkmal i. S. v. § 2 Abs. 2 i. V. m. § 4 DSchG Bln eingetragen oder nur Teil eines aus mehreren Anlagen bestehenden Baudenkmals ist, kann Kulturgut sein. Der Gesetzgeber hat den Tatbestand des Kulturguts in § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG selbstständig und unabhängig von landesrechtlichen Vorschriften des Denkmalschutzes festgelegt.

Nach dem BStBl 1984 II S. 870) ist ein öffentliches Interesse i. S. v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG jedoch nur dann gegeben, wenn für den Grundbesitz besondere rechtliche Bindungen zugunsten der dort bezeichneten Zwecke bestehen. Die rechtlichen Bindungen müssen in ihrer nutzungsbeschränkenden Wirkung die Grenze dessen überschreiten, was namentlich das Baurecht von Grundstückseigentümern an Rücksichtnahme auf Gemeininteressen ohnehin verlangt. Besondere rechtliche Bindungen in diesem Sinne können sich neben dem „echten” denkmalschutzrechtlichen Erhaltungsgebot für Baudenkmale aus engen denkmalschutzrechtlichen Gestaltungsgeboten ergeben.

Diese Frage wird insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn der Grundbesitz nur als Teil einer größeren Einheit (Denkmalbereich/Mehrheit baulicher Anlagen) dem Denkmalschutz i. S. v. § 2 Abs. 3 DSchG Bln unterliegt.

Zu unterscheiden ist in Fällen von Denkmalbereichen zwischen Gesamtanlagen und Ensembles:

a) Bei einem Baudenkmal, das aus mehreren selbstständigen Objekten besteht (Gesamtanlage), erstrecken sich die Wirkungen des Denkmalschutzes, insbesondere die Erhaltungsverpflichtung, grundsätzlich auf alle zugehörigen Einzelobjekte, unabhängig davon, ob die einzelnen baulichen Anlagen für sich gesehen eigenständigen Denkmalwert haben oder ob sich der Denkmalwert erst aus der Zugehörigkeit zu der Gesamtheit der baulichen Anlagen ergibt.

b) Unter Denkmalschutz stehende Ensembles können auch Gebäude enthalten, die nur im Einzelfall den Vorschriften des DSchG Bln unterliegen und dann auch nur in Teilen (z. B. nur das äußere Erscheinungsbild). Da für diese Gebäude ggf. aber nur eine Gestaltungspflicht, jedoch keine Erhaltungspflicht, bestehen kann, ist in entsprechenden Fällen eine Bestätigung des Landesdenkmalamtes vorzulegen, welche Kosten tatsächlich auf die Denkmaleigenschaft zurückzuführen sind, um den Kausalzusammenhang (s. Tz. 2) nachzuweisen.

Bindungen durch eine Lage in bestimmten Baubereichen, in denen die Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung der Eigenart eines Gebiets geregelt ist, entsprechen zumeist nicht den Anforderungen des wenn die Erhaltung der einzelnen im Geltungsbereich belegenen baulichen Anlagen hier nicht dem unmittelbaren Regelungszweck dient.

1.3 Naturschutz

Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG sind für Naturschutz erfüllt, wenn ein bestimmtes Gebiet rechtsverbindlich unter Naturschutz gestellt ist (Naturschutzgebiet § 23 Abs. 1 BNatSchG, § 22 NatSchG Bln), oder wenn ein Naturdenkmal (§ 28 Abs. 1 BNatSchG, § 25 NatSchG Bln) vorliegt.

Ein öffentliches Interesse ist dagegen nicht bereits dann gegeben, wenn der Grundbesitz in einem Landschaftsschutzgebiet (§ 26 Abs. 1 BNatSchG, § 23 NatSchG Bln) liegt oder vergleichbar „schwach” ausgestalteten Zweckbestimmungen (z. B. Naturpark – § 27 BNatSchG, § 24 NatSchG Bln – oder Geschützte Landschaftsbestandteile – § 29 BNatSchG, § 26 NatSchG Bln) unterliegt. Die rechtlichen Bindungen haben hier wegen des Fehlens eines ausdrücklichen allgemeinen Veränderungsverbots keine dem Naturschutzgebiet oder Naturdenkmal vergleichbare Intensität.

2. Nachhaltige Unrentierlichkeit des Grundbesitzes und Kausalzusammenhang

Weitere Voraussetzung für einen Erlass ist, dass in der Regel der Rohertrag unter den jährlichen Kosten liegt, das Grundstück also auf Dauer unrentabel ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (, BStBl 1998 II S. 590, GrSt-Kartei Berlin, Karte 2 zu § 32 GrStG) setzt der Anspruch auf Erlass der Grundsteuer wegen Unwirtschaftlichkeit eines unter Denkmalschutz stehenden Grundbesitzes nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG voraus, dass die Unrentabilität auf der Kultureigenschaft beruht (Kausalzusammenhang). Die früher vertretene Auffassung, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Unwirtschaftlichkeit und der Kultureigenschaft bestehen musste, ist dadurch gegenstandslos geworden.

Gemäß besteht die in § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG geforderte Kausalität zwischen Denkmaleigenschaft und Unrentabilität des Grundstücks jedenfalls dann nicht, wenn unwirtschaftlicher Grundbesitz durch den Denkmalschutz noch unrentabler wird.

Die Pflicht zum Nachweis des Kausalzusammenhangs liegt beim Grundstückseigentümer.

2.1 Zur Ermittlung des Rohertrags und der Kosten

Rohertrag und Kosten sind für Zwecke des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG selbstständig unter Berücksichtigung des Charakters der Grundsteuer als Objektsteuer zu ermitteln.

2.1.1 Rohertrag

Es bestehen keine Bedenken, die bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des EStG zugrunde gelegten Mieten und sonstigen Vorteile für die Berechnung des Rohertrags zu übernehmen. Zu beachten ist, dass zu den sonstigen Vorteilen auch der Wert gehört, den die Eigennutzung des Grundbesitzes für den Eigentümer hat. Als Nutzungswert sind die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zu erzielenden Miet- und Pachteinnahmen anzusetzen (A 35 Abs. 2 S. 3, 4 GrStR).

2.1.2 Kosten

Kosten sind alle im Zusammenhang mit dem Grundbesitz stehenden Verwaltungs- und Betriebsausgaben (A 35 Abs. 2 S. 6 GrStR, vgl. zum Begriff der „Kosten” grundlegend das BStBl 1992 II S. 577). Schuld- und Eigenkapitalzinsen sind nicht zu berücksichtigen. Nicht zu den Kosten gehören ferner alle Aufwendungen, die in Abhängigkeit von der Nutzung des Grundbesitzes anfallen (Wasser- und Abwassergebühren, Kosten für Heizung, Hausbeleuchtung, Reinigung, Gartenunterhalt und Einfriedung – es sei denn, auch die Gartenanlage und die Einfriedung stehen unter Denkmalschutz; Bayer. VGH 4 B 91.968 vom , ZKF 1993 S. 207).

Bei Gebäuden können nach A 35 Abs. 2 S. 8 GrStR Abschreibungen als Kosten i. S. v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG berücksichtigt werden. Nach dem ist dabei jedoch nur der Wertverzehr durch Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung i. S. d. § 7 Abs. 4 und 6 EStG anzusetzen. Nicht in die Berechnung einzubeziehen sind dagegen erhöhte (oder Sonder-) Abschreibungen.

2.2 Nachhaltigkeit der Unrentierlichkeit

Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG muss der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen. Hierfür ist, beginnend mit dem Kalenderjahr, für das der Erlass beantragt wird, ein Dreijahreszeitraum in Betracht zu ziehen. Dass der Grundbesitz nachhaltig keinen Reinertrag abwerfen darf, schließt nicht aus, dass ausnahmsweise in einem Jahr ein geringerer Überschuss erwirtschaftet wird. Ist in mindestens zwei Jahren ein Reinertrag erzielt worden, kann die Grundsteuer nicht erlassen werden (vgl. A 35 Abs. 2 S. 10–15 GrStR).

3. Umfang des Grundsteuererlasses

Der Erlass kommt für den einzelnen Steuergegenstand insgesamt in Betracht und erstreckt sich somit bei einem bebauten Grundstück auch auf die Grundsteuer, die auf den Grund und Boden entfallen würde.

Liegt nur die Erhaltung eines Teils des Grundbesitzes im öffentlichen Interesse, so ist auch nur die hierauf entfallende Grundsteuer zu erlassen (A 35 Abs. 4 GrStR). Für diesen Teil muss eine gesonderte Ermittlung der Rentabilität möglich sein. Unter Teile von Grundbesitz i. S. v. § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG fallen deshalb nur selbstständig nutzbare, hinsichtlich ihrer Rentabilität separat bewertbare Grundstücksteile. Dies kann z. B. bei einem Wohnteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft der Fall sein, der unter Denkmalschutz steht. Eine gesonderte Ermittlung des Rohertrags und der jährlichen Kosten ist dagegen bei unselbstständigen Gebäudeteilen, z. B. der denkmalgeschützten Fassade, nicht möglich mit der Folge, dass die Grundsteuer insgesamt nicht erlassen werden kann (Bayer. VGH 4 B 87.03744 vom , ZKF 1989 S. 205).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Denkmaleigenschaft einer baulichen Anlage einen Minderwert des Grundstücks und damit einen Abschlag bei der Einheitsbewertung zur Folge haben kann (vgl. gleich lautenden Ländererlass zur Einheitsbewertung von Grundbesitz, der unter Denkmalschutz steht vom , BStBl 1985 I S. 648). Da die Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass in § 32 Abs. 1 GrStG selbstständig geregelt sind, kann dieser ggf. unabhängig von der vorhergehenden Behandlung bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes in Betracht kommen.

4. Rechtsbehelf

Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass der Grundsteuer gemäß § 32 GrStG ist als Rechtsbehelf der Einspruch gegeben ( BStBl 1989 II S. 13).

5. Aufhebung der Rundverfügung Nr. 54/1994 GrSt-Nr. 29

Dieser Runderlass tritt an die Stelle der Rundverfügung Nr. 54/1994 GrSt-Nr. 29 der und des .

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Fundstelle(n):
QAAAE-90232